Hagen. Der Pendlerstrom nach Hagen nimmt rasant zu. Offenbar wohnen immer mehr Arbeitnehmer lieber außerhalb der Stadtgrenzen.
Der anhaltende Mangel an ausreichendem attraktiven Wohnraum in Hagen führt dazu, dass der tägliche Pendlerstrom ins Stadtgebiet immer weiter ansteigt. Die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt berichtet unter Berufung auf eine aktuelle Auswertung des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung von einem neuen Höchststand für Hagen: Demnach kamen im Jahr 2018 etwa 31.000 Menschen zum Arbeiten regelmäßig aus dem Umland in die Stadt – das sind 19 Prozent mehr als noch im Jahr 2000. Noch deutlicher stieg im gleichen Zeitraum die Zahl der Auspendler: 29.000 Arbeitnehmer, die täglich zum Geldverdienen die Stadt verlassen, entsprechen einer Steigerung von 42 Prozent.
Für die Hagener Arbeitsagentur keine überraschende Entwicklung. Insgesamt, so Sprecherin Cordula Cebulla, sei die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten zuletzt gestiegen und die immer mobileren Arbeitnehmer orientierten sich für ihre bevorzugte Stelle auch gerne mal über die Stadtgrenzen hinaus.
Gewerkschaft fordert andere Wohnungsbaupolitik
Friedhelm Kreft, Bezirksvorsitzender der Gewerkschaft, spricht derweil von einem „alarmierenden Trend“. Eine Hauptursache für den Pendel-Boom, so die Interpretation der Arbeitnehmervertreter, sei der Mangel an bezahlbaren Wohnungen in den Städten: „Eine wachsende Zahl von Menschen kann sich die hohen Mieten und Immobilienpreise gerade dort nicht mehr leisten, wo in den vergangenen Jahren besonders viele Jobs entstanden sind.“ Daher müsse es zu einer „drastischen Wende“ in der Wohnungsbaupolitik kommen, fordert Kreft: „Die öffentliche Hand muss viel mehr als bisher investieren, um bezahlbaren Wohnraum in den Ballungsräumen zu schaffen. Es fehlen vor allem Wohnungen im sozialen und im bezahlbaren Segment.“
Eine Einschätzung, die Burkhard Schwemin, bei der Stadt Hagen Leiter des Fachbereichs Immobilien, Bauverwaltung und Wohnen, keineswegs vollständig teilt: „In Hagen fehlt vor allem der attraktive Wohnraum“, meint der kommunale Experte mit Blick auf die gut verdienenden Facharbeitskräfte. Weil hier das Angebot im Hagener Stadtgebiet nicht ausreiche, würden zahlreiche Arbeitnehmer sich im Umland was suchen. „Letztlich nehmen diese Distanzen ja nur Leute auf sich, die sich hier nicht mehr wohlfühlen“, sind Schwemin die anhaltenden Defizite des Wohnstandortes Hagen durchaus vertraut. Deshalb sei die Stadt Hagen auf Grundlage des „Handlungskonzeptes Wohnen“ sowie im Rahmen des ISEK-Prozesses (Integriertes Stadtentwicklungskonzept) zurzeit mit Nachdruck dabei, einen Umlenkungsprozess einzufädeln.
Experte: Mietwohnungsmarkt vor dem Kollaps
Ursprünglich hatte bereits vor drei Jahren die Wohnungsmarktstudie von Prof. Dr. Guido Spars, Wissenschaftler der Bergischen Universität Wuppertal (Institut für Raumforschung & Immobilienwirtschaft), der Politik drastisch vor Augen geführt, dass in Hagen der Mietwohnungsmarkt vor dem Kollaps stehe, wenn es nicht gelinge, minderwertigen Wohnraum konsequent abzureißen und auf moderne Angebote zu setzen. „Heute ist häufig der Mietzins so niedrig, dass in Sanierungen nicht mehr investiert werden kann“, sieht auch Schwemin keine Alternative zum Rückbau unzeitgemäßer Angebote.
Hingegen unterstreicht der städtische Fachbereichsleiter die gewerkschaftliche Forderung nach mehr sozial gefördertem Wohnraum: „Die Zahl der öffentlich geförderten Wohnungen nimmt auch in Hagen seit Jahren ab, immer weniger Menschen können heute mit Wohnberechtigungsscheinen guten und preiswerten Wohnraum beziehen.“ Wohnungsgesellschaften und private Investoren, so Schwemin, seien in der anhaltenden Niedrigzinsphase auf öffentliche Förderungen mit entsprechenden Preisbindungen (5,35 Euro/qm) nicht angewiesen und würden daher lieber frei investieren.
Quote für mehr sozialen Wohnungsraum
Der Hagener Fachbereichsleiter plädiert daher dafür, bei der künftigen Ausweisung von Neubaugebieten eine Quotierung für geförderten Wohnraum beispielsweise von 25 Prozent ins Auge zu fassen. Andere Städte würden diesen Weg bereits gehen, um ihr Wohnungsangebot zu attraktivieren.