Altenhagen. . Maik Zach und Mohamad, zwei Männer, zwei Welten. Sie räumen den Müll in Altenhagen weg, den der HEB eigentlich nicht wegmacht. Der eine ist Flüchtling, der andere arbeitslos.

  • Maik Zach und Mohamas ergreifen eine Chance
  • Der eine flüchtete aus Syrien
  • Der andere ist schon seit langer Zeit Arbeitslos
  • Maik Zach und Mohamas ergreifen eine Chance
  • Der eine flüchtete aus Syrien
  • Der andere ist schon seit langer Zeit Arbeitslos

Es stünde ihm zu, niedergeschlagen zu sein. Dass ihm der Antrieb fehlt. Dass die Seele schmerzt. Und dass er in eine Identitätskrise gerät. Nichts. Absolut nichts davon. Vor uns steht ein Mann, der bescheiden, aber aus vollem Herzen lächelt. Ein Familienvater, der für seine Frau und seine Kinder etwas tut, das er in seiner Heimat nicht hätte tun müssen. Ein Mensch, der eine Chance ergreift – und dem Respekt gebührt.

Der Dreck, den der HEB liegen lässt

Mohamad (33) ist einer von zehn hoch motivierten Flüchtlingen, die im Auftrag des Hagener Entsorgungsbetriebs (HEB) jeden Tag in Hagens Sauberkeits-Problemvierteln Müll auflesen. Sie machen den Dreck weg, den der HEB richtigerweise sonst liegen lässt, weil es nicht seine hoheitliche Aufgabe ist. An Hauseingängen, auf Baumscheiben, Gehwegen vor Privathäusern, vor Treppenaufgängen. Gemeinsam mit jeweils einem Langzeitarbeitslosen sind zehn Teams in Altenhagen und Wehringhausen unterwegs. Von der Wichtigkeit der Aufgabe mal ganz abgesehen, sind dabei bemerkenswerte menschliche Geschichten und Schicksale in den Straßen unterwegs.

Zwei Tonnen zusätzlichen Müll gesammelt

Allein am vergangenen Montag haben die zehn Teams aus Flüchtlingen und Arbeitslosen in Wehringhausen und Altenhagen zwei Tonnen zusätzlichen Müll eingesammelt.

Die Maßnahme ist zunächst auf sechs Monate bis nächsten März begrenzt. Beim HEB hofft man auf eine Verlängerung.

Mohamad möchte nicht, dass wir seinen Nachnamen nennen, weil er immer noch Bedenken wegen seiner Sicherheit hat, obwohl die alte Heimat Tausende Kilometer entfernt ist. Das erklärt er uns in einem dermaßen guten Deutsch, dass man glauben könnte, er wäre schon etliche Jahre und nicht erst 14 Monate hier. In Syrien war er Polizist, war in vielen Regionen im Einsatz, zuletzt auch in Aleppo. Von dort floh er vor Bürgerkrieg, vor Angst, Unterdrückung, Verfolgung und vor Assads Regime. 14 Tage dauerte die Flucht über 3700 Kilometer. Zu Fuß, in Schlauchbooten. So fürchterlich, wie man es von den erschreckenden Bildern kennt, die um die Welt gehen.

So gegensätzlich und bizarr

Jetzt piekst er Müll auf. In Altenhagen. Dort, wo Teile der Hagener Öffentlichkeit Zuwanderer und Flüchtlinge dafür verantwortlich machen, dass manche Ecke einfach nur versifft aussieht. Dass einem Flüchtling dort nun täglich der Dank der örtlichen Bevölkerung entgegenkommt, weil er aufräumt, ist so gegensätzlich, so bizarr. Findet auch sein Teampartner Maik Zach, ein Langzeitarbeitsloser, der im Zuge der Maßnahme von HEB, Jobcenter und Werkhof ähnlich wie Mohamad eine Chance ergreift.

Manchmal, wenn sie gemeinsam mit ihren Müllzangen durchs Viertel ziehen, bleibt Zach die Spucke weg, wenn Mohamad ihm von seiner Flucht erzählt. Wenn sein Deutsch zur Schilderung mancher Erlebnisse dann nicht ausreicht, bemüht Zach den Google-Übersetzer seines Smartphones – vom Syrischen ins Deutsche. Dass die beiden Müll aufsammeln, ist von behördlicher Seite nur eine Jobmaßnahme. Tatsächlich passiert jeden Tag zwischen 7 und 13 Uhr dabei aber das, wofür sich viele Anzugträger und Fensterredner bei der zigsten Inte­grationsdebatte nach blumigen Worten gerne abfeiern lassen: wahrhaftige Begegnung zwischen den Welten, eine Annäherung zwischen hiesiger Bevölkerung und Geflüchteten. Zach, der schon andere Jobmaßnahmen hinter sich hat, sagt: „Der Mohamad ist ein richtig guter Mensch. Und fleißig noch dazu.“

Nicht zu schade, für den Job

Keine einzige Sekunde war sich Mohamad zu schade, trotz seines gehobenen Berufes in Syrien in der neuen Heimat Müll aufzusammeln. „Arbeit“, versucht er es zu beschreiben, „soll mir Einnahmen bringen, damit es meiner Familie gut geht.“ Deutschkurse besuchen? Für ihn nicht nur erstrebenswert, sondern Verpflichtung. Für seinen Teampartner Maik Zach kommt noch ein anderer, sozialer Effekt hinzu. Zach ist selbst Altenhagener, hat die langwierige Debatte um das Müllproblem im Stadtteil mitverfolgt und mitdiskutiert. „Jetzt kann ich selbst mithelfen, etwas daran zu verändern“, sagt er.