Hagen.

Es fehlt der natürliche Feind, Futter indes ist im Überfluss vorhanden. Beste Bedingungen für unkontrollierte Vermehrung.

In diesem Jahr wurden bis zum jetzigen Zeitpunkt ebenso viele Abschüsse gemeldet wie im Vorjahr. Aber: „Der Bestand ist nicht von einem Jahr aufs andere herunterzuschrauben”, sagt Hagens Stadtförster Michael Knaup. Im städtischen Forstamt laufen regelmäßig Anrufe besorgter Bürger ein, die Wildschweine inmitten der Zivilisation sichten oder deren Gärten von Wildsaurotten geradezu verwüstet wurden.

"Ich war geschockt"

Als Annette Schewe in der vergangenen Woche morgens die Rollläden hochzog, blickte sie auf einen Acker, wo am Abend zuvor gepflegter Rasen war. „Ich war geschockt, aber wusste sofort, dass es Wildschweine waren.” Bereits im vergangenen Jahr hatten sich Wildsauen auf der Suche nach tierischem Eiweiß über das Grundstück hergemacht. In diesem Jahr haben sie 2000 Quadratmeter umgepflügtes Chaos hinterlassen, und das, obwohl Schewes ihr Grundstück nach der ersten Attacke komplett eingezäunt hatten.

In der Selbecke seien Wildschweinrotten tatsächlich zur Belastung geworden - zu einer gefährlichen, fürchtet Annette Schewe. Gesichtet wurden sie bereits im vergangenen Jahr, z.B. auf einem Supermarktparkplatz. In diesem Herbst kehren sie zurück. Licht hält die Tiere bei ihren Streifzügen auf der Suche nach Nahrung nicht mehr ab. „Das war einmal so, sie haben sich aber ans Licht gewöhnt”, hat sie beobachtet.

Konsequente Bejagung

Die Bejagung der Tiere werde konsequent durchgeführt, sagt Förster Knaup. Zum Abschuss freigegeben sind mittlerweile sogar Frischlinge, die erst einige Monate alt sind, um der ausufernden Population überhaupt Herr zu werden.

Die Tiere sind schon nach weniger als einem Jahr geschlechtsreif. „Mit dem Abschuss der Frischlinge dämpft man die Reproduktionsdynamik am effektivsten ein”, meint Knaup. „Mittlerweile machen Frischlinge 70 bis 80 Prozent des Gesamtabschusses aus”, sagt Knaup.

43.000 Abschüsse in NRW

Die intensive Bejagung von Wildschweinen wird mittlerweile NRW-weit durchgeführt. Die Abschusszahlen schnellten von 35 000 im Jahr 2007 auf 43 000 im Jahr 2008 hoch. Dass Wildschweine Träger der Schweinepest sind, macht die Eindämmung der Population noch dringlicher. Hagen ist zwar erst Beobachtungsgebiet für Schweinepest. Doch gibt es nur einen Fall auf Hagener Areal, wird die Stadt zur Schutzzone, was für Landwirte mit Schweinezucht schwerwiegende Folgen vom Transportverbot bis zur Keulung von Tierbeständen hätte.

Mit der Landwirtschaft würde sich Knaup bisweilen eine intensivere Kooperation wünschen. Wildschweinrotten stöbern auf Futtersuche häufig durch Maisfelder. Die vielen Anbauflächen, die in den letzten Jahren zusätzlich in der Region bewirtschaftet werden, sind ein wesentlicher Faktor für die schwer in den Griff zu bekommende Populationsexplosion. Aber gerade dort, in den hohen, dichten Maisfeldern, die häufig bis an den Waldrand reichen, können Jäger kaum einen Schuss abgeben, weil die Sicht fehlt. Mehr Abstand zum Wald und Schneisen im Feld würden eine effektivere Bejagung möglich machen. Doch manche Bauern sträuben sich. „Landwirte bekommen für solche Schäden an Feldern Entschädigung vom Jagdpächter”, so Knaup. Ein Ausgleich, der für umgepflügte Privatgärten nicht gezahlt wird.