Hagen. Havva Bülbül berät als Elternlotsin Migranten-Familien in Hagen zum Thema Ausbildung. Ihre Erfahrung: Das Interesse ist groß.

Havva Bülbül ist eine von 56 ehrenamtlichen Elternlotsen, die speziell Eltern aus Migrantenfamilien beraten. Seit 2016 erfüllt sie diese Aufgabe. Im Interview spricht die 37-jährige Hagenerin, die am kommenden Donnerstag, 6. Juni, auch bei der Ausbildungsmesse vor Ort sein wird, über ihre Erfahrungen und den Stellenwert einer guten Ausbildung in Migrantenfamilien.

Frau Bülbül: Hat das Thema Ausbildung in Familien mit Migrationshintergrund einen hohen Stellenwert?

Ja, nach all meinen Erfahrungen hat es dies. In den Familien, die ich kenne oder beraten habe, spielt die Ausbildung eine große Rolle. Allen ist klar: Ohne Ausbildung ist es sehr schwierig am Arbeitsmarkt. Und wenn es nicht sofort klappt mit einer Ausbildungsstelle, dann machen viele erst weiter mit der Schule. Nichts-Tun oder eine Egal-Haltung erkenne ich da nicht.

Drei Satzergänzungen

An Hagen gefällt mir besonders ...
... der Drei-Türme-Weg und die vielen dichten Wälder.

Urlaub: Wenn ich die Wahl zwischen Meer oder Bergen habe...
... dann wähle ich die Berge, jedoch der Kinder zuliebe häufiger auch das Meer.

Das letzte Mal im Kino war ...
... im Januar in Chaos im Netz 2 mit meiner Familie zum Geburtstag meiner Tochter.

Wie wird man eigentlich Elternlotse?

Die Agentur Mark hat diverse Migrantenvereine in Hagen angesprochen, ob Interesse an einer Schulung zum Elternlotsen besteht. Ich habe dann für mich selbst gesagt: Ich habe hier in Hagen die Schule absolviert, auch meine Ausbildung, mein Abitur gemacht und gearbeitet. Aber trotzdem kenne ich vieles rund um das Thema Ausbildung nicht. Da gibt es so viele Möglichkeiten. So wird es auch vielen anderen Eltern gehen. Deshalb habe ich die Schulung zur Elternlotsin, die wirklich super war, absolviert, um das Wissen weiterzugeben. Durch diese Schulung haben sich mir neue Türen geöffnet. Ich durfte als Elternberaterin auf der Ernst-Eversbusch-Schule an dem Projekt berufsorientierte Elternarbeit im Rahmen von „Kein Abschluss ohne Anschluss“ des Landesintegrationsrates teilnehmen --beauftragt durch die Landesregierung NRW.http://2000_Schüler_werden_bei_Messer_erwartet{esc#225896091}[infobox]

Ihre Zielgruppe sind die Eltern, nicht die Jugendlichen. Warum?

Jugendliche ergreifen oft nicht selbst Initiative. Deshalb sprechen wir als Eltern auch Eltern an. Das Gute am deutschen Ausbildungssystem ist, dass es viele Möglichkeiten gibt, seinen eigenen Weg zu gestalten. Den muss man aber auch finden. Bestandteil unserer Schulung waren auch die Besonderheiten hier bei uns in Hagen. Deshalb können wir den Eltern aus Migrantenfamilien eine gute Hilfestellung geben.

Auch Elternberaterin an Eversbusch-Schule

Havva Bülbül ist 37 Jahre alt, verheiratet und Mutter von derzeit zwei Kindern.

Sie ist in der Türkei geboren, aber schon als kleines Kind nach Hagen gekommen. Nach der Grundschule ging sie zur Realschule, baute dann an der Höheren Handelsschule ihr Fachabitur und absolvierte eine Ausbildung zur Großhandelskauffrau.

Neben ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit als Elternlotsin, war Havva Bülbül bis vor kurzem als Elternberaterin an der Ernst-Eversbusch-Schule tätig.

Wir erreichen sie die Eltern aus Migrantenfamilien?

