Hagen. . Das Votum des Hagener Rates für die Abstandsregelung von Windenergieanlagen stößt bei Investoren auf wenig Gegenliebe. Klagen stehen im Raum.
Über den Bau von Windrädern in Hagen werden jetzt wohl Gerichte entscheiden. Denn nachdem der Rat Abstände zur Wohnbebauung festgesetzt hat, kündigen Investoren Klagen gegen die Kommune an.
Die Politik hatte sich für 1200 Meter Distanz von Anlagen zur Wohnbebauung ausgesprochen und auch für den Außenbereich die Anforderungen hochgeschraubt. Und zwar so sehr, dass aus Investorensicht keine Standorte für neue Anlagen übrig bleiben.
Distanz zu Wohnvierteln liegt bei 1200 Metern
Der Rat der Stadt hat am Donnerstag mit 47:10 Stimmen (einzelne Ratsvertreter sowie die Grünen waren dagegen) den Abstand von Windrädern zu Wohnvierteln grundsätzlich auf 1200 Meter festgelegt.
In Mischgebieten soll eine Distanz von 550 Metern gelten. Allerdings wird ein topographischer Zuschlag hinzugerechnet. Und zwar das doppelte an Metern, die zwischen dem Fundamenthöhe der Anlage und der geographischen Höhe des nächsten Hauses liegen und zusätzlich noch einmal das doppelte der Anlagenhöhe.
Das heißt: Liegt der Sockel eines 150 Meter hohen Windrades im Mischgebiet um 70 Meter Höher als das nächste Haus, so ist ein Mindestabstand von 990 Meter vorgesehen (550+140+300 Meter).
Bei Anlagen im Außenbereich reduziert sich die Grunddistanz auf 450 Meter. Die Zuschläge bleiben gleich.
Gerätselt wird vor allem um einen topographischen Faktor, der im Beschluss festgehalten ist. Hierbei geht es um den Höhenunterschied zwischen dem Fundament einer neuen Anlage und der umgebenden Bebauung im Außenbereich. Dieser könnte den ohnehin vorgesehenen Abstand von 450 Metern weiter erhöhen (Grafik).
Keine Fläche übrig
„Ich habe mal überschlägig den Hagener Süden mit einem durchschnittlichen Faktor betrachtet“, sagt Joachim Schulenburg, Leiter Projektentwicklung bei SL Windenergie. „Wenn ich alles richtig interpretiere, bleibt nicht eine einzige Fläche übrig, auf der ein neues Windrad entstehen könnte. Das werden wir nicht akzeptieren.“
Schulenberg kündigt rechtliche Schritte an. Man werde entweder Anträge auf neue Anlagen stellen und dann gegen die Ablehnung vor Gericht ziehen. Oder aber man werde eine Normenkontrollklage vor dem Hintergrund anstreben, dass der Windkraft in Hagen nicht genügend Raum eingeräumt werde. „Uns sind im bisherigen Verfahren bereits erhebliche Kosten entstanden“, so Schulenberg, „auch das ist einer der Gründe dafür, dass wir jetzt nicht einfach aufgeben.“
Klimaziele in Gefahr
Zurückhaltender ist der Energieversorger Enervie, dessen Hauptanteilseigner die Stadt ist. Gleichwohl: „Das ist für uns eine sehr schwierige Entscheidung“, so Uwe Reuter, „schließlich haben wir auch den Auftrag, die Energiewende vor Ort voran zu bringen.“
Auch aus seiner Sicht sind viele Projekte unter den neuen Bedingungen nicht mehr möglich oder aufgrund der geringen möglichen Anlagenhöhe von 150 Metern nicht mehr rentabel. „Wir glauben aber, dass in diesem Fall den Anwohnerinteressen ein zu hoher Stellenwert beigemessen worden ist.“
Klimaziele unerreichbar
Gefährdet sieht auch Christian Rose, der sich mit weiteren Privatleuten und Unterstützung der Enervie zur Bürgerwind Hagen Süd GbR zusammengeschlossen hat und bis zu drei Windräder auf den Höhen im Hagener Süden bauen möchte, die Projekte.
„Die Verwaltung selbst sieht den Entschluss des Rates ja skeptisch“, sagt Rose, „mir ist es völlig schleierhaft, wie Hagen unter solchen Umständen die Klimaziele erreichen will, die es sich selbst gesteckt hatte.“ Auch die Mitglieder von Bürgerwind Hagen Süd wollen sich jetzt abstimmen, ob eine Klage gegen die Stadt Möglichkeit ist.
Ganz anders hatte Marcos Pietsche, Sprecher der Bürgerinitiative „Gegenwind“, die Ratsentscheidung eingeschätzt (die WP berichtete): „Es ist sehr positiv, dass die Politik in der Diskussion mit einem eigenen Vorschlag nach vorne gegangen ist. Es ist für uns der kleinstmögliche Kompromiss.“
Stadt Hagen prüft noch
Ein Kompromiss, den die Verwaltung um Baudezernent Thomas Grothe äußerst kritisch sieht. Der Beschluss sei zu unpräzise und rechtlich unsicher. „Wir prüfen jetzt sehr genau, wie wir den Ratsbeschluss rechtssicher umsetzen können“, so Stadtsprecher Thomas Bleicher, „das wird sicherlich noch einige Tage dauern.“