Südwestfalen. Streitfall Nitrat im Grundwasser: Die EU-Kommission und das NRW-Umweltministerium werfen der Bundesregierung Untätigkeit vor. Landwirte wehren sich.

  • Nitrate im Grundwasser.
  • EU-Kommission kritisiert Bundesregierung
  • Landwirte wehren sich gegen Vorwürfe

Für die EU-Kommission stinkt die Sache zum Himmel. Da hat man schon den Nitrat-Grenzwert für Grund- und Trinkwasser mit 50 Milligramm pro Liter deutlich über den empfohlenen Wert der Weltgesundheitsorganisation WHO (20 mg/l) gesetzt – und dennoch kommt Deutschland offenbar seinen Hausaufgaben nicht nach. Also hat Brüssel jetzt Alarm geschlagen und plant das zweite Vertragsverletzungsverfahren in Sachen Nitrat-Verschmutzung.

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Verantwortlich für die Misere wird die Massentierhaltung in der Landwirtschaft gemacht. Die von den Tieren produzierte Gülle gelangt beim Einsatz als Düngemittel in das Grundwasser. Südwestfalen, eine Hochburg der Viehhaltung in NRW, gehört dem Bericht „Nitrat im Wasser“ des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (Lanuv) von 2014 zufolge aber nicht zu den hochbelasteten Regionen im Land.

Das Landesamt

„Wir müssen uns Gedanken über die Art und Weise machen, wie Düngemittel in Zukunft verwendet werden“, sagt Peter Schütze vom Lanuv und nennt die Regionen in NRW mit besonders hohen Nitrat-Belastungen: Niederrhein, Kölner Bucht und an Niedersachsen angrenzende Gebiete (Teile des Münsterlandes und Ostwest­falens). Interessanterweise typische Anbaugebiete für Gemüse, Mais und Getreide. Bei allem ­Bemühen werde sich kurzfristig die Nitratbelastung im Grund­wasser nicht groß verändern, so Schütze. „Im Unterschied zum Oberflächenwasser brauchen Nitrate viele Jahre, um im Grund­wasser anzukommen.“ Experten gehen von mindestens zehn Jahren aus.

Der Umweltminister

„Die Bundesregierung verzögert und verhindert die Umsetzung einer effektiven und nachhaltigen Düngeverordnung für Deutschland“, sagt NRW-Umweltminister Johannes Remmel, der die Vertragsverletzungsverfahren der EU nach seinen Angaben nachvollziehen kann. Die Nitratbelastungen in den Gewässern seien eines der größten Umweltprobleme in NRW, so der Grünen-Politiker. Daher fordert er von der Bundesregierung „schnellstmöglich“ eine neue Düngeverordnung mit strengeren Vorgaben.

Der Landwirt

„Minister Remmel verbindet gern intensive Tierhaltung mit schlechter Wasserqualität“, sagt Landwirt Hans-Heinrich Wortmann. „Wir sind da anderer Meinung.“ Eine Reduzierung der Tierbetriebe bedeute nicht automatisch weniger Nitratbelastung, so der Dünger-Experte der westfälischen Landwirte aus Kamen. Der Nitrat-Bericht des Lanuv aus dem vergangenen Jahr habe Fragen aufgeworfen: „Wenn hohe Nitratbelastung durch Gülle verursacht sein soll, warum wurden dann in manchen viehstarken Region niedrige Werte gemessen?“ Dennoch: Die Landwirte nehmen das Nitratproblem sehr ernst, betont Wortmann: „Warum sollten wir unsere zu bewirtschaftenden Böden – unsere Existenzgrundlage – zerstören, mit der die nachfolgenden Generationen noch arbeiten sollen?“

Wortmann zufolge wird „in zunehmendem Maße“ Gülle aus viehstarken in vieharme Regionen transportiert. „Ackerbauern nehmen die Gülle im Gegensatz zu dem kostspieligeren Kunstdünger gern an.“

Der Verband

„Der Nährstoff Gülle ist von ­zentraler Bedeutung für den ­Pflanzenbau“, sagt Hans-Heinrich Berghorn vom Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverband. ­Jeder Hobby-Gärtner wisse, dass, wer ernten wolle, düngen müsse. Natürlich sei die Vermutung naheliegend, dass die Landwirtschaft für die Nitratbelastung des Grundwassers mitverantwortlich ist. „Aber wir wollen das genau ­wissen“, so Berghorn. Sein Verband habe ein Forschungsinstitut beauftragt, der Frage nachzugehen. „Damit wir das Thema mit der gebotenen Seriosität diskutieren können.“