Hagen. . Die 33 stationären Blitzanlagen in Hagen sorgen für beträchtliche Einnahmen in der Stadtkasse. Doch viele Temposünder kommen ungeschoren davon.

Die an 27 Straßen im Stadtgebiet verteilten 33 stationären Blitzanlagen haben im vergangenen Jahr 3,6 Millionen Euro in die Kasse der Stadt Hagen gespült. Das teilte die Verwaltung auf Anfrage unserer Zeitung mit.

Insgesamt registrierten die Überwachungsanlagen 117.527 Geschwindigkeitsüberschreitungen, von denen jedoch nur 88.573 verwertbar waren und zur Verfolgung an die Bußgeldstelle weitergeleitet werden konnten. 28.954 Tempoverstöße blieben 2018 somit ungeahndet – aus verschiedenen Gründen.

Vorne kein Nummernschild

Da sind zum einen Motorradfahrer, deren Maschinen vorne kein Nummernschild tragen und die daher nicht identifiziert werden können.

Aber auch Autofahrer kommen häufig ungeschoren davon, etwa wenn die A-Säule oder eine in der Windschutzscheibe platzierte Vignette das Gesicht des Fahrers verdeckt bzw. das Foto von zu schlechter Qualität ist. „Wir verschicken nur Verwarn- oder Bußgeldbescheide, wenn der Fahrer zweifelsfrei zu erkennen ist“, berichtet Thomas Lichtenberg, Leiter des Hagener Ordnungsamtes.

Keine Haftung des Halters

In Deutschland gebe es keine Halterhaftung, es könne also nicht ohne weiteres der Besitzer eines Fahrzeugs belangt werden: „Wir müssen vielmehr den Fahrer erwischen.“ Was die Beweislage angehe, würden die Gerichte hohe Ansprüche formulieren: „Wir würden also unnütze Arbeit produzieren, wenn wir ein Verfahren in die Gänge leiten, das auf einem schlechten Foto basiert.“

Fahrzeuge von Polizei und Feuerwehr, die im Einsatz mit hoher Geschwindigkeit an einer Messstelle vorbeibrausen, werden natürlich ebenfalls nicht bestraft. Und dann sind da noch all die Fahrzeuge mit ausländischen Kennzeichen, die geblitzt werden. Zwar gibt es einen EU-Beschluss, wonach in Deutschland fällige Geldbußen auch in anderen Staaten vollstreckt werden können, doch diese Regelung greift erst ab einer Grenze von 70 Euro aufwärts.

Und da Verwarngelder in Deutschland laut Lichtenberg mit Abstand die niedrigsten in Europa sind, kommen die meisten Temposünder aus dem Ausland ohne Strafe davon. Deutschen Autofahrern können dagegen selbst geringfügige Tempoverstöße im Ausland sehr teuer zu stehen kommen, da zum Beispiel in Holland mindestens 165 Euro fällig werden.

Keine weitere Blitzanlage geplant

Lukrativste Blitzstelle in Hagen ist die Säule am Boeler Ring, wo 2018 in Fahrtrichtung Schwerter Straße 14.816 Verstöße gegen die dort vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h regi­striert wurden. Das bedeutete Einnahmen von 376.250,30 Euro.

Die Ehrlichen sind die Dummen

Es ist nicht einmal ein Jahr her, seit unsere Zeitung aufdeckte, dass Autofahrer, die in der Baustelle auf der A 1 das erlaubte Tempo nur mäßig überschreiten, also zwischen 81 und 100 km/h fahren, häufig nicht belangt werden, weil der Arbeitsaufwand für die Behörden zu groß wäre.

Jetzt folgt der nächste Hammer: Fast 30.000 Verkehrssünder, die von einem der zahlreichen Blitzgeräte in Hagen erfasst worden sind, kommen straflos davon. Weil sie Ausländer sind, weil ihr Gesicht nicht verwechslungsfrei zu erkennen ist, weil sie angeben, sie seien nicht gefahren, weil sie mit dem Motorrad unterwegs waren. . .

Dem Gerechtigkeitsempfinden aller Autofahrer, die brav ihr Verwarngeld entrichten, versetzt das einen schweren Schlag.

Ich bin selbst vor ein paar Tagen auf der A 45 geblitzt worden. 9 km/h zu schnell, zehn Euro Strafe. Die ich, nach Erhalt der Zahlungsaufforderung, umgehend beglichen habe.
Inzwischen beschleicht mich das Gefühl, ich gehöre zu den Dummen.

Hubertus Heuel

Es folgten die Anlage an der Becheltestraße (18.840 Verstöße/314.176,50 Euro), an der Saarlandstraße in Fahrtrichtung Innenstadt (12.837/189.406), an der Saarlandstraße in Fahrtrichtung Hohenlimburg (10.054/145.272) und an der Eckeseyer Straße in Fahrtrichtung Vorhalle (10.571/141.295).

Welche Anlage am wenigsten eingebracht hat, kann nach Auskunft der Stadtverwaltung nicht aussagekräftig belegt werden, da einige Anlagen nur sporadisch mit einer Kamera bestückt sind. Die Stadtverwaltung plant derzeit auch nicht, eine weitere Blitzanlage anzuschaffen.

Superblitzer unerreicht

Obwohl sich viele Anlagen aufgrund des Gewöhnungseffektes der Verkehrsteilnehmer nicht mehr rechnen, bleiben sie an Ort und Stelle stehen. „Sie sorgen dafür, dass die Leute langsam fahren und es weniger Unfälle gibt“, ist Lichtenberg überzeugt: „Ohne unsere Anlagen hätten wir viel mehr Verletzte und Tote zu beklagen.“ Schließlich sei es ja auch Sinn der Geschwindigkeitsüberwachung, die Sicherheit auf den Straßen zu erhöhen: „Und nicht Geld zu verdienen.“

An den Superblitzer auf der A 45 reicht keine der innerstädtischen Anlagen heran. Das Gerät in Höhe der Lennetalbrücke sorgte 2018 für Einnahmen von rund 1,6 Millionen Euro. Seit seiner Inbetriebnahme im Juli 2015 waren es gut 11,4 Millionen Euro. Doch spätestens wenn die neue Lennetalbrücke fertiggestellt ist und die Baustelle aufgehoben wird, muss der Superblitzer demontiert werden.