Hagen. . Das selbst inszeniertes Ende der Bandidos in Hagen stößt auf große Skepsis: Wollte man nur einem Verbot durch den Innenminister zuvorkommen?
Die am Sonntag verkündete Selbstauflösung des Hagener Chapters der Rocker-Gruppe Bandidos wird in Ermittlerkreisen skeptisch gesehen. Dort geht man davon aus, dass es sich lediglich um eine taktische Finte handelt, um so einem möglichen Verbot durch das NRW-Innenministerium zuvorzukommen. An einen geräuschlosen Abgang der Bandidos aus Hagen, die seit 2016 in dem Gebiet der hier s eit 45 Jahren ansässigen Freeway Riders wildern, glaubt man nicht. Und auch nicht an ein Ende der teils blutigen Auseinandersetzungen der vergangenen Monate.
Auflösung per Telefon angekündigt
Am Sonntag hatte sich ein Bandidos-Sprecher telefonisch in der WESTFALENPOST-Stadtredaktion Hagen gemeldet. Eine Versammlung der Bandidos habe die Selbstauflösung des Chapters beschlossen. Weitere Informationen gab es nicht. Nachfragen wurden nicht beantwortet. Auch am Montag nicht. Von diesem Schritt, so Polizeisprecher Ralf Bode, hätten die Ermittler auch erst durch die WP erfahren. Eine weitere Einschätzung könne die Polizei noch nicht abgegeben.
Aus Ermittlerkreisen ist indes zu hören, dass dieser Schritt nicht überraschend gekommen sei. In den vergangenen Monaten hatte es intensive Ermittlungen gegeben, nachdem es auf offener Straße zu Konflikten gekommen war. Am Montag startet ein erster Strafprozess vor dem Landgericht Hagen.
Ein führendes Hagener Bandidos-Mitglied (25) muss sich wegen versuchten Mordes verantworten, weil er aus seinem Mercedes heraus auf den fahrenden BMW eines Freeway-Riders-Mitglieds geschossen haben soll. Und noch ein weiteres Kapitaldelikt wird dem seit Oktober in Untersuchungshaft sitzenden Bandido vorgeworfen: Er soll Ende September beteiligt gewesen sein an Schüssen auf ein Freeway- Riders-Mitglied am Bergischen Ring in Hagen. Wegen dieser Tat sitzt auch der mutmaßliche aktuelle Präsident der Hagener Bandidos in Untersuchungshaft. Versuchter Totschlag lautet der Vorwurf.
Es besteht also der Verdacht schwerster Straftaten. Und in der Vergangenheit hatte es durchaus bei weniger gravierenden Vorwürfen Selbstauflösungen von Bandidos-Chaptern gegeben. Die Furcht ist offensichtlich groß, dass mit einem Verbot durch den Innenminister auch sämtliche Vermögenswerte beschlagnahmt werden.
Frank Scheulen, der Sprecher des Landeskriminalamts, teilt daher generell die Einschätzung aus Hagener Ermittlerkreisen: „Dem LKA ist auch aus zurückliegenden Jahren bekannt, dass Outlaw-Motorcycle-Clubs wie die Bandidos öfter ein Chapter bzw. Charter medienwirksam selbst aufgelöst haben, um einem Verbotsverfahren nach dem Vereinsgesetz zuvorzukommen.“ In der Regel sei dies immer dann geschehen, wenn zuvor größere, in den Medien berichtete Straftaten geschehen seien, an deren Durchführung mehr als nur ein Mitglied beteiligt gewesen sei. „Und wenn die strafbare Handlung ‘im Interesse des Clubs geschehen’ ist, das heißt: sie auch der betroffenen Gruppe vorgeworfen werden könnte“, so Scheulen.
Stand oder steht denn tatsächlich ein Verbot des Hagener Bandidos-Chapters im Raum? Wolfgang Beuss, Sprecher des NRW-Innenministeriums, will dazu nichts sagen: „Mögliche Verbote kündigt man nicht an, sondern setzt sie im Fall der Fälle um.“ In der Vergangenheit ist dies schon geschehen: Das Bandidos-Chapter in Aachen sowie die Hells-Angels-Charter in Köln und Erkrath gehörten dazu.
Unterstützer-Gruppe aufgelöst
Was geschieht nun aber mit den Bandidos-Mitgliedern? Nach WP-Informationen gehen die Ermittler nur von deutlich weniger als 20 Mitgliedern des Hagener Chapters aus. Auch die Unterstützer-Gruppe „Iron Blood58“ (Supporters), die aus Anwärtern auf eine Bandidos-Mitgliedschaft bestand, ist offensichtlich aufgelöst worden. Dagegen besteht weiter die Unterstützergruppe „Los Companeros“.
„Die ‘freigewordenen Mitglieder’ werden nach der Selbstauflösung oft nicht aus dem Club geworfen, sondern auf andere Gruppen verteilt“, so LKA-Sprecher Scheulen. Es könne auch passieren, dass einzelne dieser Mitglieder aus dem Club ausgeschlossen oder – temporär – „degradiert“ würden.