Hagen. . Hagens scheidender Intendant Norbert Hilchenbach spricht über seine Arbeit in Hagen, über vergangene Produktionen und über Zukunftspläne.

  • Noch-Intendant Norbert Hilchenbach blickt auf zehn Jahre Theater zurück
  • Ende des Jahres ziehen seine Frau und er nach Berlin
  • Gespräch über Zuschusskürzungen, Altersstruktur des Publikums und Genre-Mix

Nach zehn Jahren verlässt Intendant Norbert Hilchenbach das Hagener Theater. Der 64-Jährige hat für zwei mal fünf Jahre das Stadttheater geleitet.

Der in Trier geborene Regisseur und Dramaturg hat federführend daran mitgearbeitet, das Hagener Haus von einem städtischen Regiebetrieb in eine gGmbH umzuwandeln, musste aufgrund der Zuschusskürzungen und Einsparforderungen seitens der Stadt mit einem geringeren Zuschuss arbeiten und kämpfte dafür, das Theater als Vier-Sparten-Haus (Musiktheater, Orchester, Ballett und Kinder- und Jugendtheater) zu erhalten.

Herr Hilchenbach, in gut zwei Wochen fällt für Sie in Hagen der letzte Vorhang. Kommt da Wehmut auf?

Norbert Hilchenbach Nein, mein Aufhören kommt ja für niemanden plötzlich. Ich bin sehr froh über die zehnjährige erfolgreiche Zusammenarbeit mit meinen hiesigen Kollegen und freu’ mich auf die Zeit, die jetzt kommt.

Ihre Frau und Sie verlassen Hagen?

Ja, Ende des Jahres ziehen wir nach Berlin. Zu unserer älteren Tochter und deren Zwillingen. Meine jüngere Tochter, die in Hagen wohnt, zieht in Kürze nach Frankfurt. Ein Wohnortswechsel passt also. Durch unsere Arbeitsstätten an diversen Orten waren meine Frau und ich ja eh nirgends so ganz fest verwurzelt. Und in der Hauptstadt haben wir etliche Freunde.

Noch sind Sie ja hier . . . Zehn Jahre, zwei Amtszeiten – eine lange Zeit.

Die Zeitspanne passte. Und es war in beiden Fällen eine einstimmige Entscheidung des Rates. Das war auch gut, denn in der heutigen Zeit mit nur einer knappen Mehrheit auf solch einen Leitungsposten zu kommen, ist gefährlich. Ich gehöre keiner politischen Partei an. Theater muss politisch, darf aber nie parteipolitisch sein. Ich persönlich bin lediglich Mitglied bei Greenpeace und hab’ zwei Patenkinder in Sri Lanka.

Die Rechtsformänderung des Theaters – eine beinahe „never ending story?“

Oh ja. Der gesamte Prozess hat sich von 2006 bis 2015 hingezogen. Wobei die großartigen Vorteile der gGmbH – freieres Agieren und Organisieren – durch die immens lange Vorbereitung mit parallel laufenden weiteren Einsparungen nicht voll zum Tragen gekommen sind. Unterm Strich bin ich der Ansicht, dass eine gGmbH für das Theater aber auf keinen Fall schlecht ist.

Das leidige Gerangel um Landeszuschüsse . . .

NRW-Bühnen stehen im Vergleich zu kommunalen Bühnen anderer Bundesländer wesentlich schlechter da. Von einem jährlichen Zuschussbedarf von ca. 15 Millionen Euro übernimmt das Land inklusive der 200 000 Euro „Armenbonus“ für notleidende Kommunen lediglich 900 000 Euro. Das Thema wird die NRW-Theaterlandschaft wohl noch länger beschäftigen.

Hagen ist eine Stadt mit hohem Migrantenanteil, jedoch immer weniger jungen Leuten.

Wir sind in der Programmgestaltung auf diese Entwicklungen natürlich eingegangen. Die Ansprache junger Leute – und damit meine ich das Publikum bis 30, 35 Jahre abseits des Kinder- und Jugendtheaters – wird immer wichtiger. Wobei man im Schauspielbereich auf aktuelle Entwicklungen und Strömungen schneller reagieren kann als im Musiktheater. Der Anteil der 16- bis 35-jährigen Zuschauer liegt im Hagener Haus bei 25 Prozent – das ist kein schlechter Wert. Der Altersdurchschnitt gesamt betrachtet liegt allerdings bei Mitte 50.

