Hagen. . Schon 500 Führungen sind gebucht – das gab's in den Hagener Museen noch nie. Die Hundertwasser-Schau beschert der Stadt einem Besucher-Ansturm.
Tayfun Belgin hat kaum Zeit für ein paar Worte. Der Hagener Museumsdirektor muss dringend zur nächsten Führung. Im Foyer drängen sich schon die Gruppen, erstmals in der Geschichte des ehrwürdigen Osthaus-Kunsttempels muss vor den Kassen ein Personenleitsystem installiert werden. Dr. Belgin ist außer Atem, aber glücklich. „Jeder kennt Hundertwasser. Die Leute lieben Hundertwasser!“
Die Ausstellung „Friedensreich Hundertwasser. Lebenslinien“ sorgt für Trubel in dem sonst so stillen Museum, das international einen hervorragenden Ruf genießt, allerdings mit den populären Krachern der Konkurrenz aus finanziellen Gründen längst nicht mehr mithalten kann. Doch rund 16 000 Gäste hat Hundertwasser bereits nach Hagen gelockt.
Hagen zeigt "den ganzen Hundertwasser"
„Große Namen ziehen“, betont Dr. Tayfun Belgin, „und hier kommt dazu, dass wir den ganzen Hundertwasser zeigen, nicht nur Teile des Werks, und dass unsere Inszenierung der Ausstellung sehr gut ankommt.“ Mit farbigen Wänden setzt das Osthaus 130 Exponate in Szene. Es funktioniert. Die Landfrauen aus Arolsen waren schon da, aktuell steht ein Bus aus Viersen vor der Tür, „Der Museumsshop wird wahnsinnig, weil die Leute kaufen und kaufen“, stöhnt Belgin im Spaß.
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Mit vielen Neuerungen begegnen der Museumsleiter und sein Team dem Ansturm. Sondergarderoben müssen aufgestellt werden, und es gibt Sonderöffnungszeiten. „Bis jetzt sind 500 Führungen gebucht, erstmals in der Geschichte in Hagen. Die Schulklassen kommen deshalb schon montags“, bilanziert Belgin. Das ist der heilige Ruhetag in deutschen Museen. „Wir denken darüber nach, ob wir den Montag zur Gänze öffnen; das muss noch mit der Verwaltungsspitze abgestimmt werden.“ Das Museum hat neue Audioführer angeschafft, so dass mehrere Gruppen parallel eingelassen werden können.
„Die Besucher merken, dass dieser Künstler der Menschheit viel zu sagen hatte“, versucht Belgin, die Anziehung zu erklären. „Die Menschen suchen in Ausstellungen das Gegenteil von dem, was sie selbst in ihrem Leben ausfüllen, das Revolutionäre, das Freie, das Märchenhafte. Bei Hundertwasser sind Bilder, Grafik, Architekturmodelle, Philosophie aus einem Guss, es ist ein Kosmos. Das ist etwas, was die Leute begeistert, weil sie es in dieser Direktheit nicht erfahren haben.“
Ab 50.000 Gästen rechnet es sich
Auf 400 000 Euro beläuft sich der Gesamtetat der Schau, das ist viel Geld für ein kleines Museum in einer finanziell angeschlagenen Stadt. Aus Mangel an Mitteln konnte das Osthaus vor zwei Jahren nicht einmal die große Van-de-Velde-Jubiläumsausstellung neben Weimar und Brüssel zeigen, obwohl es einen bedeutenden Teil der Exponate beigesteuert hat. Ab 50 000 Besuchern spielt das Hundertwasser-Projekt seinen Vorschuss wieder ein, und Belgin ist zuversichtlich, dass diese Zahl bis zum 10. Mai weit überschritten wird. Im Budget steckt erstmals sogar Geld für eine Marketingkampagne.
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So können Interessenten ein Übernachtungspaket buchen, das Westfalenbad kooperiert mit „Eintauchen in Hundertwasser“, in den Bussen wird plakatiert. Und vor allem gibt es begleitend ein umfangreiches museumspädagogisches Programm. Workshops, Entdeckungstouren, Feierabend-Führungen, Foto-Exkursionen, das Haus fährt an Vermittlungskompetenz auf, was sonst nur in den Metropolen zu haben ist. Für Kinder gibt es eigene Aktionen. „Die sind wahnsinnig gefragt. Das läuft auf breiter Front wie geschnitten Brot“, freut sich Belgin.
Stellt sich also die Frage: Welches Rezept macht eine Ausstellung zum Renner? Die großen Namen kann Hagen sich nicht leisten. „Wenn wir jetzt Dali machen würden, würden die Leute kommen, aber dann bräuchte man drei Millionen. Wie wird eine Ausstellung erfolgreich? In dem man die Bedürfnisse der Menschen nach dem Anderen anspricht“, sagt Tayfun Belgin und ergänzt „Ein bisschen Glück muss man auch haben.“