Hagen. Simone Gerwig liebt ihre Arbeit im Hagener Tierheim. Sie kann ein Lied von sturen Dackeln und eitlen Rassekatzen singen.
„Einfach nur tierlieb sein, das reicht nicht aus. Wir haben ja auch jede Menge komplizierter Tiere hier, damit muss man umzugehen wissen.“ Und Simone Gerwig, seit über 20 Jahren im Hagener Tierheim beschäftigt, weiß genau, wie sie diese Problemfälle angeht.
„Jeder Dackel ist ein Sturkopf – das muss man einfach wissen“, lacht die 51-Jährige, die aus dem Erzgebirge stammt und dort in grauer Vorzeit in einer Weberei gearbeitet hat. Mitte der 1990er-Jahre hat sie ein Praktikum samt Umschulung in einem kleinen Tierpark in Aue gemacht. Durch eine Bekannte kam Simone Gerwig nach Hagen, arbeitete erst ehrenamtlich, dann als Praktikantin und als Umschülerin zur Tierpflegerin im hiesigen Tierheim. „Als ich schließlich eine Festanstellung bekam, hab’ ich gejubelt und gedacht ,Gott sei Dank’“, blickt sie zurück.
Fütterung beginnt um sechs Uhr
Im Hagener Tierheim hat die Arbeitswoche sieben Tage. „Wir sind dankbar für die etwa 20 bis 25 Ehrenamtlichen, die uns unterstützen und auch am Wochenende Dienst machen“, sagt Simone Gerwig.
Vier Festangestellte, ein Azubi und zwei Bufdis
Im Tierheim arbeiten vier Festangestellte (inklusive Leiterin Stefanie Ackermann), am 1. August hat ein Azubi seine Ausbildung zum Tierpfleger begonnen. Zwei Bufdis (Bundesfreiwilligendienstler) ergänzen das Team, ab und an auch Praktikanten.
Das Tierheim hat für Besucher montags und donnerstags von 7.30 Uhr bis 18 Uhr geöffnet, dienstags bis 16 Uhr und mittwochs sowie freitags bis 13 Uhr. Das Tierheim befindet sich in Eilpe in der Hasselstraße 15, 2 54 54.
Wie ihr Alltag, wenn nichts unvorhersehbares passiert, aussieht? „Mit den Hunden geht’s los. Die werden schon um sechs Uhr gefüttert. Und spätnachmittags nochmal.“ Ab 7.30 Uhr werden die Hundeboxen gesäubert, die Spaziergänger – meist ehrenamtliche Helfer – starten gegen acht Uhr.
„Wenn Helfer fehlen, gehen wir Mitarbeiter selbst mit den Hunden. Es gibt ein ungeschriebenes Gesetz: ,Bei uns kommt jeder Hund jeden Tag raus’“, sagt die 51-Jährige mit fester Stimme. 17 Hundeboxen gibt’s im Tierheim, außerdem vier Quarantäneboxen. „Die vier Spezialboxen dürfen keine Helfer betreten, sondern nur wir Mitarbeiter, da wir gegen Tollwut geimpft sind.“
Warzenente und Lachtaube
Um 9.30 Uhr kümmern sich die Mitarbeiter um die Kleintiere – Kaninchen, Vögel, Ratten. „Wir hatten schon alles hier“, lacht Simone Gerwig, „von Warzenente über Lachtaube bis hin zum Zebrafink“. Im Schnitt finden zehn Kleintiere, 50 Katzen und 15 Hunde im Tierheim ein Zuhause auf Zeit.
Wenn die Routinearbeiten erledigt sind, müssen die Mitarbeiter oft zu Einsätzen ausrücken. „Ein Tier, das angefahren worden ist, bringen wir zum Tierarzt oder zu uns.“ Gerwig öffnet die Tür zu einem kleinen Raum: „Das ist Micki, unser Handicap-Kater. Er ist etwa acht Jahre alt und war in einen Unfall verwickelt, dadurch hat er eine schiefe Hüfte und ein verletztes Auge.“ Simone Gerwig nimmt Micki auf den Arm, schaut ihn mitleidig an, „wenn er kuscheln will, ruft er nach mir. Dann nehm’ ich mir auch Zeit für ihn.“
Ein trauriger Trend setze sich immer mehr durch, beklagt die 51-Jährige, „wir müssen uns um immer mehr verwahrloste Tiere kümmern. Häufig werden die armen Kreaturen einfach in einer Wohnung zurück gelassen“, schüttelt Simone Gerwig fassungslos den Kopf.
