Hagen. . Seit der Allgemeine Soziale Dienst in Hagen seine Maßstäbe neu gesetzt hat, sind die Fallzahlen gestiegen. Gleichzeitig gibt es Strukturprobleme.

Bislang galt Hagen im Vergleich zu anderen NRW-Großstädten und Kreisen als die Stadt mit den wenigsten Verfahren in Sachen Kindeswohlgefährdung. Das Hagener Jugendamt betonte gegenüber der WESTFALENPOST mehrfach, dass das unter anderem mit der Fähigkeit der Mitarbeiter zu tun habe, die Fälle sehr gut einschätzen zu können. Und mit der dichten und guten Präventionskette in der Stadt Hagen. Doch von 2017 auf 2018 sind die Meldungseingänge in Sachen Kindeswohlgefährdung in Hagen um 435 Fälle gestiegen. Zudem ist die Personalsituation im Allgemeinen Sozialen Dienst (ASD), der für den vorläufigen Schutz von Kindern und Jugendlichen zuständig ist und dem Jugendamt zugeordnet ist, stark belastet.

Zahlen und Fakten rund um das Thema Kindeswohlgefährdung in Hagen. 
Zahlen und Fakten rund um das Thema Kindeswohlgefährdung in Hagen. 

Klar ist: Der ASD muss neu strukturiert werden. Die Verwaltung erklärt wörtlich: „Insgesamt haben sich die Anforderungen an den ASD deutlich verändert, so dass eine umfängliche Betrachtung, auch im Hinblick auf die Erwartungen einer kostenoptimalen Erbringung von Leistungen in einer Stärkungspaktkommune, erforderlich ist.“ Im Klartext: Trotz Spardrucks dürfe in dem Bereich nicht vorrangig aufs Geld geschaut werden.

Sabrina Dahl, Leiterin des ASD, äußerte sich gestern im Jugendhilfeausschuss: „Die Realität ist, dass wir uns von einer Krise in die nächste bewegen. Personell, aber auch vom Arbeitsalltag her. Angesichts der Teamgrößen haben wir in manchen Bereichen nicht immer arbeitsfähige Teams.“ Ohne externe Begleitung gehe es nicht mehr, denn man müsse sich auch auf das Tagesgeschäft konzentrieren. Daher werde der Umbau-Prozess vom Unternehmen „Consens“, einer Beraterfirma für Sozialverwaltungen, begleitet.

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Die Fraktionen von CDU, Grünen, Hagen Aktiv und FDP hatten im Jugendhilfeausschuss der Stadt nachgefragt, wie die aktuelle Lage im Allgemeinen Sozialen Dienst bezüglich der Kindeswohlgefährdung und der Arbeitsstrukturen insgesamt aussieht. Dabei ging es auch um die Frage, ob die Bewertungsmaßstäbe in der Behörde so angepasst wurden, dass die Hagener Fallzahlen mit anderen Städten vergleichbar werden.

Ja, erklärt die Verwaltung in ihrer ausführlichen Antwort. Und vor dem Hintergrund dieser neuen Maßstäbe sind die Zahlen gestiegen. 714 Meldungseingänge bis zum 31. Oktober dieses Jahres. Zur Einordnung: 2017 waren es insgesamt nur 279 Fälle.

Software kann nicht differenzieren

Die aktuelle Software des ASD erfasst nicht gesondert, welche Maßnahmen aus bestimmten Fällen resultieren. Man kann also nicht differenziert sagen, in wie vielen Fällen es zu Erziehungshilfen oder gar zu Inobhutnahmen kommt.

Beim Landesamt für Statistik werden in Hagen für 2017 insgesamt 155 Verfahren zur Einschätzung der Gefährdung des Kindeswohls gelistet. Zum Vergleich: Städte wie Herne (rund 156.000 Einwohner) oder Hamm (rund 180.000) weisen in den vergangenen Jahren immer Fallzahlen zwischen 600 und 800 auf.

116-mal wurden 2017 in Hagen Kinder aus den Familien herausgenommen. 20-mal auf eigenen Wunsch, 96-mal wegen deutlicher Gefährdung.

Die Personalsituation im ASD ist angespannt. Es gebe laut Verwaltung eine hohe Mitarbeiterfluktuation. Auch wenn Nachbesetzungen schnell umgesetzt würden, würden die Wechsel ein hohes Maß von Anpassungsfähigkeit der Kollegen erfordern. Und viele Vertretungen von Mitarbeitern. Aktuell sind im ASD 42 Mitarbeiter beschäftigt.