Hagen. . Neue Nachbarn aus Rumänien sorgen bei Hagenern in Haspe sowie am Remberg für Unmut. Die Menschen befürchten, dass ihr Quartier kippen könnte.

Die Schilderungen gleichen sich: Müllberge und Fäkalien auf den Straßen, Ratten und Ungeziefer, Lärm bis tief in die Nacht, Wohnungen, die hoffnungslos überbelegt sind – dazu Bedrohungen und die Angst vor Gewalt und Kriminalität.

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Mit der Lukasstraße am Remberg und der Straße Am Wichterbruch in Haspe stehen zwei ganz normale Wohnquartiere auf der Kippe, seit dem sich Großfamilien aus Südosteuropa angesiedelt haben.

Brennpunkt Lukasstraße

„Früher war das hier mal eine richtig schöne Gegend“, sagt Martina Meseth. In dieser Gegend haben ihre Ur-Großeltern einst ein Mehrfamilienhaus gebaut. Aber das Früher, das sie meint, liegt noch gar nicht so lange zurück. Vielleicht eineinhalb, vielleicht zwei Jahre. „Das war ein schleichender Prozess“, sagt Victor Nerstheimer, der selbst rumänische Wurzeln hat, über die Zuwanderung aus Südosteuropa, die in den Augen der bereits ansässigen Bewohner zu massiven Problemen geführt hat.

Im Beschwerdeausschuss der Stadt Hagen, in dem sich Politiker aller Ratsfraktionen mit Problemen beschäftigen, die die Bürger direkt an sie herantragen können, sind mehr als ein Dutzend Anwohner der Lukasstraße aufgelaufen und haben ihrem Frust Luft verschafft. Tenor: Sie fühlen sich von der Stadt und der Polizei allein gelassen. Sie wissen nicht mehr weiter. Sie sehen keinen Ausweg. „Ein Polizist hat uns empfohlen, wegzuziehen“, sagt Martina Meseth, „aber das kann doch nicht die Lösung sein. Meine Familie hat hier Eigentum.“

Sorgen macht sich Victor Nerstheimer, der Lehrer in Hagen ist, vor allem um die Kinder: „Bei manchen Familien habe ich die Befürchtung, dass sie die Kinder als Einnahmequelle betrachten. Einige sind völlig verwahrlost. Sie lungern auf der Straße herum, besuchen weder eine Schule noch einen Kindergarten. Und niemanden scheint das zu kümmern.“ Er habe ja versucht, mit den Familien auf Rumänisch ins Gespräch zu kommen. Allerdings hätten sie ihn nicht an sich heran gelassen und ihm erklärt, er solle sich um seine eigenen Dinge kümmern.

„Ordnungsamt und Polizei haben wir kontaktiert“, sagt Martina Meseth, „sie waren auch mehrfach hier. Aber wir haben den Eindruck, dass sie völlig überfordert sind. Aber das sind wir auch.“

Brennpunkt Wichterbruch

Kaum anders klingen die Probleme Am Wichterbruch in Haspe. Vor vier Jahren sei ihr Haus mit der Nummer 16 an einen Investor verkauft worden. Kurze Zeit später seien die ersten Familien aus Südosteuropa eingezogen, so berichtet es Angelika Haslinde. Rund 50 Unterschriften haben sie gesammelt – von Menschen, die die Zustände in der Straße für nicht tragbar hielten. Bei einem Termin wollen Angelika Haslinde, Roswita Knoblich und Dirk Würfel die Liste Bezirksbürgermeister Dietmar Thieser (SPD) präsentieren.

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„An jedem Sonntag wird der Müll hier einfach auf die Straße geworfen“, sagt Angelika Haslinde, „zweimal ist mein Keller aufgebrochen worden. Ein Fahrrad ist gestohlen worden. Ich will nicht in die rechte Ecke gestellt werden – aber es kann nicht sein, dass alle Bewohner hier vertrieben werden. Es geht mir wahrlich nicht darum, dass Menschen aus anderen Ländern zu uns kommen. Es geht mir um die Verhältnisse bei uns in der Straße.“

Oben unter dem Dach, so erklärt Angelika Haslinde, gebe es eine kleine Wohnung, die vielleicht 30 Quadratmeter groß sei. „Da leben zwei Erwachsene und neun Kinder“, sagt Angelika Haslinde, „das zehnte ist unterwegs. So etwas kann doch nicht in Ordnung sein . . .“ Auf dem Dachboden hat sie ein Matratzenlager entdeckt. Wer da nächtige, wisse sie nicht. Auffällig geschminkte und herausgeputzte Frauen hätten das Haus aber unlängst verlassen.

