Hagen. . Vielfältig sind die Glaubensgemeinden, und doch gibt es vieles, was sie miteinander verbindet. Vor diesem Hintergrund möchte der Oberbürgermeister den „Runden Tisch der Religionen“ neu beleben.
OB Schulz will den Runden Tisch der Religionen wiederbeleben. Das soll helfen, Probleme der multikulturellen Stadtgesellschaft zu lösen. Gastfreundschaft und Nächstenliebe ständen überall für gottesbezogenes Handeln.
„So glaubt Hagen“ hieß die Sommerserie, in der unsere Zeitung die Hagener Glaubensgemeinschaften vorgestellt hat. Vielfältig sind die Gemeinden, und doch gibt es vieles, was sie miteinander verbindet. Vor diesem Hintergrund möchte der Oberbürgermeister den „Runden Tisch der Religionen“ neu beleben. Über die Bedeutung des Glaubens in der Stadt sprach unsere Zeitung mit Erik O. Schulz.
Warum wollen Sie als Oberbürgermeister den „Runden Tisch der Religionen“ wiederbeleben?
Erik O. Schulz: Am 17. November 2011 hat die zentrale, bundesweite Veranstaltung zum jährlich stattfindenden Tag der Religionen im Hagener Rathaus stattgefunden. Der damalige katholische Dechant des Dekanats Hagen-Witten, Dieter Osthus, hatte diese hochkarätig besetzte Veranstaltung seinerzeit nach Hagen geholt. Die Hagener Religionsgemeinschaften waren sich damals einig, dass eine vergleichbare Initiative auch und gerade auf lokaler Ebene mithelfen könnte, soziale, theologische und allgemeine Probleme unserer multikulturellen Stadtgesellschaft in Hagen zu lösen. An dieser Einschätzung hat sich aus meiner Sicht bis heute nichts geändert – ganz im Gegenteil haben sich neue Situationen ergeben, die einen gemeinsamen Ansatz für die Hagener Religionsgemeinschaften bieten – hier denke ich beispielsweise an die derzeitige Situation von Flüchtlingen.
Welche Bedeutung haben Glaubensgemeinschaften für die Stadt?
Schulz: Glaubensgemeinschaften eint bei allen theologischen Unterschieden ihre jeweilige Kraft, Menschen zusammenzuführen – und das nicht nur auf der spirituellen Ebene. Sie sind wichtige Säulen der Kommunikation in unserer Stadt, weil sie Menschen versammeln und ansprechen. Dies geschieht einerseits in Form der Ausübung des jeweiligen Glaubens, darüber hinaus aber auch durch die Einbindung der Mitglieder der einzelnen Gemeinschaften bei sozialen Projekten, der Stadtteilarbeit, der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen und des Sich-Kümmerns um bestimmte gesellschaftliche Gruppen wie etwa Senioren. Glaubensgemeinschaften sind damit entscheidende Fundamente des bürgerschaftlichen Engagements in einer Kommune.
Viele Hagener engagieren sich ehrenamtlich in den Gemeinden: Kann die Stadt das unterstützen?
Schulz: Das kann eine Stadt durchaus – indem sie Rahmenbedingungen so gestaltet, dass ehrenamtliches Engagement tatsächlich praktiziert werden kann. Ein Beispiel: die Stadt Hagen finanziert in einer nicht unerheblichen Größenordnung die Freiwilligenzentrale mit. Diese wird dadurch (und natürlich durch die Unterstützung seitens der Wohlfahrtsverbände) in die Lage versetzt, aktuell das bürgerschaftliche Engagement im Bereich der Flüchtlingshilfe zu koordinieren. Dies umfasst auch die Unterstützung durch die Gemeinden der unterschiedlichen Religionsgemeinschaften. Als weiteres Beispiel ist die großartige Unterstützung der städtischen Aktion „Saubere Stadt Hagen“ zu nennen, an der sich jährlich zahlreiche Gemeinden aktiv beteiligen. Darüber hinaus muss die Stadt eine ausreichende Infrastruktur vorhalten, um Engagement zu ermöglichen – etwa im Bereich der verkehrlichen Mobilität.
Weshalb rücken die Themen „Gastfreundschaft und Nächstenliebe“ in den Fokus?
Schulz: Diese Begriffe stehen für Werte, für die aus meiner Sicht eine Gesellschaft immer eintreten sollte. Daneben sind sie in jeder Religion Maßstäbe für ein gottesbezogenes Handeln – also demzufolge eine Klammer, die bei aller Unterschiedlichkeit eine Gemeinsamkeit im Denken und Handeln schafft. Wenn ich die Frage auf das konkrete Lebensumfeld beziehe, kann ich derzeit nur an jeden Bürger appellieren, diesen Geboten im Umgang mit den Menschen, die bei uns Zuflucht suchen, zu folgen.
