Hagen. . Mitarbeiter im Dienstleistungssektor leiden zunehmend unter persönlichen Attacken von schwierigen Kunden. Arbeitspsychologin Dr. Silke Surma untersucht psychische Verletzungen.

In Arbeitsagenturen oder Jobcentern ist das Problembewusstsein vorhanden, nicht nur wegen spektakulärer Bluttaten wie Anfang des Monats in Rothenburg ob der Tauber: Schwierige Kunden sind eine Gefahr, vor der Mitarbeiter geschützt werden müssen. Und dabei geht es nicht nur um physische Gewalt. „Beleidigungen, Beschimpfungen und Bedrohungen werden als psychisch sehr belastend empfunden“, hat Silke Surma festgestellt.

Die Arbeits- und Gesundheitspsychologin hat vor drei Jahren in ihrer Dissertation an der Fernuniversität Hagen die Probleme von Mitarbeitern eines Bürgeramtes analysiert. Nun, als wissenschaftliche Mitarbeiterin der Uni Wuppertal, will sie sich schwierige Kundenkontakte in allen Dienstleistungsbranchen vornehmen und dazu Mitarbeiter in unteren Hierarchieebenen befragen.

„Kunden lassen ihren Frust vermehrt an Mitarbeitern aus“, hat Surma beobachtet. Es komme immer häufiger zu Beleidigungen, Demütigungen und Gewaltübergriffen. „Vielfach hängt das damit zusammen, dass Organisationen mit Versprechungen um Kunden werden, die dann die Mitarbeiter nicht erfüllen können.“ Weil die Qualität der Produkte nicht ausreicht. Oder die Zahl der Mitarbeiter. „Wartezeiten sind ein Problem.“

Demütigungen und sexuelle Anspielungen

Es soll um Zugbegleiter gehen und um Friseurinnen, um Gastronomie, Verkauf oder Pflege. Um Beleidigungen, Anschreien, Demütigungen, körperliche Übergriffe und sexuelle Anspielungen. Um persönliche Attacken, die zu psychischen Verletzungen führen. „Arbeitgeber wissen oft nicht, dass sie in der Pflicht sind, etwas zu tun“, sagt Silke Surma, „das neue Arbeitsschutzgesetz sieht inzwischen auch psychische Gefährdungsanalysen vor“. Aber häufig seien die Mitarbeiter alleingelassen mit ihren Problemen, es fehlten Ansprechpartner.

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Wird alles immer schlimmer, oder sind wir nur sensibler geworden? „Die wachsenden Probleme hängen mit der Ausweitung der Dienstleistungsgesellschaft zusammen“, meint die Arbeitspsychologin. Die Anforderung, Gefühle zu zeigen (lächeln, Freundlichkeit), die nicht den wirklichen entsprechen, sei ein Grund-Stressfaktor. Dazu steige die Erwartungshaltung, zudem tendierten Kunden dazu, Menschen nur als Funktion zu behandeln, wie eine Sache. Und während beispielsweise Flugbegleiterinnen auf schwierige Situationen gezielt vorbereitet würden und auch Zugbegleiter ein Deeskalationstraining erhielten, gebe es für viele Dienstleistungsmitarbeiter weder vorbereitende Hilfen noch Rückendeckung im Konfliktfall.

Aber so ganz genau weiß sie das nicht. Ihre Studie soll genau dazu dienen, die Lücken der wissenschaftlichen Erkenntnis auszufüllen: Wie oft gibt es Probleme? Welche Branchen sind besonders betroffen? Wie bewältigen Mitarbeiter kritische Situationen? Als wie belastend werden sie empfunden? Wie ist der kollegiale Zusammenhalt? Was tun Arbeitgeber?

Schwierige Kunden sind psychische Belastung

„Der Umgang mit Menschen ist es, der den Mitarbeitern in der Dienstleistungsbranche am meisten Spaß macht“, hat die Wissenschaftlerin erfahren. „Zugleich sind schwierige Kunden die größte Belastung.“ Verständnis für Kunden-Frust hat Surma: „Die Frage ist nur, wie man seinen Ärger verbalisiert. Häufig wäre es sinnvoller, die Führungsebene anzusprechen.“