Hagen. . Eine heimtückische Krankheit hat den Kastanienbestand in Hagen befallen. Geschätzte 40 Prozent der 893 Kastanien im Stadtgebiet leiden an einem bakteriellen Ausfluss.
- Knapp 40 Prozent der Kastanien in Hagen von bakterieller Erkrankung befallen
- Pseudomonas syringae führt im Endstadium zum Absterben der Bäume
- Setzt sich die Epidemie fort, können alle Kastanien verschwinden
Es ist Hochsommer. Und doch steht die mächtige, ca. 80 Jahre alte Kastanie entlaubt inmitten des Funckeparks. Dem Schwesterbaum nebenan geht es nicht viel besser, seine Blätter sind hell- statt sattgrün und viel zu klein. „Der erste Baum ist tot und muss gefällt werden“, berichtet Nils Böcker, Baumexperte beim Wirtschaftsbetrieb Hagen (WBH). Den zweiten wird wahrscheinlich das gleiche Schicksal ereilen.
Situation ist dramatisch
Eine heimtückische Krankheit hat den Kastanienbestand in Hagen befallen. Geschätzte 40 Prozent der 893 Kastanien im Stadtgebiet leiden an Pseudomonas syringae, einem bakteriellen Ausfluss, der zu blutenden Stellen an Stamm und Ästen, Verfärbungen und Abplatzen der Rinde sowie mit fortschreitendem Befall zum Absterben der Bäume führt. Die Situation sei dramatisch, so Böcker: „Vor allem die Geschwindigkeit, mit der sich die Krankheit ausbreitet, bereitet uns Sorgen.“ 20 Bäume wurden bereits gefällt. Wenn sich die Epidemie in diesem Ausmaß fortsetzt, könnten bald alle Kastanien in Hagen verschwunden sein.
Das Kastaniensterben ist natürlich nicht auf Hagen beschränkt, sondern besitzt europäische Dimensionen. Schon 2002 wurde der neuartige Bakterienbefall in Holland festgestellt, in Hagen wurde erstmals 2012 in der Boeler Straße eine Kastanie mit der Krankheit entdeckt. „Sie war ganz brüchig und musste zu Fall gebracht werden“, so Dirk Wollnik vom WBH. Von Pseudomonas betroffen sind sowohl rot- als auch weißblühende Rosskastanien; auf andere Baumarten, und stehen sie noch so nahe an den kranken Kastanien, greift das Bakterium nicht über.
Baumkrankheiten
Von nicht zu stoppenden Krankheiten sind auch andere Baumarten in Hagen befallen.
Bedrohlich sind derzeit das Triebsterben der Eschen, der Massaria-Pilz bei den Platanen sowie das Bakterium Xanthomonas bei der Baumhasel.
Für den Tod der Bäume sei Pseudomonas nicht allein verantwortlich, erläutert Böcker. Vielmehr siedeln sich an den geschwächten Bäumen Pilzfruchtkörper, darunter essbare Arten wie Samtfußrübling und Austernseitling, an und rufen eine rasante Holzfäule hervor.
Das deutsche Institut für Baumpflege in Hamburg hat das Bakterium und seine Infektionswege erforscht und ist zu dem Schluss gekommen, dass Pseudomonas über Wunden im Holz oder abgestorbene Kronenbereiche in den Baum eindringt. Kerngesunde Bäume dürften demnach kaum befallen werden, doch vieles ist derzeit noch Spekulation, das völlige Verschwinden der Kastanienbestände scheint möglich. Ein solches Szenario dürfte nicht nur erklärte Baumliebhaber schockieren, besitzt die Kastanie doch einen hohen emotionalen Wert: „Fast jeder von uns hat als Kind Figuren aus Kastanien und Streichhölzern gebastelt“, sagt Böcker, der die Hoffnung hegt, dass einige Exemplare Resistenzen gegen Pseudomonas bilden und die Epidemie überleben.
Kein Mittel gegen Erreger
Behandlungsmöglichkeiten sind jedenfalls nicht bekannt. Während manche Bäume schon zwei Jahre nach dem ersten Auftreten der Krankheit absterben, wehren sich andere länger gegen Pseudomonas. In der Hoffnung, dass einige von ihnen das Bakterium vielleicht doch besiegen, lässt Böcker sie kämpfen. Gefällt werden sie erst, wenn sie eine Gefahr für die Verkehrssicherheit darstellen.