Hagen. . „Wenn das auf diesem Niveau weiter geht, werde ich nicht noch einmal kandidieren“, sagt der Mann von Hagen-Aktiv. Er will um die Sache streiten.

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Im Stadtrat gehört er zu den stillen Vertretern, die nicht oft das Wort ergreifen. Das hat aber nicht nur damit zu tun, dass er zu den Neulingen des Gremiums gehört, erst seit 2014 einen Sitz im Hagener Parlament innehat. Vielmehr hält sich Jochen Löher (49) ganz bewusst mit öffentlichen Stellungnahmen zurück, weil ihm die Diskussions- und Streitkultur des Großteils der Stadtverordneten nicht behagt: „Wenn das auf diesem Niveau weiter geht, werde ich nicht noch einmal kandidieren.“

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Dabei kehrt Löher keineswegs den intellektuellen Snob heraus, der sich zu fein ist, um in den Niederungen der Politik zu waten. Vielmehr widerstrebt es seinem Charakter, sich abseits von Sachfragen stundenlang über Petitessen, persönliche Befindlichkeiten und Fragen der Sitzordnung zu zanken oder um Pöstchen zu schachern. Das sei auch ein Grund, warum er sich keiner der traditionellen Parteien, sondern der Wählergemeinschaft Hagen Aktiv angeschlossen habe, sagt er: „Wir geben bewusst nicht zu jedem Thema einen Kommentar ab, weil das die Sitzungen nur ins Unendliche verzögert. Wir wollen nicht in jedes Scharmützel hineingezogen werden.“ Lieber bewahre er seine Kraft dafür, in der Fußgängerzone mit den Bürgern über die Zukunft der Stadt zu diskutieren.

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Jochen Löher kam über Umwege zur Politik. Vor acht Jahren geriet er mit der Stadt wegen der Zahlung von Straßenreinigungsgebühren in eine Auseinandersetzung und erhielt Kontakt zu Hagen Aktiv: „Die hatten einem anderen Bürger in einer ähnlichen Situation geholfen.“ Bald darauf sah sich Löher – obwohl er seinerzeit eine zeitaufwändige Weiterbildung zum Papiertechniker durchlief – selbst in den Reihen der Wählergemeinschaft Politik treiben, er wurde für die Bezirksvertretung im Hagener Norden nominiert und zog mit 7,6 Prozent der Stimmen in das Stadtteilparlament ein. Die hausbacken-ehrliche Atmosphäre in dem Gremium, dessen Sitzungen stets von aufmerksamen Bürgern besucht und von deren Fragen begleitet werden, gefiel ihm auf Anhieb: „Ich finde es klasse, dass es dort nicht um Parteipolitik, sondern um die Sache geht. Unter den Bezirksvertretern herrscht ein freundschaftliches Miteinander.“

Mit Wortbeiträgen hielt sich Löher anfangs zurück. Er musste zunächst lernen, sich das Fachdeutsch der Verwaltungsvorlagen anzueignen und sich in die nicht selten komplizierte Gemengelage, die einem plakativ nach außen getragenen politischen Beschluss zugrunde liegt, hineinzuarbeiten. Was es beispielsweise mit der Inklusion auf sich habe, sei für ihn zunächst ein böhmisches Dorf gewesen, gibt er zu. Inzwischen kennt er sich aus mit der Teilhabe behinderter Menschen an allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens und den Hürden, die diesem Ziel entgegen stehen.

Vom OB übersehen

Da war es fast selbstverständlich, dass er sich 2014 erneut für die Bezirksvertretung aufstellen ließ. Zudem tauchte Löher auf Platz 6 der Hagen-Aktiv-Liste für den Stadtrat auf – eine Position, die wohl kaum, so dachte er, für den Einzug ins Hohe Haus der Hagener Politik reichen würde. Und so geschah es, Hagen Aktiv erhielt fünf Mandate, Löher musste draußen bleiben.

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Doch im Leben und insbesondere in der Politik kommt es oft anders, als man denkt: Als Karin Nigbur-Martini die Fraktionsgeschäftsführung von Hagen Aktiv übernahm und ihr Ticket für den Rat deshalb zurückgab, rückte Löher nach – und fand sich plötzlich inmitten einer von Intrigen, Anfeindungen und Mehrheitssuche geprägten Versammlung wieder, deren Streitlust und rhetorisches Gebaren ihm bis heute nicht schmecken. Als es in der als besonders disziplinlos verschrieenen Februar-Sitzung um die Neubesetzung der Ausschüsse ging, sei es mit dem selbstauferlegten Schweige-Vorsatz beinahe vorbei gewesen, erinnert sich Löher: „Da ist mir fast der Kragen geplatzt, ich stand kurz vor einem Wutausbruch. Gott sei Dank hat der Oberbürgermeister meine Wortmeldung übersehen . . .“

An Lebenserfahrung gewonnen

Dennoch: Löher will die Politik und die in ihr handelnden Akteure nicht schlecht machen, er habe, seitdem er selbst ein Rädchen im Gefüge der Entscheidungsfindungen ist, viel an Lebenserfahrung hinzugewonnen und sei persönlich gereift, sagt er. Während er als junger Mann nur seine Sicht der Dinge habe gelten lassen, versuche er mittlerweile, sich in die Position des Gegenübers zu versetzen, um dessen Argumentation nachzuvollziehen: „Ich bin diplomatischer geworden.“

Dass er für sein Ratsmandat mit 463 und für die Arbeit in der Bezirksvertretung Nord mit 403 Euro Aufwandsentschädigung (20 Prozent fließen jeweils an Hagen Aktiv) bezahlt wird, sei unverhältnismäßig: „Dafür, dass wir Hobbypolitiker sind, ist das ein bisschen zu viel.“ Jedoch dürfe man den hiesigen Kommunalpolitikern nicht jede Negativentwicklung anlasten. Dass Douglas und andere Unternehmen ihren Sitz aus Prestigegründen in andere Städte verlegten und die Kommunen, von Bund und Land mit immer neuen Aufgaben überfrachtet, an den Rand der Belastbarkeit geraten seien, habe seine Gründe ganz woanders.

Löher will ungeachtet dieser Prozesse da weiter machen, wo er etwas bewirken kann: mit Infoständen in der Fußgängerzone und einer Müllsammelaktion am Hengsteysee: „Damit fährt man als Ratspolitiker auch ganz gut.“