Hagen. . Die Hagener Bundestagsabgeordnete Cemile Giousouf (CDU) über ihre umstrittenen Aussagen zu einer Schulbuch-Karikatur des türkischen Präsidenten.

Ein gutes Jahr sitzt Cemile Giousouf für Hagen im Bundestag — als erste Muslima der CDU-Fraktion. Seitdem hat sie auch für Aufreger gesorgt: Unter anderem wegen ihrer Kritik an einer Karikatur in einem baden-württembergischen Schulbuch, auf der der türkische Präsident Racip Tayyip Erdogan als Kettenhund dargestellt wird. Aber auch wegen eines Fotos, dass sie vor der CDU-Kreisgeschäftsstelle mit Mitgliedern einer der Mili-Görüs-Bewegung nahestehenden muslimische Gemeinde zeigt.

Frage: Ihre Kritik an einer Karikatur, in der auch der türkische Präsident Erdogan vorkommt, hat für Diskussionen gesorgt. Mit ein wenig Abstand: Bereuen Sie Ihre Worte am Ende des Jahres?

Cemile Giousouf: Es war nie mein Anliegen, Erdogan zu unterstützen. Es gibt viel zu kritisieren an seiner Politik, und das habe ich auch schon oft getan. Es ging mir um etwas ganz anderes. Vielleicht muss ich ein wenig ausholen, um das zu erklären. Obwohl ich in Deutschland geboren bin, bin ich durch die Herkunft meiner Eltern als türkische Minderheit in Griechenland in meiner Kindheit geprägt von dem Konflikt zwischen Griechen und Türken. Bereits in Schulbüchern wurde damals Stimmung gegen die jeweils andere Nation gemacht und Hass über Generationen an die Kinder weitergegeben. Insofern war meine Kritik an der Karikatur in einem Schulbuch auch eine sehr starke persönliche Reaktion.

Sie fühlen sich missverstanden?

Nein, das will ich nicht sagen. Vielmehr sage ich selbstkritisch: Ich hätte besser kommunizieren müssen, was mein Punkt ist.

Und der wäre?

Es geht mir nicht um die Kritik an Erdogan, es geht mir allein um die Abbildung in einem Schulbuch. Ausgangspunkt war die Beschwerde von Schülern. Wenn sich Kinder von so einer Karikatur betroffen fühlen und diese ohne Erklärung in einem Schulbuch auftaucht, finde ich es falsch. Und noch einmal: Ich kritisiere nicht, wenn solch eine Karikatur in einer Zeitung abgebildet wird. Die Presse -und Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut.

Nur kurz danach haben sie erneut für Schlagzeilen gesorgt: Sie haben in der CDU-Kreisgeschäftsstelle eine Gruppe empfangen, die der IGMG, der ein mangelndes Demokratieverständnis vorgeworfen wird, nahe stehen soll. Ein Fehler?

Ich habe Verständnis, wenn Menschen irritiert sind. Ich habe dieses Gespräch nicht im Namen der Partei oder als stellvertretende Kreisvorsitzende geführt, sondern als Bundestagsabgeordnete in meinem Wahlkreisbüro, das im Haus der Kreisgeschäftsstelle liegt. Mir war es wichtig, ein Gespräch mit Mitgliedern der Gemeinde zu führen, die durch Anschläge auf die Moschee in Bielefeld betroffen waren. Davor hatte ich auch andere Moscheen, eine Synagoge in Wuppertal und eine koptische Kirche in Berlin besucht, die Opfer von Anschlägen waren.

War es trotzdem unsensibel, gerade diese Gruppe zu empfangen?

Wenn der Vizekanzler und SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel nach dem Anschlag eine IGMG Moschee in Berlin besuchen kann, ist das offensichtlich kein Problem. Wenn ich das tue anscheinend schon. Die Frage ist doch, warum es bei Politikern mit Zuwanderungsgeschichte zu einer anderen Bewertung kommt. Es tut mir aber tatsächlich leid, wenn CDU-Mitglieder durch das Bild irritiert worden sind. Wir müssen aber offen über solche Themen und solche Bedenken sprechen. Noch mal: Mir ging es nur um Solidarität nach einem Übergriff auf die Moschee. Und mir ging es um die Menschen muslimischen Glaubens, die verunsichert sind. Es ist mir wichtig, dass Gotteshäuser gleich welcher Religion nicht Ziel von Angriffen werden dürfen und wir hier klar Position beziehen.

Trotzdem lädt das Bild zur Kritik geradezu ein: eine muslimische Gruppe, bei der die Frauen separat auf einer Seite mit Kopftuch stehen, und das Ganze vor der CDU-Kreisgeschäftsstelle - das muss doch Protest von CDU’lern provozieren.

Ich weiß um die Symbolkraft eines solchen Fotos. Dass das zu Irritationen geführt hat, bedauere ich durchaus. Mir ging es lediglich um die Anschläge. Darüber hinaus gibt es keine Zusammenarbeit mit der IGMG. Nach meinem persönlichen Islamverständnis ist eine strikte Trennung von Männern und Frauen nicht erforderlich. Ich selbst teile nicht das Weltbild der IGMG.

Sind die Karikatur-Kritik und das Foto mit der muslimischen Gruppe auch im Kreisvorstand der CDU diskutiert worden?

Wir haben das Thema Karikaturen kurz im Kreisvorstand diskutiert. Weitere Diskussionen werden folgen. Ich habe jedem das Angebot gemacht, mit mir persönlich zu reden, um meine Absicht verstehen zu können. Ich bin für die Parteimitglieder, aber auch für alle anderen Bürger ansprechbar – ob in der Sprechstunde bei Veranstaltungen oder per E-Mail. Ich plane auch, eine Veranstaltung zum Thema „muslimische Organisationen“.

Integration ist ihr großes Thema. Überfordern Sie damit bisweilen die Hagener Bevölkerung?

Ja, das will ich durchaus selbstkritisch sagen: Es mag sein, dass ich die Menschen in den vergangenen Monaten auch ein Stück weit überfordert habe. Aber ich merke auch, dass es in der Hagener Bevölkerung mit ihrem hohen Migrantenanteil noch sehr wenig Wissen über den jeweils anderen gibt. Wir müssen an diesem interkulturellen Verständnis noch mehr arbeiten. Vielleicht führt die Kritik an mir auch dazu, dass sich in diesem Feld etwas bewegt.

Sie sind muslimischen Glaubens, aber von Geburt an mit dem Weihnachtsfest vertraut: Wie haben Sie in diesem Jahr gefeiert?

Wir feiern Weihnachten nicht mit meinen Eltern, aber ich habe bisher oft Weihnachten gefeiert. Dieses Jahr war ich wieder bei Freunden eingeladen. Es gab Gans, Geschenke unterm Weihnachtsbaum. Es war sehr schön, sehr familiär.