Bayreuth/Hagen. . Der Hagener Regisseur Jan Philipp Gloger im Interview über seine Inszenierung von Wagners „Fliegendem Holländer“ und die Werkstatt Bayreuth.

  • Regisseur aus Hagen inszeniert in Bayreuth
  • Jan Philipp Gloger ist ein international gefragter Theatermann
  • „Fliegender Holländer“ auf dem Festspiel-Programm

Als Jan Philipp Gloger 2012 den „Fliegenden Holländer“ in Bayreuth inszenierte, kannten nur Insider seinen Namen. Mit 30 Jahren war er neben Katharina Wagner der jüngste Regisseur in der Geschichte der Richard-Wagner-Festspiele überhaupt. Heute ist der Hagener ein international gefragter Theaterkünstler. Amsterdam, Zürich, London: Der Grüne Hügel als Motor einer ungewöhnlichen Karriere? Das ist eine der Fragen, die Gloger im Interview beantwortet.

Welchen Einfluss hat Bayreuth auf Ihre Entwicklung?

Jan Philipp Gloger: Ein Einfluss auf meinen Werdegang als Regisseur besteht auf jeden Fall. So hat zum Beispiel Kasper Holten, der Intendant des Royal Opera Houses, meinen „Fliegenden Holländer“ gesehen und mich daraufhin nach London geholt. Dort mache ich im Herbst Mozarts „Cosi fan tutte“. Aber das ist nicht so eine Einbahn-Straße, wie man denken mag. Die Hälfte meiner Inszenierungen sind nach wie vor Schauspiel, demnächst zum Beispiel in Düsseldorf, außerdem inszeniere ich nächste Spielzeit nicht nur in London, sondern auch in Frankfurt Mozart, und nach dem „Barbiere“ in Essen geht es auch andernorts mit Rossini weiter. Wagner begegne ich nach Bayreuth mit einer ganz anderen Intensität, mal sehen, was meine nächste Wagner-Oper wird.

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Ihr „Holländer“ läuft jetzt im fünften Jahr, ist ein Publikumsliebling. Ist die Produktion für Sie noch spannend?

Gloger: Man sieht die Ereignisse eines Jahres immer wieder durch die Brille des „Holländers“. Die Welt hat sich seit der Premiere sehr verändert. Es gibt die Flüchtlingsströme. Nun kann man aber nicht sagen: Der Holländer, das wird jetzt ein Flüchtling. Das wäre platt und nicht passend. Aber Wagner wusste viel über Heimatlosigkeit, der wusste auch viel davon, wie es ist, wenn sein Leben bedroht ist. Und deshalb kann man schon nach der Emotionalität des Heimatverlustes im „Holländer“ suchen. Heimatlosigkeit, Vertriebenheit, das sind Themen, die in dieser Oper wichtig sind.

Normalerweise liefern Regisseure ihre Inszenierung zur Premiere ab, und fertig. Nur in Bayreuth hat jeder die Chance, Jahr für Jahr Dinge zu verändern. Kommt Ihnen dieser Werkstattgedanke entgegen?

Gloger: Natürlich zeigt die Premiere das Ergebnis einer Arbeit, aber Theater ist dynamisch und dann gut, wenn es das aufnehmen kann, was in den Proben passiert - seien es Ereignisse in der Welt da draußen, seien es Energien und Ideen von den Beteiligten. Ich habe das Glück, mit Sängern zu arbeiten, die mehr wissen wollen, als wo sie stehen oder von wo sie auftreten. Es muss auch in der Oper Versuch und Irrtum geben dürfen. Dafür kämpft man im Sinne der Werke, die Werke wollen aus der Zeit gelesen werden, und ich habe das große Glück, dass ich die Werke inszenieren kann, die ich liebe. Insofern kommt mir der Werkstattgedanke sehr entgegen.

Was ändert sich beim Holländer?

Gloger: Der Fokus liegt ganz klar auf der Arbeit mit den Sängern, denn ich habe einen neuen Daland, einen neuen Erik und einen neuen Holländer. Darauf freue ich mich sehr, und ich freue mich auch, dass die drei anderen bleiben, also Senta, Mary und der Steuermann. Wagner sah Daland als komischen Gefährlichen, und der Holländer muss gefährlich sein, aber er muss auch sexy sein. Wir probieren da einiges aus. Gerade Kleinigkeiten am Kostüm können zum Beispiel alles drehen. Ein zu eng sitzender Anzug kann komisch sein, aber er kann auch zu comic-haft sein. Wir haben also unter anderem eine Art von Kostümworkshop gemacht.

Was sagt Festspielleiterin Katharina Wagner dazu?

Gloger: Die Katharina ist eine Theaterpraktikerin. Die hat viel Verständnis für die Arbeit eines Regisseurs.

Vom Theater Hagen nach Bayreuth?

Gloger: Ich bin in der Hagener Bühne dem Theater überhaupt zum ersten Mal begegnet. Ich konnte neue Musik kennenlernen, Wagner kennen lernen, mit einem breiten Opernrepertoire in Berührung kommen – und zwar als jemand, der nicht unbedingt das Geld hatte, sich in den Zug nach Köln zu setzen. Theater hat die Aufgabe, Zentrum in einer Stadt zu sein, gerade in Zeiten, in denen Zentren sich immer weiter ins Private verschieben. Ich würde mir wirklich wünschen, dass sich alle Beteiligten in Hagen mehr bewusst werden, dass sie in einem Boot sitzen: die Politiker und die Theatermacher.