Hagen. . Er sitzt in der letzten Reihe. Andreas Kroll ist ein Hinterbänkler. Doch gerade aus dieser Position heraus mag es der 48-Jährige, Politik zu machen.
- Nächster Teil der Serie „So funktioniert hagens Politik“
- Andreas Kroll (SPD) im Porträt
- Ansichten eines Hinterbänklers
Die Friedhöfe, sagt Andreas Kroll, seien voll mit Menschen, die dachten, dass sie unersetzbar gewesen wären. Was der Ratsherr da bei einer Tasse Cappuccino erklärt, sagt viel über ihn als Kommunalpolitiker aus – aber auch ganz viel über den Menschen Andreas Kroll. Sehr an der Sache orientiert, scheinbar ohne jegliche politische Eitelkeit, absolut auf das Gebiet fokussiert, in dem er den Wählern versprochen hat, sich um ihre Belange zu kümmern. Er ist der Mann aus der letzten Reihe, der wenige Worte macht und den so mancher Ratskollege vermutlich gar nicht so richtig auf dem Schirm hat. Andreas Kroll ist Hinterbänkler. Und ganz einfach ein ziemlich geerdeter Typ, der in die Politik gegangen ist, weil er was verändern wollte – nicht, weil er sich verändern wollte.
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„Bei uns“, sagt er ganz oft. Oder „hier oben“. Oder „in meinem Norden“. Damit meint Andreas Kroll, 48, geschieden und Vater eines 22-jährigen Sohnes, seinen Wahlbezirk, der Kabel, Bathey, Boele, Boelerheide und Garenfeld thematisch umfasst. Ein Gebiet, das gleichermaßen ländlich wie industriell geprägt ist. Und ein Gebiet mit ganz, ganz starken Themen in Hagen: Cargobeamer, Hengsteysee, Stromtrassen, Umspannwerke, Kunstrasenplätze, das Böhfeld.
Andreas Kroll hat locker Arbeit für drei Legislaturperioden auf dem Schreibtisch liegen. Er rührt wieder mit dem Löffel durch seinen Cappuccino. „Die erste politische Reihe ist für mich gerade unvorstellbar. Ich denke an meinen Norden.“ Und irgendwie passt es schon wieder zu der bescheidenen Art des 48-Jährigen, dass er den folgenden Satz hinterher schiebt: „Aber wenn jemand kommt, der bessere Ideen hat als ich, dann finde ich das auch super – ich halte mich nicht für so wichtig, dass ich nicht ersetzbar wäre.“
Ein Sitz in der letzten Reihe seiner SPD-Fraktion
Andreas Kroll sitzt in der letzten Reihe seiner SPD-Fraktion im Rat. Hinter Lautsprechern und Öffentlichkeit suchenden Genossen wie Fraktionschef Mark Krippner oder Nesrin Öcal und hinter so altgedienten SPD-Granden wie Ex-OB Thieser oder Werner König. „Im Schatten dieser Kollegen kann ich sehr gut meine Arbeit machen“, sagt Kroll. Dadurch solle nicht der Eindruck entstehen, dass er bloß fleißig abnicke, was vermeintlich Erfahrenere sich ausgedacht haben.