Die Zuwanderer

Viele der Zuwanderer wollen sich öffentlich nicht äußern. Immerhin: Eine sechsfache Mutter aus der Lukasstraße, die ihren Namen nicht nennen möchte, spricht: „Es ist für uns nicht leicht, auf alles zu achten. Aber der Müll stört mich selbst. Ich sammel ihn auf, egal von wem er ist. Ich weiß, dass über uns schlecht geredet wird. Aber niemand unterstützt uns Zigeuner. Daneben gibt es auch Deutsche, die Alkohol trinken und hier für Probleme sorgen.“

Die Stadt

Thomas Lichtenberg, stellvertretender Leiter des Ordnungsamtes, kennt die Beschwerden aus der Lukasstraße. „Sie sind ganz ähnlich wie das, was wir von anderen Adressen hören. Im Rahmen der Kontrollen waren wir mehrfach vor Ort. Aber es ist nicht einfach, auf die Menschen einzuwirken. Man muss mit Sozialarbeitern noch aktiver an diese Zuwanderungsgruppe herantreten.“ Letztlich seien die Zustände gewiss nicht schön. Gleichwohl gebe es im Stadtgebiet noch schlimmere Quartiere.

Auf dem Dachboden des Hauses Am Wichterbruch befindet sich ein Matratzenlager. Nachbarn fürchten, dass hier Prostituierte untergebracht sind.
Auf dem Dachboden des Hauses Am Wichterbruch befindet sich ein Matratzenlager. Nachbarn fürchten, dass hier Prostituierte untergebracht sind. © Jens Stubbe

Auch Ralf-Rainer Braun, Leiter des Umweltamtes, kennt die Häuser in der Lukasstraße. „Der Rattenproblematik sind wir nachgegangen“, so der Verwaltungsmann, „der Hausbesitzer hat sich aus unserer Sicht sehr kooperativ gezeigt.“

Die Politik

Werner König, Ratsherr der SPD mit dem Wahlkreis Remberg, hält Kontakt zu den Anwohnern. „Dass die Polizei Menschen empfiehlt, aus der Straße wegzuziehen, ist eine Frechheit“, sagt er. „Die Eigentümer fürchten um ihre Existenz, ein harmonischer Stadtteil droht zu kippen und dann so etwas. Ich halte das Organisations-Wirrwarr auf Seiten der Verwaltung für nicht hinnehmbar. Wir müssen endlich anfangen, geltende Regeln umzusetzen – ganz gleich, aus welchen Ländern die Menschen kommen. Das erwarten die Nachbarn.“

Die Sozialarbeit

Unter anderem die Caritas kümmert sich in Hagen um Zuwanderer aus Südosteuropa. „Ich warne sehr davor, die Menschen alle über einen Kamm zu scheren“, sagt Erika Wienand. „Es ist natürlich richtig, dass es Probleme gibt. Aber das liegt auch daran, dass die Menschen das Leben in Deutschland einfach nicht verstehen. In Rumänien sind kinderreiche Familien nichts Ungewöhnliches. Auch dass Kinder draußen auf der Straße spielen, ist alltäglich. Ein boshaftes Fehlverhalten haben wir bei den Menschen, mit denen wir zu tun haben, noch nicht festgestellt.“

Für die Sozialarbeiter ist es wichtig, eine Vertrauensbasis herzustellen. „Das dauert manchmal eine gewisse Zeit“, sagt Erika Wienand, „aber über unser Frauenfrühstück gelingt uns das sehr gut. Die Kinder der Frauen, die zu uns kommen, besuchen Kindertageseinrichtungen.“