Die Urlaubszeit sei für etliche Tiere wie auch fürs Tierheim eine harte Zeit: „Heute will ich ein Tier, morgen geb’ ich’s wieder ab – auch dieser Trend wird immer stärker.“ Gerade in der Urlaubszeit und nach Weihnachten würden viele Tiere einfach ausgesetzt oder unter einem Vorwand im Tierheim abgegeben. Einige vermeintliche Tierfreunde würden Futter- und Tierarztkosten einfach nicht bedenken, „und was passiert mit dem Tier, wenn ich als Besitzer ins Krankenhaus komme? Alles muss gut überlegt sein.“
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Tiere, für die man ein besonderes Händchen braucht? Die Expertin schmunzelt: „Rassekatzen wie Perser, Siam oder Maine-Coon wollen schon gebeten werden. Die schreien nach ihrem Zimmerservice.“
In einer der Hundeboxen wartet Aaron auf seine Streicheleinheiten. Der Schäferhund ist neun Jahre alt, „ein ganz lieber Kerl, der dringend ein Zuhause sucht“, sagt Gerwig.
Abschied nehmen ist schwer
Was sie an ihrem Job nicht mag? „Das Telefon macht uns manchmal wahnsinnig. Und Abschied zu nehmen von Tieren, die uns ans Herz gewachsen sind, ist immer schwer. Andererseits ist die Freude groß, wenn wir das Gefühl haben, dass wir für eines unserer Tiere ein schönes Zuhause gefunden haben.“
Beobachtungsgenauigkeit und Sensibilität sind wichtig
Allgemeines
Berufsbezeichnung: Tierpfleger/in der Fachrichtung Tierheim und Tierpension
Berufstyp: Anerkannter Ausbildungsberuf
Ausbildungsart: Duale Ausbildung in Industrie und Handel (geregelt durch Ausbildungsverordnung)
Ausbildungsdauer: 3 Jahre
Lernorte: Ausbildungsbetrieb und Berufsschule (duale Ausbildung)
Was macht man in diesemBeruf?
Tierpfleger der Fachrichtung Tierheim und Tierpension versorgen und pflegen Haustiere und kümmern sich intensiv um sie. Tiere, die ausgesetzt wurden, die wegen Misshandlungen oder schlechter Haltung ins Tierheim kommen, sind häufig traumatisiert. Tierpfleger versorgen die Tiere mit Futter und richten artgerechte Tierunterkünfte ein, die sie auch reinigen und instand halten. Sie beraten die Tierbesitzer, die ihre Haustiere z.B. in einer Tierpension unterbringen möchten und kümmern sich um neue Eigentümer für herrenlose Heimtiere. Dazu schließen sie Aufnahme- und Abgabeverträge ab. Sie kümmern sich ferner um die Anschaffung von Futtermitteln und Gerätschaften über die Kostenplanung bis zur Abwicklung des Zahlungsverkehrs.
Wo arbeitet man?
Beschäftigungsbetriebe: Tierpfleger der Fachrichtung Tierheim und Tierpension finden Beschäftigung in Tierheimen und Tierpensionen. Arbeitsorte: Tierpfleger arbeiten z.B. in Ställen, Freigehegen und Tierkrankenstationen
Welcher Schulabschluss wird erwartet?
Rechtlich ist keine bestimmte Schulbildung vorgeschrieben. In der Praxis stellen Betriebe meist Azubis mit mittlerem Bildungsabschluss oder Hochschulreife ein.
Worauf kommt es an?
Anforderungen: Beobachtungsgenauigkeit (z.B. Erkennen der Anzeichen von Tiererkrankungen, Trächtigkeit, Verhaltensauffälligkeiten), Sorgfalt und Verantwortungsbewusstsein (z.B. für das genaue Einhalten der Futtermengen oder Medikamentendosierung, handwerkliches Geschick (z.B. für das Säubern, Einrichten und Instandhalten von Tierunterkünften), Kundenorientierung.
Schulfächer: Biologie (beim Einordnen der Tiere nach Rasse oder Herkunft), Mathematik (z.B. für die Berechnung von Futterrationen).
Was verdient man in der Ausbildung?
Beispielhafte Ausbildungsvergütungen pro Monat:
1. Ausbildungsjahr: 1018 (öffentlicher Dienst),
2. Ausbildungsjahr: 1068 Euro (öffentlicher Dienst),
3. Ausbildungsjahr: 1114 Euro (öffentlicher Dienst).