Er kusche nicht, nur weil Kollegen schon länger in diesem Becken mitschwimmen würden, in dem Harmoniebedürftige mal so gar nichts verloren hätten. „Ich stimme gegen meine Fraktion, wenn es meine Überzeugung ist. Das habe ich zum Beispiel zuletzt beim Böhfeld so gemacht und werde es wieder tun, wenn es richtig ist.“
20 Stunden Politik pro Woche
Dass Lokalpolitik auch als Hinterbänkler nicht bedeutet, bloß artig zu Sitzungen zu gehen, die Aufwandsentschädigung abzugreifen und sich ansonsten konflikt- und geräuschfrei durch die Amtsperiode zu wurschteln, zeigt das Beispiel Andreas Kroll sehr treffend. „Für mich als Polizist ist das wie eine weitere zwei Tages-Schicht. Es gibt Wochen, da bin ich 20 Stunden oder mehr mit Lokalpolitik beschäftigt.“ Viel Zeit davon geht dafür drauf, bei komplexen Themen wie Stromtrassenführungen oder Umspannwerken überhaupt erst mal die jeweilige Sprache des Themengebietes zu verstehen. „Man arbeitet sich als Laie in Dinge hinein, die einem absolut fremd sind. Das ist anstrengend, aber auch sehr herausfordernd.“
Herausfordernd ist plötzlich auch die Position, die man als Hinterbänkler hat, wenn die eigene Fraktion öffentlich im Clinch liegt. Unsere Zeitung hatte zuletzt mehrfach darüber berichtet, dass SPD-Fraktionschef Krippner, wenn es nach zwei Dritteln der Mitglieder seiner Fraktion geht, das Amt als erster Mann der Fraktion abgeben soll. Der Abwahlantrag ist gestellt, über Krippners Zukunft soll eine Fraktionssitzung dazu am kommenden Montag, 4. April, entscheiden.
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Der Hinterbänkler Kroll verrät nicht, ob er zu den Abwählern oder den Krippner-Fans gehört. Sehr wohl ist jemand wie Kroll für Krippner aber ein wichtiger Faktor, wenn es darum geht, möglicherweise doch weiter im Amt zu bleiben und dafür auf Stimmenfang zu gehen. Es versteht sich fast von selbst, dass Kroll sein Statement zum Fall Krippner mit dessen Wirken im Hagener Norden in Verbindung setzt: „Die Zusammenarbeit mit ihm war immer gut. Er war immer da, wenn wir ihn gebraucht haben und hat große Erfahrung.“ Ein öffentliches Bekenntnis zu Krippner? Ja, schon. Kroll sagt trotz seiner kurzen Zeit im Rat (Kroll ist Newcomer seit der Kommunalwahl 2014) aber auch: „Politik ist ein Spiel auf Zeit.“ Und er wiederholt noch mal, dass die Friedhöfe voll mit Menschen seien, die dachten, sie seien unersetzbar.
Das Beste für Hagen im Sinn
„Das Beste für Hagen“. Mit so einer Floskel auf Wahlplakaten zieht man an der Volme schon lange keine Nicht-Wähler mehr an Wahlurnen. „Es ist dennoch das, was ich will. Und ich unterstelle allen im Rat, dass sie das auch wollen.“
Ist das nicht eine zu romantische Vorstellung, Herr Kroll? Ist Politik, und selbst wenn sie im dörflichsten aller Dörfer und im provinziellsten aller Käffer betrieben wird, nicht immer auch ein Spiel für Machtbesessene, Profilneurotiker und eitle Pfauen? „Das ist mir, ehrlich gesagt, egal. Das sollen die so machen, die das so interpretieren. Ich mache mein Ding. Ich bin für 6000 Wahlberechtigte im Norden im Rat. Und für die kann ich auch in der letzten Reihe etwas bewegen.“
Andreas Kroll hat als Kripo-Beamter schon so ziemlich alle menschlichen Abgründe gesehen. „Von daher schockt mich auch so manche Ratssitzung nicht“, sagt er und muss lachen.
Ratssitzungen am Samstag
Zwei Dinge, die wären dem Mann aus der letzten Reihe abschließend noch wichtig. Die Linie seiner Partei und das Image von Politik in der Öffentlichkeit. „Wir als SPD müssen uns mehr um soziale Gerechtigkeit kümmern. Das haben wir als Partei aus den Augen verloren. Und in Hagen sollten wir darüber nachdenken, Ratssitzungen samstags stattfinden zu lassen. Da haben mehr Bürger mehr Zeit und nehmen vielleicht noch intensiver teil.“