Hagen. Zwölf Jahre lang verband Karl Ernst Osthaus und Walter Gropius eine Freundschaft. Pünktlich zum Bauhaus-Jahr liegt ihr Briefwechsel vor.
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„Ohne Osthaus kein Bauhaus.“ Auf diese prägnante Formel brachte Oberbürgermeister Erik O. Schulz am Donnerstag die Bedeutung des großen Hagener Mäzens Karl-Ernst Osthaus (1874 bis 1921) für die deutsche Kunst- und Architekturgeschichte. Anlass war die Vorstellung eines über 500 Seiten starken Buches, das den vollständigen Briefwechsel zwischen Osthaus und dem Bauhaus-Gründer Walter Gropius dokumentiert. „Das berühmte Bauhaus verdankt seine Entstehung sozusagen dem Hagener Impuls“, fasste Schulz die für ihn wichtigste Erkenntnis dieses gerade beängstigend voluminösen Werkes zusammen.
Von der engen freundschaftlichen Verbindung zwischen Osthaus und Gropius zeugen rund 400 Dokumente im Hagener Karl-Ernst-Osthaus-Archiv. Birgit Schulte und Reinhold Happel haben sie nun, mit einer Förderung von 25.000 Euro der Sparkassenstiftung Hagen, erstmals im Zusammenhang veröffentlicht. Die beiden für die Kunstgeschichte so herausragenden Persönlichkeiten lernten sich 1908 auf einer Studienreise in Madrid kennen, wo der seinerzeit noch gänzlich unbekannte, aber ungemein wissbegierige und eigenwillige Gropius in einer Fliesenmanufaktur hospitierte. „Da muss ein intellektueller Funke übergesprungen sein“, beurteilt Dr. Birgit Schulte das Zusammentreffen in der spanischen Hauptstadt aus der Distanz von über 100 Jahren.
Eifrigster Förderer
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Fortan war Osthaus der eifrigste Förderer von Gropius und verschaffte ihm nicht nur das Entree in den einflussreichen Deutschen Werkbund, sondern vermittelte ihm zudem die Kuratierung der Ausstellung „Vorbildliche Industriebauten“, die seit 1911 als Wanderausstellung von Hagen aus auf Tournee geschickt wurde. Auch die Berufung von Gropius an die Kunstgewerbeschule in Weimar, das spätere Bauhaus, brachte Osthaus maßgeblich auf den Weg. „Ich habe bereits mehrere Male kräftig eine Lanze für Sie eingelegt“, schrieb Osthaus einmal an seinen geistesverwandten Freund, der übrigens des Öfteren in Hagen weilte.
Aber der Briefwechsel liefert auch Einblicke in die Zeitgeschichte und die psychische Verfassung der Protagonisten. So sind die Briefe, die Gropius, der bereits 1914 eingezogen wurde und als Soldat im Ersten Weltkrieg kämpfte, während dieser Kriegsjahre von Verzweiflung und Pessimismus geprägt. Doch schon 1919 ist die Stimmung umgeschlagen, ergehen sich Gropius und Osthaus euphorisch in Plänen und Zukunftsvisionen.
„Architekt seines Ruhmes“
Doch als der Hagener Industrielle 1921 an einem schweren Leiden starb, kondolierten zahlreiche Bekannte und Freunde aus der Kunstszene – nur Gropius nicht. Hatte der „Architekt seines Ruhmes“, wie er einmal abwertend genannt wurde, auch Osthaus nur als Mittel zum Zweck genutzt oder fand er angesichts der zahlreichen Probleme, mit denen er am Bauhaus konfrontiert war, einfach keine Zeit für ein paar bedauernde Zeilen in Richtung Hagen? „Natürlich war Gropius ein Egoist“, sagt Reinhold Happel: „Aber ehrlich gesagt, ist das jeder große Künstler. In der Kunstgeschichte gibt es viele solche schwarzen Schafe.“
Ausstellung bis 12. Januar im Osthaus-Museum
Die rekonstruierte Ausstellung „Vorbildliche Industriebauten“ ist vom 7. September bis 12. Januar im Osthaus-Museum zu sehen.
Die Publikation „Karl Ernst Osthaus und Walter Gropius. Der Briefwechsel 1908-1920“ von Reinhold Happel und Birgit Schulte ist für 29,95 Euro im Buchhandel erhältlich. Das Buch erscheint im Essener Klartext-Verlag.
Fest steht, dass sich Gropius und Osthaus bestens verstanden und beide große Netzwerker waren. Und das der eine ohne den anderen nie jener weltweit berühmte Architekt und Bauhaus-Gründer hätte werden können.