Hagen. Der Hagener Journalist Andy Spyra ist seit sieben Jahren in Kriegs- und Krisenregionen unterwegs. Dort traf er Menschen, die auf der Flucht waren.
In einem Regal liegen Soldaten-Helm und Splitterschutzweste. Die Aufschrift „Press“, also Presse, soll dem Berichterstatter in Krisengebieten einen gewissen Schutz geben. „Es gibt aber Orte, da bewirkt eine solche Weste das genaue Gegenteil – man wird zum Entführungsziel“, sagt Andy Spyra. Der 31-jährige Hagener ist freier Fotograf. Seit sieben Jahren ist er in den Krisen- und Kriegsgebieten dieser Welt unterwegs. Im Rahmen unserer Fluchtpunkte-Serie berichtet Spyra über seinen Begegnungen mit denjenigen, die ihre Heimat verlassen.
Die Menschen wollen einfach nur weg
Andy Spyra war im Nahen Osten unterwegs, in Afghanistan, auf dem Balkan und in den IS-unterwanderten afrikanischen Gebieten. In einem gesonderten Projekt hat er die Lage der Christen in Syrien, im Irak und in Teilen Ägyptens betrachtet. „Dort“, so sagt er, „findet seit Jahren ein Exodus statt. Wer es irgendwie einrichten kann, verlässt die Region. Die Länder bluten intellektuell aus.“ Bei unzähligen Gelegenheiten ist der Journalist auf Menschen getroffen, die einfach nur weg wollten. Millionen seien das, die sich erst einmal innerhalb des Iraks auf den Weg in die kurdischen Gebiete machen würden, um später Richtung Türkei, Jordanien oder den Libanon zu fliehen.
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Spyras Freund Salam, ein studierter Übersetzer, hatte es bis nach Ankara geschafft. Dort wartete er Monate auf die Anerkennung als Flüchtling. Arbeiten durfte der 30-Jährige nicht. Das ist Flüchtlingen nicht gestattet. Und so warten sie auf eine Ausreisegenehmigung, schlagen sich mit Schwarzarbeit durch, betteln und verbrauchen das zurückgelegte Geld. Jahre könne das dauern, weiß der Journalist. Sein Freund kehrte nach Monaten in der Türkei wieder zurück in den Irak, als seine finanziellen Reserven aufgebraucht waren. „In das Land seiner Väter, das aber keine Heimat mehr ist“, erzählt Spyra. Und weiter: „Faktisch existiert so etwas wie Staat in Syrien oder dem Irak nicht mehr.“ Jegliches Vertrauen sei in den Kriegs-Jahrzehnten verloren gegangen. „Die Menschen sind traumatisiert, sie haben kein Gefühl für Heimat oder Staat. Die Flucht ist in diesem Zusammenhang der einzige Ausweg.“
Und wie haben diese Erfahrungen den Hagener selbst verändert? „Natürlich ist man nach diesen Auslandsreisen nicht mehr derselbe Mensch“, sagt Spyra. Er habe erst lernen müssen, mit dem Erlebten professionell umzugehen: „Am Anfang willst du Brunnen bohren oder Schulen bauen. Mit der Zeit aber wird dir klar, dass dies nicht unsere journalistische Aufgabe ist.“ Trotzdem gehen die Begegnungen unter die Haut. Erst in der letzten Woche hat der 31-Jährige mit afghanischen Flüchtlingen gearbeitet, die in Bayern angekommen waren. „Das waren Jungs im Alter zwischen 16 und 18 Jahren, deren Flucht nach Deutschland zum Teil bis zu zwei Jahre gedauert hat. Zwei Jahre, in denen sie durch die Hölle gegangen sind.“
Begegnungen, die unter die Haut gehen
Deutschland bedeutet für Viele Freiheit
Spyra ist bewusst, dass die Erfahrungen, die diese Jungs gemacht haben, für die Menschen in Westeuropa schlicht unvorstellbar sind. Dazu kämen Verständigungsschwierigkeiten und kulturelle Hürden, die eine Integration erschweren. Deshalb hat der Journalist auch größtes Verständnis für Probleme und Vorurteile in diesem Zusammenhang. „Wer Vorbehalte hat, muss kein Ignorant sein. Vielfach zeigt sich nur, wie wenig wir mit diesen Flüchtlingen zu tun haben“, sagt der Fotograf.
Für ihn selbst haben sich die Wertigkeiten verschoben. „Wenn ich von einer solchen Reise zurückkomme, fühle ich mich hier wie in Watte gepackt. Umso mehr genieße ich die Freiheit und die Sicherheit, die ganz viel zu tun haben mit Deutschland und meinem deutschen Pass.“