Hohenlimburg. 850 Jahre Berchum - das wird im Hagener Stadtteil gefeiert. Ein Historiker stellt die Zahl in Frage. Jetzt streiten Veranstalter und der Experte.

850 Jahre werde Berchum alt. Das zumindest behauptet ein engagiertes Team um Clemens Lohkamp und Claus Bohne und hat mit viel Leidenschaft ein großes Fest nebst Mittelaltermarkt für das Wochenende 6. bis 8. September auf die Beine gestellt. Der angesehene Historiker Prof. Gerhard Sollbach hat aber ganz andere Erkenntnisse: In der Urkunde, auf die sich die Berchumer berufen, sei gar nicht von Berchum die Rede, sondern von Bergheim am Rhein. Jetzt ist ein Streit um das Alter des Stadtteils entbrannt.

Von „Berchem“ und „Siberg“ ist in der Urkunde, bei der sich um eine Abschrift aus dem 1791 handelt, die Rede. Das übersetzte der in Sollbachs Augen „verdiente“ Heimatforscher Otto Schnettler in den 30er-Jahren mit Berchum und (Hohen-)Syburg. „Da allerdings liegt er völlig falsch“, sagt Mittelalter-Experte Sollbach, lange Jahre Direktor des Historischen Instituts an der Uni Dortmund. Vielmehr handele es sich um Bergheim und Siegburg.

Die neue Erkenntnis ist eigentlich eine alte

Landesarchiv: Genaue Festlegung oft schwierig

Das Landesarchiv in Duisburg hat gegenüber Prof. Sollbach schriftlich angekündigt, aufgrund seiner Arbeit das Regest (Inhaltsverzeichnis) zu der Urkunde zu ergänzen.

Wenn es nun eine weitere Ausarbeitung gebe, so Dr. Martin Früh vom Landesarchiv gegenüber unserer Zeitung, mit Blick auf die Ankündigung der Fest-Organisatoren, werde man auch diese prüfen und einpflegen.

Generell komme es immer wieder vor, das genannte Ortsnamen unterschiedlich interpretiert würden. Eine genaue Festlegung sei oft schwierig. Häufig würde dann mit Wahrscheinlichkeiten operiert.

„Eigentlich habe ich ja gar nichts Neues herausgefunden“, sagt Prof. Sollbach und verweist darauf, dass bis zu den Schnettlerschen Ausführungen die Urkunde bereits Bergheim zugeordnet gewesen sei. „Schnettler hat sich nur am Rande mit der Urkunde befasst und keinerlei Belege geliefert. Die Begründung dafür ist ganz simpel: Es gab und gibt keine.“

Neben zahlreichen Indizien im Text, so Sollbach, sei es vor allem ein Satz, der der Urkunde vorangestellt sei, der seine These beweise: „Da ist von einem Monasterium, einem Kloster, die Rede“, sagt Sollbach, „ein Kloster hat es aber auf der Hohensyburg nie gegeben.“

Ein paar Felder und Wiesen

Berchum sei zu jener Zeit vielleicht eine kleine ländliche Siedlung gewesen. Also im Grunde ein paar Felder und ein bisschen Wald. „Der Name taucht 1243 zum ersten Mal auf. Gemeint ist aber kein Ort, sondern ein Dietrich von Berchum. Noch 1654 gab es hier nur 27 Bauern und Kötter. Da ist es kaum glaubhaft, dass 1169 an gleicher Stelle ein florierender Ort mit Kirche gewesen sein soll.“

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Mit seinen Erkenntnissen hat Sollbach, der sich für das Stadtarchiv engagiert und von dort gebeten wurde, sich mit der Urkunde, die im Landesarchiv NRW in Duisburg lagert, näher zu beschäftigen, nicht hinter dem Berg gehalten. „Bereits im April habe ich mich mit den Veranstaltern an einen Tisch gesetzt und ihnen die Ergebnisse meiner Forschung mitgeteilt“, so Sollbach. „Mir geht es ja nicht darum, irgendwem das Fest zu vermiesen. Aber als Wissenschaftler fühle ich mich der Wahrheit verpflichtet.“

Historiker über Reaktion verärgert

Eigentlich, so Sollbach, habe er angenommen, dass man sich über neue Erkenntnisse freuen werde. Stattdessen habe man ihm nicht geglaubt: „Es ärgert mich schon, dass eine solide wissenschaftliche Arbeit derart in Frage gestellt wird.“

Denn: Die Organisatoren kündigen eine eigene Ausarbeitung an, die sie in der Festschrift veröffentlichen wollen. „Wir haben die Ausführungen Sollbachs widerlegt“, sagt Claus Bohne, ohne ins Detail zu gehen. „Der Satz, der auf das Kloster verweist, ist erst bei Abschrift der Urkunde hinzugefügt worden.“

Zurückhaltend in der Diskussion gibt sich die Stadt Hagen, die über Mittel aus dem Etat der Bezirksvertretung Hohenlimburg das Fest mit 3000 Euro unterstützt: Der Oberbürgermeister werde das Fest besuchen. Das Fest sei „geschichtskulturelles Ereignis“. Die Entstehung Berchums reicht mehrere Jahrhunderte zurück. Eine genaue Datierung müsse durch einen wissenschaftlichen Experten festgestellt werden.