Wehringhausen. . Hausbesuch bei der rumänischen Zuwanderer-Familie Lacatus: Sie sieht ihre Zukunft in Hagen – und die Sorge vor Verallgemeinerungen ist groß.

  • Zu Besuch bei einer rumänischen Zuwanderer-Familie in Wehringhausen
  • Familie Lacatus sieht die Zukunft in Hagen: Kinder gehen in Kita und Schule
  • Sorge vor Verallgemeinerungen: „Es sind nicht immer die Rumänen“

Der Empfang ist herzlich. So herzlich wie im Januar, als die WESTFALENPOST schon einmal die Familie Lacatus an der Eugen-Richter-Straße besucht hat. Auch diesmal ist es ein Überraschungsbesuch, auch diesmal lässt die rumänische Familie den Reporter bereitwillig in die Wohnung und stellt sich den Fragen: Wie ist es ihr als betroffene Familie ergangen in den vergangenen Monaten, in denen immer wieder die verstärkte Zuwanderung aus Rumänien und Bulgarien diskutiert worden ist?

Fotografieren lassen will sich die Familie in ihrer Wohnung nicht. Die Privatsphäre soll gewahrt werden. Und so ist das Foto zu diesem Artikel lediglich als Symbolbild zu verstehen, das verdeutlichen soll, wie die Familie wohnt: Mit Möbeln, die in den Augen vieler Hagener sicherlich ein wenig wie aus der Zeit gefallen wirken, die in vielen Wohnungen eher vor 20 oder 30 Jahre noch zu finden waren. Vielleicht ein wenig spießig, aber ordentlich und auch behaglich wohnt sie.

Und so stört es Ionela Lacatus auch immer wieder, wenn sie mit Verallgemeinerungen konfrontiert wird: „Wenn ein Rumäne etwas gemacht hat, dann heißt es: die Rumänen waren es. Aber das stimmt doch nicht.“ Sie lebt mit ihrem Mann und ihren vier Kindern genauso in dem Haus, wie ihre Schwester Bianca mit Mann und ebenfalls vier Kindern. Und unten wohnen die Eltern: Jioan Lacatus mit seiner Diabetes- und herzkranken Frau.

Familien-Handwerkstradition

Vor fast fünf Jahren ist die Familie aus Rumänien nach Hagen gekommen, nachdem sie zuvor schon in Spanien versucht hatte beruflich Fuß zu fassen und auch wieder einige Jahre in Rumänien verbracht hatte. Doch überall dort gebe es keine Perspektiven mehr: „Es gibt in vielen Städten keine Arbeit, die Schule kostet Geld“, sagt Ionela Lacatus. Und mit Blick auf ihre kranke Mutter ergänzt sie, dass auch die medizinische Versorgung trotz Versicherung noch teuer ist. Sie ist sich daher sicher: Es werden noch mehr Menschen aus Rumänien nach Deutschland kommen.

Aber die meisten kämen, um zu arbeiten, sagt Vater Jioan. Nicht, um nur Geld vom Staat zu bekommen. Er holt aus einer Kommode einen Katalog mit kunstvoll und aufwändig geschmiedeten Toren und Geländern. „Ich hab in Rumänien als Schlosser gearbeitet“, sagt der 54-Jährige in gebrochenem Deutsch. „So wie mein Vater und mein Großvater.“ Und auch die Schwiegersöhne haben das Handwerk erlernt. Doch in Rumänien, so sagt er mit großem Bedauern in der Stimme, gebe es keine Kunden mehr für solch ein Handwerk. Und auch in Deutschland sei das kaum möglich. Und so sieht er es eher als Notlösung, dass er und seine Familie heute hier in Deutschland im Schrotthandel tätig sind – mit einem Reisegewerbschein. „Aber wir verdienen unser Geld, leben nicht vom Staat“, sagt er.

Wie das Leben insgesamt in den vielen rumänischen Familien in Wehringhausen ist? Jioan Lacatus zuckt mit den Schultern. „Ich weiß es nicht. Ich hatte in den vergangenen Monaten nicht viel Kontakt mit andern rumänischen Familien.“ Und seine Tochter Ionlea versucht auch das Bild zu zerstreuen, als gebe es die einheitliche rumänische Gemeinschaft in Hagen oder Wehringhausen. „Zuletzt sind viele Rumänen gekommen. Aber wir kennen sie deshalb nicht alle.“ Sie kämen aus ganz unterschiedlichen Städten und Gruppen, sprächen unterschiedliche Dialekte. Dass der Zuzug zu Diskussionen in Hagen sorgt, das merke sie sehrwohl. „In den vergangenen Monaten ist es schlechter geworden.“

Für sie und ihre große Familie sei aber klar: Sie sehen ihre Zukunft in Deutschland und in Hagen. „Unsere Kinder gehen in den Kindergarten und in die Schule. Alles ist in Ordnung. Und wir haben Kontakt zu anderen Hagener Familien.“

>> HINTERGRUND: Zuwanderung aus Südosteuropa

  • 988 Menschen mit rumänischem Pass lebten Mitte des Jahres 2017 in Wehringhausen. Zum Vergleich: Im Jahr 2006 waren es 10, im Jahr 2012 57. Der größte Anstieg war in den Jahren 2014/2015 zu verzeichnen.
  • 220 Menschen mit bulgarischem Pass lebten Mitte des Jahres in Wehringhausen. Auch hier der Vergleich: Im Jahr 2006 waren es 8, im Jahr 2012 57. Hier war der Anstieg also nicht so hoch. Rumänien und Bulgarien gehören zur Europäischen Union.