Staplack. . Der Junge, dessen Beine bei einem Unfall vor seiner Haustür zertrümmert werden, kann wieder gehen. Der Fall liegt bei der Staatsanwaltschaft.
Es ist ein unglaubliches und ein berührendes Bild: Jeremy Hein (9), über dessen grauenvollen Unfall die WESTFALENPOST im vergangenen Februar berichtet hatte, steht wieder auf seinen Beinen. Auf jenen Beinen, die zertrümmert, verbogen, aber mit riesigem Glück nicht abgetrennt worden waren.
Am 30. Januar, einem verschneiten Tag, wollten Jeremy und seine Mutter Nina vor dem Haus der Heins ins Auto einsteigen, um zum Pferdestall nach Menden zu fahren. Jeremy ist ein talentierter und geförderter Reiter. Die Beifahrerseite, an der er einstieg, deutete zum abschüssigen Köhlerweg, der den Staplack mit Emst verbindet. Jeremy öffnete die Beifahrertür und setzte sich seitlich auf den Sitz, um den Schnee von den Schuhen abzuklopfen.
Plötzlich rauschte vom Köhlerweg ein VW mit einem 22-jährigen Fahrer heran. Auf der rutschigen Straße konnte er den VW in der Kurve vor dem Haus der Heins nicht abbremsen. Er knallte mit mindestens 50, aber wohl mehr Stundenkilometern in die Fahrzeugseite der Heins, an der Jeremy sich gerade die Schuhe abklopfte. Die offene Beifahrertür wurde mit heftiger Wucht zugeschlagen. Obwohl Jeremys Beine sich noch außerhalb des Fahrzeugs befanden, schlug die Tür heftig zu und zertrümmerte seine Beine.
Polizisten besuchen Jungen
Als die WP im Februar berichtete, waren auch die Polizisten Kristina Rüth und Marc Britz dabei, die den Jungen an der Unfallstelle unglaublich warmherzig betreuten und bei Bewusstsein hielten, bis der Notarzt eintraf. Kristina Rüth hatte Jeremy dabei in ein Gespräch über Pferde verwickelt, auch sie ist passionierte Reiterin.
Drei Monate später. Nina Hein schickt der Stadtredaktion ein Foto über Whatsapp. Darauf zu sehen: Jeremy an Krücken und mit einem schelmischen Grinsen im Gesicht. Der Junge, dessen Kinderzimmer zu einer Krankenstation umgebaut werden musste, ist wieder auf seinen Beinen. Kein wochenlanges Liegen mehr. Jeremy kämpft sich zurück. Er geht mittlerweile sogar wieder zur Schule.
Etliche Röntgenuntersuchungen, Physio-Stunden und Arztbesuche liegen hinter ihm. Das linke Bein ist bereits angemessen verheilt, das rechte hingegen schien lange nicht gesunden zu wollen. „Doch auch dort sieht man nun endlich Fortschritte“, sagt Nina Hein. Die Knochen sind verbogen, ein Bein etwas verkürzt, vielleicht wird irgendwann noch mal eine Folge-Operation nötig sein. „Aber für den Moment sieht es so aus, als wenn Jeremy sogar bald wieder reiten können wird“, sagt seine Mutter, die nicht verdrängt, dass es zwischendurch Momente gibt, in denen Jeremy flucht, weint, die Welt verteufelt und sagt, dass er nicht mehr kann. Doch dann rafft er sich wieder auf, übt, geht und ist hoffnungsvoll. „In weiteren drei Monaten kann das alles noch mal ganz anders aussehen“, sagt Nina Hein, die ihren Sohn dabei beobachtet, wie er zwischendurch betet. Das hat er vorher nie getan. Ohnehin sei Jeremy nach dem Unfall als Person unheimlich gereift, findet seine Mutter.
Titan in den Beinen muss entfernt werden
Noch befinden sich Titan-Stangen in den Beinen von Jeremy Hein, die bei einer Operation demnächst entfernt werden. Ohne diese Stangen, so sagt seine Mutter, wird es wohl auch wieder möglich sein, auf einem Pferd zu reiten.
Jeremy geht auf die Rudolf-Steiner- Waldorfschule in Dortmund, wo ihm seine Mitschüler jeden Tag viel helfen.
Reifenprofil hat nicht ausgereicht
Dem 22-Jährigen, der auf schneeglatter Fahrbahn in den Wagen der Heins gerutscht war, hatte Jeremy nach dem Unfall am Telefon verziehen und zu ihm gesagt: „Ich werde wieder gesund. Und ich glaube dir, dass du das nicht mit Absicht gemacht hast.“ Indes liegt der Fall noch bei der Staatsanwaltschaft. Der Verursacher hatte angegeben, mit 45 Stundenkilometern unterwegs gewesen zu sein. Den polizeilichen Ermittlungen nach soll die Profiltiefe der Winterreifen an dem VW nicht ausgereicht haben.