Hagen. . Francis Hüsers ist der neue Intendant am Theater Hagen. Im Interview verrät er, warum er vor diesem Job auch Angst hat
Francis Hüsers hat in Hamburg zusammen mit Generalmusikdirektorin Simone Young Oper gemacht, die international gefeiert wurde. Nun soll der 57-Jährige als Intendant am Theater Hagen die Quadratur des Kreises schaffen: Sparen und trotzdem das Publikum und die Qualität halten. Im Interview verrät der Niederrheiner, warum ihn diese Aufgabe reizt und was er dabei fürchtet.
Das Theater Hagen befindet sich in einer schwierigen Situation. Es wurde bereits viel gespart, nun soll noch mehr gespart werden. Auf Ihnen ruhen dabei die Heilserwartungen. Wie gehen Sie damit um?
Francis Hüsers: Vor dieser Aufgabe habe ich großen Respekt, man könnte sogar sagen, dass es Punkte gibt, vor denen ich Angst habe. Wir müssen einen Neuanfang wagen, programmatisch und organisatorisch, aber das Stammpublikum darf nicht verprellt werden, denn die Einnahmen der vergangenen anderthalb Jahre sind im Sparpaket eingerechnet, die muss ich halten. Normalerweise hat man bei einem Intendantenwechsel einen gewissen Puffer; hier muss es von Anfang an klappen. Diesen Erwartungsdruck spüre ich schon.
Über das Theater Hagen ist in der Vergangenheit viel im Zusammenhang mit Geld geredet worden und zu wenig im Zusammenhang mit Kunst. Welche Wege möchten Sie programmatisch gehen?
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Ich bin sehr glücklich mit der aktuellen Spielzeit, obwohl ich sie nicht geplant habe. Allerdings ist das Genre Musical dabei sehr breit vertreten, weil man die Erfahrung gemacht hat, dass das sich im Kartenverkauf trägt. Und ich will auch jedes Jahr mindestens ein Musical neu produzieren, aber einen größeren Schwerpunkt auf die Oper legen und da auch sehr bewusst Werke in anspruchsvollen Inszenierungen bringen. Im Mittelpunkt soll zunächst die Epoche der Romantik stehen, mit der längerfristigen Perspektive, dass man sich bis in die Gegenwart entwickelt.
Anspruchsvolle Inszenierungen: Steht künftig die Regie über der Musik?
In der Oper habe ich jeden Tag den Konflikt: Was braucht die Musik? Was braucht die Szene? Deshalb sind die Regisseure, mit denen ich arbeite, Opernregisseure, die sich trauen, mit den Sängern auch auf die Musik zu arbeiten.
Wie schärfen Sie das Profil des Theaters Hagen mit Blick auf die Bühnen in den Nachbarstädten?
Ich habe unterschrieben, dass ich alle Sparten inklusive Schauspiel halte. Die Sparten möchte ich weiterentwickeln. So wollen wir zum Beispiel Doppelabende erarbeiten, in denen das Ballett mit der Oper in einen Dialog tritt; das wird 2018 ein Projekt mit Barockmusik sein. Dabei geht es nicht um Synergieeffekte zwischen den Sparten, sondern um Arbeit an der Form, um die Überlegung, wie man für heutige Inhalte entsprechende Formen findet. Die Verschränkung von Künsten fasziniert mich, das ist ein alter, moderner Ansatz.
Zusätzlich zu den bereits erbrachten Sparleistungen Ihrer Vorgänger müssen Sie 1,5 Millionen Euro einsparen. Entlassen Sie jetzt Mitarbeiter?
Wir sparen sozialverträglich, deshalb sind wir in dieser Spielzeit noch nicht ganz da. Im Chor werden zwei Stellen nicht mehr besetzt, im Ballett ebenfalls, im Orchester vier Stellen und in den Abteilungen Technik/Werkstätten insgesamt zwei. Das ist der Plan.
Riskieren Sie damit nicht einen höheren Krankenstand beim Personal, was zur Folge hätte, dass Sie teure Aushilfen einkaufen müssen?
Die Gefahr, dass das möglicherweise nicht aufgeht, weil die Arbeitsverdichtung dazu führen kann, dass dann doch mehr Aushilfen engagiert werden müssen, die besteht. Aber was ist die Alternative? Ich bin froh, dass man sich entschieden hat, alles zu versuchen, das Theater als Ensembletheater zu erhalten. Ich verstehe, dass man das Theater nicht vom Sparen ausnehmen kann. Aber dieser Prozess ist endlich. Ich trete an unter der Voraussetzung, dass ich es noch einmal versuche, obwohl die finanziellen Bedingungen so problematisch sind.
Was ist dabei Ihre Motivation?
Bei einer Produktionsplanung sage ich oft quasi als Motto: Das geht nicht, das ist zu teuer, aber wir machen es trotzdem! Und jetzt lasst uns also überlegen, wie es geht. Durch Kreativität kann man ganz viel ausgleichen. Diesen Balanceakt zu finden, ist ein schwieriges Ding, aber ich traue mir eine gewisse Erfahrung zu im Umgang mit diesen Mechanismen.
Kannten Sie Hagen vorher?
Die Stadt nicht, aber das Theater Hagen war mir ein Begriff, vor allem seine Sprungbrett-Tradition. Als Hellen Kwon in Hamburg hörte, dass ich nach Hagen gehe, hat sie sofort angerufen und gesagt: Weißt Du eigentlich, dass ich in Hagen angefangen habe? Das ist mein Haus. Wenn Du eine Salome brauchst, komme ich.
Wie gewinnt man gute Sänger, wenn man Ihnen nicht viel Gage bezahlen kann?
Das ist ein Riesenproblem. Die Frage kann man noch erweitern: Wie kommt man an gute Regisseure, wenn man sie nicht bezahlen kann? Man muss den Künstlern Bedingungen bieten, die für sie positiv sind. Dazu gehören die Atmosphäre in der Zusammenarbeit des Hauses, der persönliche Kontakt und dann die Aufgaben. Es gibt manchmal Glücksfälle, dass ein Sänger an einem kleinen Haus ein Rollendebüt ausprobieren möchte, bevor er mit der Partie an ein großes Haus geht oder dass er eine Partie an einem kleinen Haus auffrischen will, bevor er sie an einem großen Haus singt. Ich möchte Hagen als Sprungbrett weiter profilieren.
Anders als Ihre Vorgänger werden Sie nicht selbst inszenieren?
Meine Hauptstärke liegt im dramaturgisch-konzeptionellen Bereich, in der Entwicklung von Projekten. Im Musiktheater finden sich Leute zusammen, die zunächst einmal jeder von einem anderen Stern kommen, und dann entwickelt sich etwas Neues, was jeder für sich alleine nicht hätte erarbeiten können. Diese kreativen Prozesse sind der Hauptteil meiner Motivation, nach Hagen zu gehen. Hier habe ich die Chance, diese Utopie auf ein kleines Haus zu übertragen.
Ihr erster Eindruck?
Wenn man vom Bahnhof zum Theater geht, kommt man ja nicht durch die Vorzeige-Ecken von Hagen. Und dann steht man plötzlich auf dem Platz und sieht dieses Jugendstil-Schatzkästchen, und die Sonne geht auf. Es ist ein schönes Haus!