Hagen. . Ernst Hutter ist Jazzer und leitet die legendären Egerländer Musikanten. Was Polka und Swing verbindet, verrät der Posaunist im Interview

Wie kommt ein Jazzmusiker zum Vogelwiesen-Franz? Und warum ist er dabei so glücklich? Das sind Fragen, die Ernst Hutter (61) gerne beantwortet. Der Posaunist der SWR Bigband ist seit fast 20 Jahren Nachfolger von Ernst Mosch als Dirigent der Original Egerländer Musikanten. Am Samstag, 4. Mai, gastiert die Erfolgsformation in der Stadthalle Hagen. Am Bariton wird dann auch Edgar Wehrle sitzen, Soloposaunist im Philharmonischen Orchester Hagen. Und in der Posaunengruppe spielt Patrick Raatz mit, der Dirigent des Musikvereins Grevenbrück. Grund genug, Ernst Hutter zu interviewen, warum Egerländer Musik nicht nur beim Publikum so beliebt ist, sondern gerade bei erstklassigen Profi-Musikern aus der Jazz- und Klassik-Szene.

Viele junge Talente

Wachtel-Polka, Gablonzer Perlen, Musikantenmarsch: Das hört sich nach Trachtenhütchen und grauen Haaren an. Sitzen bei Ihnen nur ältere Semester im Publikum und im Orchester?

Die Blasmusik-Bewegung ist eine Riesenszene. Es gibt einen großen Amateur-Bereich, der aber heute überwiegend von professionellen Dirigenten geleitet wird. Und es gibt unglaublich gute junge Talente. Die spielen bei uns mit, die spielen aber auch bei den besten von den neuen jungen Ensembles wie beispielsweise„Moop Mama“. Und die gehen als Dozenten in die Musikvereine. Das ist wichtig, denn so bleibt das professionelle Musikleben mit der Basis in Verbindung.

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Ein Beispiel dafür ist Patrick Raatz. Der junge Posaunist ist fest in unserem Ensemble und gleichzeitig jüngst als Dirigent des Musikvereins Grevenbrück in seine sauerländische Heimat zurückgekehrt. In der klassischen Musik hat man solche Brückenschläge eine Zeit lang verschlafen, da wird derzeit viel aufgeholt. Unser jüngster ­Musiker ist 25, der älteste Anfang 60. Und genauso ist auch die Altersstruktur unseres Publikums. Derzeit gibt es zudem viele junge Leute, die unsere Musik neu für sich entdecken.

Ernst Mosch war Jazzer

Warum lieben Sie als Jazzer Polka, Marsch und Walzer? Ist das nicht ein Widerspruch?

Ich bin, wie die meisten Musiker bei den „Original Egerländer Musikanten“, studierter klassischer Musiker, bekam dann aber als Posaunist ein Engagement beim Südfunktanzorchester des SDR in Stuttgart. Was viele nicht wissen: Ernst Mosch war ebenfalls Jazzer, er hat „Die Egerländer“ 1956 in genau diesem Südfunktanzorchester gegründet. Die Band heißt heute SWR Big Band, und ich spiele dort, wie bei den „Egerländern“, schon seit über 30 Jahren. Musikalisch sind Jazz und Egerländer Musik gar nicht so weit auseinander.

Können Sie das erklären?

In der Bigband geht es um Swing, Improvisationen, andere Harmonisierungen als bei Polka, Marsch und Walzer. Aber im Rhythmus ist die Musik der „Egerländer“ ebenfalls swingend zu empfinden, wir haben da viele Parallelen. Bei Polka und Marsch spielen wir den Offbeat betont in den Bläsern mit, genau wie es ein Swing-Schlagzeuger bei „In the Mood“ machen würde. Wiener Walzer ist auch kein metrisch ganz genauer Dreivierteltakt, er ist Vorbild für unsere Walzerinterpretationen. Swing war ursprünglich eine Tanzmusik und ein wichtiger Teil der Jazzentwicklung. Und die böhmische Musik entstand ja auch aus dem Tanz.

Eddie-Polka in Hagen

Der Vogelwiesen-Franz ist durch Ernst Mosch bekannt geworden und heute auf jedem Schützenfest zu hören.

Viele Lieder, die heute bei Volksfesten gespielt werden, entstammen unserem Repertoire Die Polka „Auf der Vogelwiese“ stammt von dem tschechischen Komponisten Josef Poncar, den Text dazu hat Gerald Weinkopf, einer der wichtigsten Partner von Ernst Mosch, geschaffen. Wir haben im Orchester mehrere Musiker, die komponieren - so wie Edgar Wehrle von den Hagener Philharmonikern, dem wir viele schöne Stücke verdanken. Seine Eddie-Polka spielen wir übrigens am Samstag in Hagen. Wir haben auch mehrere Solostücke im Repertoire, bei denen klingt das Orchester wirklich wie eine Bigband, dabei spürt der Zuhörer nicht nur, dass die Musiker in der Lage sind, das stilistisch und bläserisch umzusetzen, sondern auch, wie nahe böhmische Blasmusik und Swing zusammen liegen. Musiker wie Edgar Wehrle sind Botschafter ihrer Leidenschaft. Musik muss Leidenschaft sein. Musik kann doch nicht eine Diensterfüllung sein.

Bringt diese Popularität Vorurteile mit sich?

Doch, wir haben mit Vorurteilen ebenso zu tun wie leider auch mit Urheberrechtsproblemen, wenn zum Beispiel andere Bands versuchen, dem Publikum vorzumachen, sie wären das Original. Weil unsere Musik beim Schützenfest viel von Musikvereinen gespielt wird, werden wir in den Medien manchmal mit Amateurmusik in Verbindung gebracht. Und wir ­werden in die Schublade „volkstümlicher Schlager“ gesteckt. ­Damit haben wir wenig zu tun. Unsere Musiker kommen fast alle aus renommierten Rundfunk- und Sinfonieorchestern sowie aus den Bundeswehr- oder Polizeiorchestern unseres Landes. Außerdem spielen wir auf der Bühne ausschließlich live.

Demnächst in Asien

Sie sind international unterwegs. USA, Europa. Was kommt als nächstes?

Wir planen sogar, demnächst in Asien aufzutreten. Da bin ich sehr gespannt. Aber wir spielen auch alle zwei Jahre in Olsberg im Hochsauerlandkreis und treten regelmäßig beim Elspe-Festival in Lennestadt auf. In der böhmischen klassischen Musik, bei Dvorak und Smetana, liegen die Ursprünge unserer Egerländer Musik. Sie erzeugt ein Lebensgefühl, das direkt vom Ohr ins Herz geht, wenn es gut gespielt wird. Unsere musikalische Sprache ist überall verständlich.

Ernst Hutter und die Egerländer spielen am Samstag, 4. Mai, 20 uhr, in der stadthalle Hagen. Karten: 02331 / 3450. www.die-egerlaender.de