Hagen. . Konsequent versucht die Stadt Hagen den Kontrolldruck auf EU-Zuwanderer in Problemimmobilien hoch zu halten. Doch sie stößt auch an Grenzen.

Zunächst aktuelle Zahlen: 195 Menschen wurden am Dienstag in acht Problemhäusern kontrolliert. 17 wurden abgemeldet, da sie nicht mehr in Hagen wohnen. Drei Ausweise wurden eingezogen. Die Dreieinhalb-Jahresbilanz unterstreicht die Hartnäckigkeit, mit der Ausländerbehörde, Ordnungsdienst, Wohnungsaufsicht, Jobcenter und Polizei vorgehen: 72 Kontrollen in 619 Häusern, 17.076 überprüfte Personen – nahezu alle aus Rumänien und Bulgarien. 1295 Menschen abgemeldet, 769 Ausweise eingezogen. Aber: Ist das ein Erfolg? Und was ist ein Erfolg?

Die Einwanderer

900 Bedarfsgemeinschaften gab es einst. Familien und Einzelpersonen aus Südosteuropa, die Sozialleistungen vom Jobcenter bezogen haben. Jetzt sind es rund 500. Eine Ursache laut Jobcenter: Der erhöhte Kontrolldruck.

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Von Jens Stubbe

3337 Rumänen leben in Hagen, 1704 Bulgaren. Die Zahlen blieben zuletzt konstant. Aber es gibt einen ständigen Austausch. Südosteuropäer, die in andere Städte oder ihr Heimatland ziehen, andere, die einwandern. Auf welchem Level sich der bewegt, wissen die Behörden nicht. „Das sorgt dafür, dass wir in einigen Häusern – was zum Beispiel das Thema Müllentsorgung betrifft – immer wieder von vorne anfangen müssen“, sagt Birgit Overkott von der Stabstelle Problemimmobilien.

Die Menschen, die kommen, sind verschieden. „Es gibt Familien, die uns bei Kontrollen sofort hereinbitten, die uns stolz eine absolut ordentliche Wohnung zeigen, in denen die Eltern arbeiten und die Kinder Schule und Kita besuchen“, sagt Anja Kortenacker, Teamleiterin bei der Ausländerstelle. Aber es gibt – das wissen Stadt und Jobcenter – auch die anderen: Jene, die bewusst nach Hagen kommen oder hierher gelockt werden, um das System auszunutzen.

Die Vermieter

Die Vermietung von Problemimmobilien habe lange Zeit in türkischer Hand gelegen, so die Experten. Mittlerweile seien auch israelische Gesellschaften auf diesem professionalisierten Gebiet tätig. „Teils sind die Vermieter auch gleichzeitig Arbeitgeber“, so eine Expertin vom Jobcenter, „sie bieten ein Rundum-Sorglospaket, das neben Wohnraum auch einen Minijob umfasst, der nur die Türen zum Leistungsbezug nach SGB II öffnen soll.“ Wie das abgerechnet wird – unbekannt. An einem Problemhaus in Wehringhausen habe es beispielsweise fünf Hausmeister gegeben. Gearbeitet haben die Herren kaum. Der Zustand der Immobilie war entsprechend.

Für „vollvermietete Problemimmobilien“ werden auf dem Markt teils beachtliche Preise gezahlt. „Nicht markfähige Häuser sind durch Zuwanderung für Vermieter wieder attraktiv geworden“, so Birgit Overkott. Immerhin: Ein Hausbesitzer hat unlängst resigniert. Nicht, weil man ihm kriminelle Handlungen nachweisen konnte. Sondern weil ihn Kontrollen und Auflagen genervt haben. Er hat seine beiden Hagener Häuser ver- und fünf neue Häuser in Duisburg gekauft. „Moral spielt keine Rolle. Es geht um maximale Rendite bei minimalen Investitionen.“

Die Behörden

„Wir befinden uns in einem Spannungsfeld zwischen Restriktion und Integration“, sagt Birgit Overkott. Der Kontrolldruck – darin sind sich alle einig – muss hoch bleiben. „Wenn wir da jetzt nachlassen, können wir wieder von vorn beginnen.“

Und trotzdem stoßen die Mitarbeiter immer wieder an Grenzen. Beispiel Jobcenter: Da sind nur die Behörden untereinander über ein PC-Programm vernetzt, in denen Arbeitsagentur und Kommune zusammenarbeiten. Bei sogenannten Optionsgemeinden (z.B. Wuppertal, Essen, EN-Kreis) gibt es keinerlei Zugriff auf die Daten.

Zu Unrecht bezogene Leistungen werden eingefordert, aber kaum zurückgezahlt. Erst recht nicht, wenn der Betroffene gar nicht mehr in Hagen lebt. Sind die Jobcenter nicht vernetzt (was durchaus bekannt ist) lassen sich neue Zahlungen mit alten Forderungen nicht einmal verrechnen.