Hagen. . Ein Hagener hat im Internet gefälschte Markenware angeboten. Da er vermutlich jedoch selbst getäuscht worden war, wurde er freigesprochen.
Der Internethandel aus Hagen hatte Produkte namhafter Hersteller günstig im Angebot: Schals und Kissenbezüge von Burberry, Parfüms von Calvin Klein, Yves Saint Laurent oder Dior, auch Zahnbürstenaufsätze von Oral B und Philips. Was den Ex-Versandchef auf die Anklagebank brachte: Die Produkte waren gefälscht.
Deshalb musste Amtsrichterin Judith Krämer jetzt den seltenen Vorwurf eines „Vergehens gegen das Markengesetz“ verhandeln.
Behäbig stapfte der schwergewichtige ehemalige Hagener Einzelunternehmer (36), der mittlerweile in Mülheim wohnt, zu ihr in den Sitzungssaal und ließ sich mit einem Plumps in den für ihn viel zu kleinen Angeklagtenstuhl fallen.
Chinesische Ansprechpartnerin
Der gelernte Handelskaufmann berichtet: Ende 2009 hätte er sich mit einem Ebay-Versandhandel selbstständig gemacht und dazu Geschäftskontakte zu einer Firma in Hongkong geknüpft. Die chinesische Ansprechpartnerin dort, eine gewisse „Frau Yoyo“, verschickte die georderten Zahnbürstenaufsätze in Paketen nach Hagen.
Importware aus Fernost penibel kontrolliert
Die Fracht ging stets über den Flughafen Leipzig, wo sich die zuständige deutsche Zolldienstelle befindet, die Importware aus Fernost penibel kontrolliert. „Mehrere Pakete, die für mich bestimmt waren, sind dort erstmal angehalten worden“, erzählt der Angeklagte.
„Der Inhalt, ausschließlich Markenware, wurde zunächst auf Echtheit geprüft und mir anschließend ausgehändigt.“ Das habe ihn in seinem positiven Gefühl zu dem unbekannten Geschäftspartner in Hongkong bestätigt. Die ersten Jahre sei jedenfalls noch alles gut gegangen.
Vier Frachtsendungen beschlagnahmt
Anmaßung fremder geistiger Leistung
Doch irgendwann, von Ende 2013 bis Anfang 2016, muss „Frau Yoyo“ in die Pakete, die nach Hagen verschickt werden sollten, auch Plagiate gepackt haben. Beim Zoll in Leipzig wurden jedenfalls vier Frachtsendungen beschlagnahmt: Mit acht gefälschten Burberry-Schals (die original im Outlet-Store einen Einzelpreis von 110 Euro kosten), acht nachgemachten Burberry-Kissenbezügen und sogar neun unechten Einkaufstüten.
Weitere sichergestellte Warensendungen enthielten 116 Päckchen gefälschte Gillette-Rasierklingen, 1600 nachgemachte Zahnbürstenaufsätze „Oral B“ sowie 649 falsche Philips-Steckzahnbürsten „Sonicare“.
925 Parfüm-Flakons
Auch 925 Parfüm-Flakons mit unechten Düften, die den Namen von Edelmarken trugen, erreichten die Hagener Lieferanschrift nicht: „Ich hatte sie in Ungarn, in der Hauptstadt Budapest eingekauft“, so der Angeklagte, „und ich bin kein Chemiker. Für mich ist es immer noch der Kunde, der entscheidet, was echt ist oder nicht.“
Aufgrund der Plagiatsware hätte er bereits jede Menge Ärger gehabt, berichtet der ehemalige Ebay-Händler. So musste er 60.000 Euro Steuern nachzahlen, wurde er der Geldwäsche bezichtigt und ins Gewerbezentralregister eingetragen. Dadurch verlor er seinen Gewerbeschein und bekommt – wegen unterstellter Unzuverlässigkeit – keinen neuen: „Ich hab’ bis heute immer noch seelisch zu kämpfen wegen der ganzen Sache.“
Die Fälschungen waren übrigens so gut, dass selbst die Rechte-Inhaber der Marken nicht sofort feststellen konnten, ob es sich um Plagiate handelte.
Teure Farbanalysen und Spektrogramme
Der Kosmetikkonzern L’Oréal musste eigens teure Farbanalysen und Spektrogramme anfertigen lassen. Staatsanwalt Philipp Schenk, der selbst die Ermittlungen geleitet hatte, regte deshalb an, das Verfahren ohne Auflagen einzustellen: „Wegen der langen Verfahrensdauer und weil er selbst sehr getäuscht worden ist.“
Richterin Krämer zum Angeklagten: „Da haben Sie jetzt aber großes Glück gehabt.“
Der Betroffene wirkte sichtlich erleichtert. Sein Anwalt Jörg Hufer: „Mein Mandant ist ganz sicher kein Marken-Pirat. Er wird mit einem neuem Gewerbeschein jetzt wieder ganz von vorn anfangen – aber garantiert nicht mehr mit gefälschten Sachen.“