Zum einen haben wir als Elternlotsen bei diversen Veranstaltungen in den Migrantenvereinen die Gäste über die Arbeit der Elternlotsen informiert. Und zum anderen habe ich als Elternberaterin auf der Ernst-Eversbusch-Schule an Elternsprechtagen am Infostand mich und meine Arbeit vorgestellt. Da sprechen uns viele Mütter und Väter an. Ich frage dann, ob ich sie noch einmal per Handy oder WhatsApp kontaktieren darf, um sie zu einem Infoabend einzuladen. Gerade diese ganz persönliche Ansprache ist oft erfolgreich. Und bei den Gesprächen gibt es eine ganz niedrige Hemmschwelle. Uns fragen die Eltern ganz andere Dinge als etwa einen Lehrer.http://Experten-Tipps-_Das_gehört_zu_der_perfekten_Bewerbung?{esc#225896093}[news]

Worum geht es bei ihren Elternabenden und ihren Gesprächen?

Ziel unserer Zusammenarbeit ist es, die Eltern durch verschiedene, auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene Angebote und Veranstaltungen im Rahmen der „Kein Abschluss ohne Anschluss“-Bausteine – wie etwa Potenzialanalyse, Berufsfelderkundung, Praktikum, Ausbildung und ähnlichem – aktiv in den Berufswahlprozess ihrer Kinder einzubeziehen und zu kompetenten Beratern für ihre Kinder zu machen. Ich sage immer: Es ist das Wichtigste, das eigene Kind kennenzulernen. Man muss erkennen, was es wirklich will, welche Ausbildung zu ihm passt. Deshalb spielen Praktika eine so wichtige Rolle. Schon in der siebten Klasse kann das erste Praktikum gemacht werden.http://Suche_nach_Ausbildungsplatz-_Wichtige_Infos_im_Überblick{esc#225876849}[news]

Wie klappt die sprachliche Verständigung?

Die monatlichen Elternabende halte ich grundsätzlich in deutscher Sprache. Ich selbst spreche ja auch türkisch, und im Vorfeld frage ich nach, ob ich zum Beispiel einen Dolmetscher für Rumänisch organisieren soll.

Gibt es nach ihrer Erfahrung Ausbildungsberufe, für die sich Jugendliche mit Migrationshintergrund in Hagen besonders interessieren?

Nein, das ist sehr, sehr unterschiedlich. Das Interesse erstreckt sich über alle möglichen Bereiche, vom kaufmännischen zum sozialen bis hin zu handwerklichen Berufen, wie Maler und Lackierer, Bankkauffrau über Friseur bis Koch ist alles dabei.

Kausa-Beratungsstelle hat 56 Elternlotsen ausgebildet

Bei der siebten Hagener Ausbildungsmesse, die am kommenden Donnerstag, 6. Juni, von 8.30 bis 16 Uhr im Berufsbildungszentrum (SIHK, Kreishandwerkerschaft) in Kückelhausen stattfinden wird, werden auch die Elternlotsen vertreten sein.

Die bei der Agentur Mark angesiedelte Kausa-Servicestelle Hagen arbeitet seit Juni 2016 daran, die Chancen von Jugendlichen mit Migrationshintergrund auf dem Ausbildungsmarkt zu verbessern. Dazu hat sie auch 56 Menschen mit Migrationshintergrund aus zwölf Migrantenselbstorganisationen zu Elternlotsen qualifiziert. Die Elternlotsen transferieren ihr Wissen zu Themen der Berufsorientierung und zur Ausbildungsthematik für ihre Community in ihre Vereine.

Die Elternlotsen haben in ihren jeweiligen Vereinen im Vorfeld Werbung für die Ausbildungsmesse gemacht. Sie treffen sich am Donnerstag ab 13 Uhr im Eingangsbereich der Fachhochschule für Öffentliche Verwaltung auf dem Messegelände und bieten dann für ihre jeweilige Community einen Rundgang auf der Ausbildungsmesse an.

Ist es schwer für Jugendliche mit Migrationshintergrund, eine Ausbildungsstelle in Hagen zu finden?

Das hat sich schon gewandelt. Ich weiß noch aus meiner eigenen Erfahrung, dass es für Migranten schwer war. Heute werden Auszubildende aber so sehr gesucht, dass die Chancen sich vergrößert haben. Es gibt aber in meinen Elternabenden auch immer wieder die Frage nach dem Kopftuch. Da haben Eltern schon Bedenken, dass ihr Kind Schwierigkeiten bei der Ausbildungssuche hat.

Was glauben Sie: War Ihre Arbeit bislang erfolgreich?

Ja, auf jeden Fall. Die Eltern sind sehr froh, dass sie im persönlichen Gespräch ihre Fragen stellen können und Information bekommen. Und ich bekomme auch die Rückmeldung, dass Jugendliche tatsächlich einen Ausbildungsplatz gefunden haben. Das freut mich sehr und die Eltern sind sehr erleichtert.