Hagen. . Die blutige Attacke in der Augustastraße hätte fast einen Toten gefordert. Vor dem Schwurgericht sagten beide Kontrahenten ausführlich aus.
Die blutige Attacke in der Augustastraße – jetzt reden der angeklagte Pistolenmann (33) und sein Kontrahent (38), der Motorradfahrer mit der Rockerclub-Anwärterkutte.
Rückblende: Am 12. Juli war es in Wehringhausen zu einer Auseinandersetzung auf offener Straße gekommen. Ein Tunesier (der jetzige Angeklagte) und ein gebürtiger Iraner gerieten im Streit aneinander. Mindestens zweimal wurde versucht, mit einer Waffe zu schießen, so die Anklage. Doch die Pistole versagte. Dann zückte der Gegenspieler ein Messer und schlitzte dem vermeintlichen Schützen den Unterbauch auf. Er ist jetzt nur Zeuge, denn die Staatsanwaltschaft geht zu seinen Gunsten von Notwehr aus.
„Ich habe auch abgedrückt“
Tag zwei im Prozess vor dem Schwurgericht: Der Vorwurf lautet auf versuchten Totschlag. Das ließ der Angeklagte durch seinen Verteidiger Andreas Trode vortragen: „Die Pistole hatte ich etwa einen Monat vor dem Vorfall auf einem großen Trödelmarkt in Dortmund gekauft.“
Und über den Vorfall: „Am Tattag war ich seit morgens unterwegs, hatte Party gemacht, zwei Tage durchgezogen. Ich kann mich erinnern, dass wir uns gestritten haben, ich wegfuhr und die Pistole holte. Ich habe auf ihn gezielt, ich habe auch abgedrückt. Aber es kam kein Knall. Dann habe ich sofort zum Schlagen ausgeholt und auch zugeschlagen.“
„Es ging um eine Frau“
Der Kontrahent im Zeugenstand: „Den Angeklagten kenne ich seit vielen Jahren, ich habe früher mit seinem Bruder Fußball gespielt.“ Das Tatmotiv? „Es ging um eine Frau, die kenne ich nicht. Schließlich sagte er zu mir, dies sei seine Straße, ich sollte mich verpissen.“
Angeklagter schmiedet bereits Zukunftspläne
Dem angeklagten Tunesier droht bei seiner Verurteilung zu einer langjährigen Haftstrafe die Abschiebung. Er hat derzeit noch eine Niederlassungserlaubnis.
Er sagt: „Ich bin sehr froh, dass ich überlebt habe. Für mich ist diese Situation ein tiefer Einschnitt gewesen. Ich habe richtig große Lust, normal zu sein, keine Drogen zu nehmen, keinen Alkohol zu trinken und zu arbeiten.“
Richter Marcus Teich fasste nach: „Sind Sie bei den Bandidos?“ Antwort: „Nein. Ich war kurze Zeit Anwärter, bin da aber längst raus. Und auf meiner Anwärter-Kutte stand auch nichts von Bandidos drauf.“
Organe freigelegt
Der Angeklagte hätte die Waffe gezielt auf ihn angesetzt, wollte ihn erschießen. Zweimal hätte er durchgedrückt. Zwischendurch einmal nachgeladen. Das bestätigen auch Zeugen, die den Vorfall vom Straßenrand aus beobachteten und den Angeklagten als exzessiven Drogenkonsumenten kennen, „der alles nimmt, was er kriegen kann.“
Der Angeklagte: „Es gab einen Kampf. Dumpfe Schläge gegen den Rumpf habe ich gespürt.“ Da war ein langer Schnitt in den Unterbauch, Organe wurden freigelegt. „Dann fühle ich mich auf einmal ganz schwach, gucke nach unten und sehe, dass da was aus mir heraushängt. Ich habe das wieder reingedrückt und habe gedacht: Jetzt warte ich auf den Tod. Ich hatte irgendwie abgeschlossen.“
Einen Groll gegen den Zeugen habe er nicht. Er hätte ihn auch niemals umbringen wollen. „Töten? Ich kann ganz klar versichern, dass ich ihn nicht töten wollte. Drohen, einschüchtern, wehtun: ja. Das sind Dinge, die gehen bei mir. Aber jemandem das Leben nehmen, das kommt für mich nicht in Frage. “