Hagen. 6200 Temposünder in den ersten fünf Tagen. Die Stadt Hagen überrascht von der Zahl der Geschwindigkeitsüberschreitungen.
Der neue Superblitzer an der A 45 bei Hagen ist auf dem besten Weg, zu einem Geldesel für die Stadt Hagen zu werden. In den ersten fünf Tagen nach der Inbetriebnahme vor der Großbaustelle Lennetalbrücke sind bereits 6200 Temposünder geblitzt worden. Als unrühmlicher Spitzenreiter entpuppte sich ein Pkw, der mit 160 Stundenkilometern unterwegs war. Auf Höhe der stationären Radaranlage sind nur 80 „Sachen“ erlaubt.
„Wir sind angesichts der Menge selbst überrascht“, sagt der Hagener Stadtsprecher Karsten-Thilo Raab. Schließlich weisen zwischen den Autobahnausfahrten Schwerte-Ergste und Hagen gleich drei Hinweisschilder mit der Aufschrift „Radar“ auf den neuen Superblitzer hin. „Und nach der ausführlichen Medienberichterstattung müsste eigentlich jeder im Umkreis von der Anlage wissen.“
Viel Betrieb in der Bußgeldstelle
Wie viel die Stadt Hagen durch die 6200 Temposünder bereits eingenommen hat, kann Raab noch nicht sagen. Die zuständige Bußgeldstelle sei dabei, die Fälle abzuarbeiten. „Auch für die Mitarbeiter ist das natürlich eine große Flut.“ Der überwiegende Teil der Temposünder habe die Geschwindigkeit „im niedrigen Bereich“ überschritten. Aber es gebe eben auch Ausreißer nach oben: „Einige sind offenbar unbelehrbar.“
Bei vielen Verkehrsteilnehmern freilich ist es eine Sache der Ignoranz, findet der Verkehrspsychologe Michael Haeser und zitiert den Dichter Christian Morgenstern: „weil nicht sein kann, was nicht sein darf“. Auch wenn Schilder mit der Aufschrift „Radar“ auf eine neue Situation hinweisen, überwiege häufig die im Kopf verfestigte Auffassung: „Hier war noch nie ein Blitzer, also ist hier auch weiter keiner.“
Dass der Mensch ein Gewohnheitstier sei, zeige sich vergleichbar auch bei neu ausgeflaggten Einbahnstraßen. „Wer zuvor regelmäßig diese Straße benutzt hat, läuft Gefahr, sie in verkehrter Richtung zu befahren.“
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Haeser erinnert sich an die Inbetriebnahme des Rheinufertunnels in Düsseldorf. Als im Oktober 2009 die Blitzanlage scharf gestellt wurde - nach einer wochenlangen medialen Vorberichterstattung und trotz eines Hinweisschildes vor der Anlage - wurden in der ersten Nacht gleich Pkw in dreistelliger Zahl mit überhöhter Geschwindigkeit ertappt. Mutmaßlich saßen viele Ortskundige auf dem Fahrersitz.
Mutmaßlich auch jetzt auf der Sauerlandlinie bei Hagen. „Es ist wahrscheinlicher, dass Ortsansässige an einer neuen Anlage geblitzt werden als ortsfremde Verkehrsteilnehmer“, sagt Psychologe Haeser. Menschen, die gewöhnlich die Stelle passieren, Menschen, die im Berufsverkehr sind „und einfach nur zu ihrem Arbeitsplatz wollen“ .
Leicht gelbliche Blitze
Erst wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist, in diesem Fall: die neue Anlage vor der Lennetalbrücke leicht gelbliche Blitze auslöst, werde erfahrungsgemäß eine stattliche Zahl von ertappten Temposündern „bekehrt“. Haeser: „Bei einer relativ großen Gruppe von Verkehrsteilnehmern ist nach dem ersten Bußgeld die Wiederholungsgefahr an der betreffenden Blitzer-Stelle gering.“
Dann endlich weiß der Mensch, dieses Gewohnheitstier, dass er an der A 45 bei Hagen, Fahrtrichtung Frankfurt, nur mit Tempo 80 unterwegs sein darf. Auch wenn es vorher anders war.