Hagen/Schwelm. . Rettungskräfte handeln derzeit oft in einer rechtlichen Grauzone. Die Reform der Ausbildung soll auch das ändern. Manche Ärzte sind deshalb besorgt. Sie befürchten „den Einstieg in ein notarztfreies präklinisches Rettungssystem“.

Drei Jahre Ausbildung statt zwei, „natürlich klingt das vernünftig“, sagt Jutta-Schürmann-Lipsch. Beim Rettungsassistenten handele es sich schließlich um einen „relativ verantwortungsvollen Beruf“, sagt die Ärztliche Leiterin der Rettungsdienste im Märkischen Kreis, eine längere, intensivere Ausbildung „hilft auch den Patienten“. Und dennoch, die Skepsis überwiegt bei Schürmann-Lipsch, was die geplante Reform der Ausbildung des Rettungsassistenten betrifft, der in Zukunft Notfallsanitäter heißt.

Und nach dem Willen der Bundesregierung Dinge tun soll, die er bislang nur in Ausnahmefällen tun darf, im Notfall. Der Gesetzentwurf, der im Dezember durch das Kabinett ging und vor wenigen Tagen in der Expertenanhörung im Bundestag war, erlaubt Notfallsanitätern das „Durchführen angemessener medizinischer Maßnahmen der Erstversorgung ..., dabei Anwenden von ... invasiven Maßnahmen“. Was nichts anderes heißt als: Auch der Assistent darf Medikamente spritzen, jedenfalls „wenn ein lebensgefährlicher Zustand vorliegt oder wesentliche Folgeschäden zu erwarten sind“.

Die Bundesärztekammer ist ob solcher Formulierungen alarmiert, sie befürchtet „den Einstieg in ein notarztfreies präklinisches Rettungssystem“. Schürmann-Lipsch sieht zudem praktische Probleme: „Es wird schwierig, die alle zu schulen“, sagt sie. Die Ärztlichen Leiter in den Kreisen geben jedes Medikament einzeln frei, das die Rettungsassistenten verabreichen dürfen, Schürmann-Lipsch handhabt das sehr restriktiv, genau drei Medikamenten hat sie - oder genauer: ihr Vorgänger - freigegeben.

Ordentlicher Ausbildungsberuf

Auch im Ennepe-Ruhr-Kreis sind es nur „eine Handvoll Medikamente“, mit denen die Rettungsassistenten hantieren dürfen. Der dortige Ärztliche Rettungsdienst-Leiter Michael Laubmeister begrüßt die geplante Reform jedoch „sehr deutlich“. Sie bringe eine Aufwertung des Berufs, eine bessere Ausbildung und mehr Rechtssicherheit für die Rettungskräfte. Im Moment agierten die Rettungsassistenten in einer rechtlichen Grauzone, wenn sie etwa einem Patienten Adrenalin zur Wiederbelebung verabreichen. Die Bundesärztekammer hat das „Notkompetenz“ genannt: ein Arzt ist (noch) nicht da, der Patient aber droht zu sterben - dann dürfen Rettungsassistenten tun, was sonst nur Ärzte dürfen. Rechtlich geregelt ist die Notkompetenz nicht, sie ist nur eine in der Praxis oft verfolgte Empfehlung.

„Entweder man ist kompetent, oder man ist nicht kompetent“, sagt dazu Walter Hückelheim, „aber nur in der Not kompetent - was ist das?“ Hückelheim ist seit 28 Jahren Rettungsassistent an der Rettungswache in Brilon, seit 12 Jahren bildet er auch Rettungskräfte aus. Die Reform der Rettungskräfte-Ausbildung befürwortet er, „natürlich“, eben auch, weil sie ihm und seinen Kollegen künftig einen „rechtlich etwas besseren Status“ bieten werde. Außerdem würde der Notfallsanitäter dann ein ordentlicher Ausbildungsberuf. Bislang bezahlen viele Rettungsassistenten ihre einjährige schulische Ausbildung selbst, wenn sie nicht gerade bei der Feuerwehr beschäftigt sind.

Dass mit Hilfe des Notfallsanitäters künftig Notärzte eingespart werden könnten, fürchten weder der Rettungsassistent Hückelheim noch der Arzt Laubmeister. „Es geht doch hier um überbrückende Maßnahmen bis zum Eintreffen des Notarztes“, betonen beide. Im Ennepe-Ruhr-Kreis gab es 2012 etwa 28.000 Rettungswagen-Einsätze, 11.500 kam auch ein Notarzt dazu. Ob der erforderlich sei, bestimme die Leitstelle, sagt Laubmeister, natürlich aber könne es dort auch einmal zu einer Fehleinschätzung kommen. Oder alle Notärzte sind gerade im Einsatz. Patienten dürfe man dann nicht allein lassen. „Wir bekommen mit der Reform nicht Notärzte light, sondern besser ausgebildete Rettungskräfte“, ist sich Laubmeister sicher.