Kriege werden im Namen des Glaubens geführt: Fürchten Sie, dass das ein Zusammenwirken auf lokaler Ebene erschwert?
Schulz: Es wäre naiv, anzunehmen, dass kriegerische Konflikte mit religiösem Hintergrund keine Auswirkungen auf unser Zusammenwirken im Mikrokosmos Hagen haben könnten. Wobei man schon genau hinsehen sollte, ob es sich bei diesen Konflikten immer um religiöse Differenzen handelt oder diese nicht vorgeschobene Gründe für andere politische Interessen sind. Ich sehe aber einen anderen Punkt als entscheidender an. Wenn schon wir in einem begrenzten Stadtgebilde es nicht schaffen, mehr Toleranz und gegenseitiges Verständnis aufzubringen und das Saatkorn des Friedens wachsen zu lassen, wie soll dies auf einer größeren, internationalen Ebene möglich sein?
Was bedeutet das für Hagen?
Schulz: Es sollte für uns einfacher sein, bei allen Unterschiedlichkeiten die Gemeinsamkeiten in den Vordergrund zu stellen. Ich möchte ein Beispiel nennen, das zwar keinen religiösen Hintergrund besitzt, meine Aussage aber eindrucksvoll unterstreicht: die städtepartnerschaftlichen Beziehungen zwischen Hagen und Smolensk sind so intensiv wie noch niemals zuvor und dass trotz (oder vielleicht gerade wegen) der Spannungen zwischen den Regierungen der beiden Länder.
Ist es angesichts der Unterschiede zwischen den Religionen überhaupt möglich, Hagener Glaubensgemeinschaften an einen Tisch zu bringen?
Schulz: Daran glaube ich fest, denn ich habe in zahlreichen Gesprächen und persönlichen Kontakten mit Vertretern der unterschiedlichen Glaubensgemeinschaften in den vergangenen Monaten den deutlichen Wunsch nach einem verstärkten Dialog vernommen. Zwei Punkte sind hier für mich entscheidend: die Bereitschaft zur Toleranz, also Unterschiede im religiösen Denken und Handeln zu akzeptieren, und das Vorhandensein gemeinsamer Ziele und Interessen.
Welche Rolle können Glaubensgemeinschaften künftig in Hagen spielen?
Schulz: Unsere Stadt wird in den kommenden Monaten und Jahren in unterschiedlichen Bereichen – im sozialen Zusammenleben, bei der Integration, im kulturellen Leben, bei der Stadtentwicklung oder bei der Förderung des hohen bürgerschaftlichen Engagements unserer Bürger – um nur einige Beispiele zu nennen – noch eine Reihe von Herausforderungen zu bewältigen haben. Dies geht nur gemeinsam – und hier kommt den Hagener Glaubensgemeinschaften eine herausragende Rolle zu. Sie können und sie sollen Brückenbauer sein. Dies hätte auch noch einen zweiten positiven Effekt. Wenn die Beteiligten es schaffen, ihre Gemeinsamkeiten und nicht das Trennende in den Vordergrund zu stellen, stellen sie einen ganz starken Gestaltungs- und Einflussfaktor in unserer Stadtgesellschaft dar. Eine einsame Stimme mag in der Menge verhallen, ein gemeinsamer Ruf wird dies nicht tun.
Welche Perspektive kann ein „Runder Tisch der Religionen“ haben?
Schulz: Der „Runde Tisch der Religionen“ hat das Potenzial, ein starker Motor unserer städtischen Weiterentwicklung zu sein. Er steht für Tugenden und Werte, die uns allen wichtig sein sollten, er integriert statt selektiert, er schafft Möglichkeiten für andere Formen bürgerschaftlichen Engagements, und er ist in der Lage, auch für „Entscheider“ in Politik und Verwaltung unbequeme Themen auf die Tagesordnung zu setzen.
Menschen im Fokus
„So glaubt Hagen“ hieß die Sommerserie der Stadtredaktion Hagen.
In insgesamt 20 Folgen hat unsere Zeitung Glaubensgemeinschaften und Gemeinden vorgestellt. Dabei standen Menschen im Fokus, die sich vor Ort engagieren.
Was bedeutet „Glaube“ für Sie persönlich?
Schulz: Glaube ist nach meinem Verständnis etwas sehr Privates. Ich sehe meine Berufung nicht darin, andere zu missionieren. Der Glaube ist für mich auf jeden Fall ein spirituelles Kraftfeld, welches mich beschützt und ermutigt, auch einmal neue Schritte und Wege zu gehen.