Hagen. . Der Boom-Studiengang Psychologie an der Fernuniversität Hagen mit mehr als 15.000 Studenten bekommt eine eigene Fakultät. Was ändert sich?
Der offizielle Schritt erfolgt heute: Die Fakultät für Psychologie an der Fernuniversität Hagen wird gegründet. Sie fängt allerdings nicht bei Null an. Mit zwölf Professuren, 76 wissenschaftlichen Mitarbeitern, 50 studentischen Mitarbeitern und rund 15.200 Studenten in diesem Wintersemester ist sie schon ein „Riese“ im wissenschaftlichen Betrieb. Gründungsdekan Professor Stefan Stürmer erklärt die Entwicklung.
Herr Stürmer, vor 40 Jahren ist die erste Professur für Psychologie an der Fernuniversität Hagen eingerichtet worden. Erst jetzt, 40 Jahre später, bekommt die Psychologie eine eigene Fakultät. Warum hat es so lang gedauert?
Stefan Stürmer: Die Nachfrage war schon von Anfang an sehr groß. Aber wir konnten zunächst keinen Diplom-Studiengang anbieten. Psychologie wurde an der Fernuni als Haupt- oder Nebenfach im Magisterstudiengang angeboten. Zudem: In den 1970/80er-Jahren gab es noch eine große
Skepsis, ob Psychologie tatsächlich in einem Fernstudium unterrichtet werden kann. Da sind wir heute in einer multimedialen Welt natürlich weiter. Und ein weiterer entscheidender Punkt: Wir blicken jetzt auf zehn Jahre Bachelor- und Masterstudiengang Psychologie zurück. Auch diese neuen Abschlüsse haben uns geholfen, als Fachgebiet an der Fernuni noch selbstständiger zu werden.
Was ändert sich für die Studenten und das wissenschaftliches Personal mit der Tatsache, dass eine eigene Fakultät hinter dem Fach steht?
Für die Studierenden zunächst einmal gar nichts, wenn es um die Einschreibung oder die Lehrinhalte geht. Aber die eigene Fakultät bringt mehr Freiheiten und Einflussmöglichkeiten, als wenn wir nur ein Fachbereich unter mehreren in einer Fakultät sind, wie wir es bislang in der Fakultät für Kultur- und Sozialwissenschaften waren. Wir sind nun – nach den Studierendenzahlen – die zweitgrößte Fakultät an der Fernuni. Und wir wollen mit neuen Schwerpunkten voran gehen, etwa beim Thema E-Assesment: Wir wollen die Möglichkeit, nach dem E-Learning auch Prüfungen elektronisch abzulegen, vorantreiben.
Uni-Rektorin Professor Ada Pellert beschreibt immer wieder ihr Ziel, den Forschungsanteil an der Fernuni zu erhöhen. Teilen Sie das Ziel?
812 Studienabschlüsse im Jahr 2017
Eine Fakultät stellt eine Organisationseinheit an einer Universität dar, anihrer Spitze steht der Dekan. Sie ist für die Organisation von Forschung, Lehre und Studium verantwortlich.
Das Studium Psychologie an der Fernuni ist gleichwertig mit dem an einer Präsenzuni. Im Studienjahr 2017 gab es 812 Abschlüsse in den Bachelor- und Masterstudiengängen. Die Studiengänge sind nicht zulassungsbeschränkt. Für den Bachelor gibt es lediglich ein verpflichtendes Online-Self-Assessment, bei dem die Interessierten selbst einschätzen können, ob der Studiengang richtig für sie ist.
Seit 1997 beherbergt das Institut für Psychologie eines von zwei psychologiegeschichtlichen Forschungsarchiven, das von nationaler Bedeutung ist.
Das Institut verfügt über drei Experimentallabore, ein Beobachtungslabor, ein virtuelles Labor, eine „Testothek“, in der auf lizensierte Test-Verfahren zurückgegriffen werden kann, sowie über eine umfangreiche Vor-Ort-Bibliothek und eine noch umfangreichere virtuelle Bibliothek.
Ja, unbedingt. Hier ist die Psychologie in Hagen aber auch schon weit. Das sieht man allein daran, dass wir Drittmittel für Forschung in Millionenhöhe eingeworben haben. Das ist ein sehr hoher Betrag für eine Disziplin, die ja nicht auf große Maschinen angewiesen ist. Man kann es auch daran ablesen, dass wir in den vergangenen drei Jahren mehr als 300 Beiträge in internationalen, renommierten Fachzeitschriften publiziert haben. Unsere Forscher stehen in regelmäßigem Kontakt zu Experten an 74 Universitäten in 17 Ländern auf fünf Kontinenten. Wir tauschen unsere Forschungsergebnisse aus. Wenn es um mehr Forschung geht, steht die Psychologie sicherlich an der Spitze der Bewegung. Als eigene Fakultät können wir hier aber noch eigenverantwortlicher agieren.
Wo liegen Ihre Forschungsschwerpunkte?
Wir bieten an der Fernuni ja keine klinische Psychologie an, weil hierbei sicherlich die Vor-Ort-Präsenz wichtiger ist. Unser Schwerpunkt liegt auf der Sozialpsychologie, also dem sozialen Zusammenleben. Bildung im digitalen Zeitalter ist ein großes Thema, also die pädagogische Psychologie. Die Arbeits- und Organisationspsychologie beschäftigt uns sehr, und auch die Gesundheitspsychologie, die sich von der klinischen Psychologie insofern unterscheidet, dass die Frage im Mittelpunkt steht: Was hält Menschen gesünder?
Sie haben in diesem Semester rund 15.200 Studierende an Ihrer Fakultät. Warum gibt es so einen Ansturm auf das Fach?
Es liegt sicherlich an der Vielseitigkeit, die die psychologische Fakultät bieten kann. Es gibt im beruflichen Umfeld die Anwendungsmöglichkeiten in der Wirtschaft, in Unternehmen, aber auch im Gesundheitsbereich und in der Bildung. Und es hat sicherlich auch damit zu tun, dass die Psychologie so spannend ist. Eigentlich sind wir doch alle Psychologen. Wir wollen wissen und erklären, warum sich Menschen so verhalten, wie sie sich verhalten. Und hier an der psychologischen Fakultät der Fernuni Hagen können wir diesen menschlichen Drang nach Wissen mit einer wissenschaftlich fundierten Methodik unterfüttern.