Hagen. Hagens oberster Jäger Hans-Jörg Braun spricht über die große Wildschwein-Population in unseren Wäldern - und was die Bürger tun können.
Hans-Jörg Braun (55) ist Vorsitzender der Kreisjägerschaft Hagen, der rund 500 Mitglieder angehören. Zugleich ist er als Jagdberater der Stadt Hagen tätig. Braun, der seit 1980 den Jagdschein besitzt, äußert sich im Gespräch mit unserer Zeitung zur Wildschweinplage am Goldberg. Dort fürchten Anwohner wegen der in die Stadt vordringenden Tiere um ihre Sicherheit.
Was tun, Herr Braun?
Hans-Jörg Braun: Zunächst einmal habe ich Verständnis für die Ängste der Menschen, denn die Begegnung mit einem Wildschwein kann einem einen gehörigen Schrecken einjagen. Von Natur aus sind die Tiere allerdings nicht aggressiv und würden einen Menschen nicht angreifen. Ausnahme: Bachen, also Muttertiere, die mit ihrem Nachwuchs unterwegs sind, können auch aggressiv werden, selbst wenn sie sich nicht in die Enge gedrängt fühlen. Grundsätzlich haben Wildschweine im Siedlungsbereich einer Großstadt nichts zu suchen, darüber müssen wir nicht diskutieren.
Dennoch sind sie da. . .
Der Goldberg ist ein waldreiches Hinterland unserer Stadt, die an die letzten Häuser angrenzenden großen Kleingartenanlagen bilden sozusagen die Ausläufer von Hagen. Dort ist es relativ ruhig, und weil Schweine intelligente Tiere sind, erkennen sie dies und ziehen sich gern dorthin zurück. Als ich selbst zum letzten Mal dort am Goldberg war, habe ich mit dem Hund in einem ehemaligen Hühnerstall einen Fuchs aufgescheucht. Für wilde Tier ist der Goldberg wahrlich ein Refugium.
Der städtische Förster Martin Holl behauptet, dort dürfe nicht gejagt werden. Sehen Sie das auch so?
Absolut. Rechtlich gesehen sind Siedlungsbereiche, aber auch Kleingartenanlagen und Friedhöfe, befriedete Bezirke, in denen das Jagen streng verboten ist. Das ist keine Sonderregelung der Stadt Hagen, sondern ein Bundesgesetz. Wer dagegen verstieße, verlöre den Jagdschein. Es wäre viel zu gefährlich, in Bereichen zu jagen, in denen sich ständig Menschen aufhalten. Zwar gibt es bisweilen Sondergenehmigungen, aber bestimmt nicht für den Goldberg mit seinen zahlreichen Häusern und Kleingärten. Und Evakuierungen, um eine Jagd durchzuführen, sind sicherlich nicht praktikabel.
Was also können die Anwohner tun?
Sie könnten ihre Gärten mit massiven Zäumen samt Untergrabungsschutz umgeben, was allerdings mit hohen Kosten verbunden ist. Das kann wahrscheinlich nicht jeder Bürger bezahlen. Es ist ein Teufelskreis: Die Schweine verwüsten die Gärten der Hausbesitzer, die Hausbesitzer ziehen sich deswegen aus den Gärten zurück, und das zieht die Schweine erst recht an, weil sie sich nun noch ungestörter fühlen.
Warum vermehren sich die Wildschweine so stark?
Das ist eine Folge der vielen weichen Winter. Früher hat starker Frost dafür gesorgt, dass sich die Anzahl der Tiere auf natürlichem Wege reduziert hat. Aber wir haben ja kaum noch nennenswerte Kältephasen. Wenn Sie so wollen, ist die Überpopulation der Wildschweine eine Folge des Klimawandels.
Wie soll man sich denn verhalten, wenn man plötzlich einem Wildschwein gegenüber steht?
Wenn es sich um kleine Schweine handelt, insbesondere um solche mit gestreiftem Fell, die wir Jäger Frischlinge nennen, dann sollte man schnellstens das Weite suchen. Auf keinen Fall näher rangehen. Die Begegnung mit deren Muttertier kann böse Folgen haben. Ich möchte hier aber keine Panik verbreiten.
Wie meinen Sie das?
Wie gesagt, ich habe Verständnis für die Sorgen der Anwohner, aber in der Regel ziehen sich Wildschweine bei Begegnungen mit Menschen zurück. Angriffe sind sehr selten. Wir Jäger werden uns noch einmal mit der Stadt zusammensetzen und überlegen, ob wir noch zusätzliche Jagden am Goldberg veranstalten können – außerhalb des befriedeten Bezirks.