Themenwechsel – Ihr Steckenpferd sind amerikanische Opern.

Amerikanische Opern waren lange Zeit unterschätzt. Nach dem Krieg war in Deutschland eher „elitäre Musik“ angesagt, da wurden die amerikanischen Stücke als zu einfach und zu populär abgestempelt. Dabei ist die Musik doch sehr zugänglich, und das ist ja nicht schlecht. Aus dem Genre habe ich hier u.a. die Oper Dead Men Walking und die Musicals Sweeney Todd und Into the Woods auf die Bühne gebracht. Das Publikum hat es honoriert. Wir haben aber auch moderne Stücke wie Lola rennt und Sozialkritisches wie Gegen die Wand und Tschick gespielt. Die Bandbreite macht’s.

Da kommunale Theater Fördergelder erhalten, bieten sie kein rein kommerzielles Programm, sondern erfüllen auch einen Bildungsauftrag.

Ja, und das ist richtig. Stadttheater müssen eine Mischkalkulation ansetzen. Einige Stücke gelten als Publikumslieblinge und bescheren volle Reihen, andere sind eher experimentell. Ein Stadttheater ist im besten Sinne ein Gemischtwarenladen.

Ein Beispiel?

Die Zauberflöte ist bekannt und beliebt. Aber wir spielen auch hervorragende Stücke wie die Oper Lucia di Lammermoor, die nicht fürs ganz große Publikum vorgesehen sind.

Muss ein Theater heute auf Spektakuläres setzen, um Schlagzeilen zu machen bzw. neues Publikum zu locken? Einige Stimmen äußerten sich im Falle des „Fliegenden Holländers“ kritisch. Der Einsatz der Wassermassen auf der Bühne wurde als Effekthascherei bezeichnet.

Der Einsatz von Wasser auf der Bühne ist nun wirklich nichts Außergewöhnliches, und natürlich war von unserer Seite damit absolut keine Effekthascherei verbunden. Natürlich verwendet man solch ein Mittel auch nicht in jeder Spielzeit.

Das Hagener Theater kann aufgrund seiner finanziellen Ausstattung nur selten teure Top-Stars und Prominenz präsentieren.

Der Star unseres Theaters ist das Ensemble, das häufig über Jahre zusammenbleibt und Verbundenheit mit dem Publikum schafft. Hier sind Mehrkämpfer-Talente gefragt – und die hat das Haus. Außerdem strahlt das Ensemble in die ganze Stadt und in die Region aus. Und nur mit einem Ensemble ist es möglich, Schulen und Kindergärten zu besuchen und Veranstaltungen z.B. im Sparkassen-Karree oder im Stile des „Fünf-Uhr-Tees“ anzubieten.

Wie sehen Sie die Zukunft des Hagener Theaters?

Themen wie Mindestlohn, Mindestgagen, Arbeitszeitverkürzungen und verschärfte Sicherheitsvorschriften werden das Haus auch in betriebswirtschaftlicher Sicht künftig noch mehr beschäftigen. All das ist richtig, beschert dem Haus aber zusätzliche Kosten, die es nicht erstattet bekommt, sondern ausschwitzen muss. Für diese nicht leichten Aufgaben und natürlich auch für die künstlerische Arbeit wünsche ich meinem Nachfolger Francis Hüsers und dem Ensemble von Herzen alles Gute.

>>> Hintergrund

  • Norbert Hilchenbach war bereits mit 14 Jahren als Statist im Einsatz, sah seine berufliche Zukunft jedoch nie „zwingend im Theater“. Mit seiner Frau Maria (sie ist ebenfalls künstlerisch tätig) ist er seit fast 40 Jahren verheiratet. Hilchenbach arbeitete als Regisseur und Dramaturg u.a. an den Stadttheatern Aachen und Trier.
  • 1997 wurde er Intendant und Geschäftsführer an den Städtischen Bühnen Osnabrück, 2007 Intendant am Hagener Theater.