Hagen. . Filmmusik hat längst Konzertrang. Das beweisen die Hagener Philharmoniker mit einem gefeierten Programm von Nino Rota bis Ennio Morricone.
Das Ohr muss überzeugt werden, nicht das Auge. Autohersteller machen sich das zunutze. Beim Klang eines Porsche-Auspuffs ist zum Beispiel nichts dem Zufall überlassen. Aber seit der Erfindung des Kinos zieht diese Tatsache auch seriöse Komponisten in ihren Bann. Wie aufregend und spannend Filmmusik im Sinfoniekonzert sein kann, zeigen die Hagener Philharmoniker unter Prof. Florian Ludwig jetzt zum Spielzeitschluss. Zwischen „Der Pate“ und „Zwei glorreiche Halunken“ hat das glänzend aufgelegte Orchester ebensoviel Spaß wie das begeisterte Publikum.
Mit Pauken und Trompeten
Beim Konzert kam es zu einem medizinischen Notfall. Eine Besucherin erlitt eine Herzkreislaufstörung, konnte aber dank der anwesenden Sanitäter und Ärzte versorgt werden. Es geht ihr wieder gut.
Erst durch Musik werden Emotionen, Bedrohungen und die verborgenen Beziehungen der Darsteller zueinander auf der Leinwand sichtbar. Wenn der große Zampano in Nino Rotas „La Strada“ einmarschiert, ist es das Schlagzeug, das ihn als rohen Gesellen charakterisiert. Und wenn der Kojote in „Zwei glorreiche Halunken“ heult, sieht man die gottverlassene Ödnis der Wüste schon vor dem inneren Auge, noch bevor sie auftaucht.
Diese Fähigkeit, musikalische Bilder zu erzeugen, macht eine gute Filmmusik aus. Und die beiden weltberühmten Italiener Nino Rota (1911 – 1979) und Ennio Morricone (geb. 1928) schaffen das mit ganz unterschiedlichen Mitteln.
Auch interessant
Rota, hochverehrter Direktor des Konservatoriums von Bari, begreift seine Arbeit als sinfonische Herausforderung. Für ihn ist das Kino die Erweiterung der Oper in die Moderne. Wie im Musiktheater stattet er seine Figuren mit Leitmotiven aus, die im Verlauf verarbeitet werden. Am Beispiel des Zampano-Themas machen die Hagener Philharmoniker das schön hörbar. Zum Beginn trumpft es mit Pauken und Trompeten auf. Am Ende, nachdem Zampano den Clown getötet und Gelsomina in die Psychose getrieben hat, zerbricht die Zirkusmelodie in den tiefen Bläsern. Nino Rota orchestriert Seelenzustände, und Florian Ludwig integriert mit eleganter Hand die unterschiedlichsten Stile.
Da an den Pulten der Philharmoniker hervorragende Musiker sitzen, werden die Solostellen zu lebendigen „Stimmen“, etwa die ergreifende Violinmelodie (Shotaro Kageyama) des Clowns und Gabriels Oboensolo aus „The Mission“, das Andreas Mirschel mit zarter Intensität gestaltet.
Klapperschlange und Kojote
Dimitri Terzakis (geb. 1938), in dieser Spielzeit Komponist für Hagen, hält eigentlich nichts von Filmmusik, wie er im Programmheft erläutert. Dennoch hat er die „Musik zu einem imaginären Film“ als Auftragswerk für Hagen geschrieben. Die Uraufführung besticht durch attraktive Instrumentierungsdetails, aber sie kann in der Bildmacht keineswegs gegen Rota und Morricone bestehen.
Der Vorwurf, Filmmusik sei Gebrauchsmusik, schwingt erstaunlicherweise bis heute im Urteil der Zunft mit. Dabei hat Ennio Morricone als avantgardistischer Neutöner seine Laufbahn begonnen, bevor er in der Zusammenarbeit mit Sergio Leone Musikgeschichte schrieb. In „Spiel mir das Lied vom Tod“ hat übrigens der Regisseur den Film nach der Partitur gedreht, nicht umgekehrt. Morricone bringt gegenüber Rota neue Farben ins Spiel.
Wo der Landsmann orchestriert, psychologisiert er, indem er mit ungewöhnlichen Geräuschen arbeitet - wie dem Rasseln einer Klapperschlange, das die Schlagzeuger mit dem Vibraslap imitieren. Zeit-, Raum- und Gefühlsebenen überschneiden sich dabei. Wenn die Hörner ganz unerwartet die Melodie der Mundharmonika (Berthold Matschat) übernehmen, entsteht unsagbare Bedrohung. Für die dauerhafte Qualität dieser Klangwelten spricht, dass sie auch ohne Leinwand im Konzertsaal funktionieren.
Das Konzert wird am 2. Juli, 20.05 Uhr, auf WDR3 übertragen.