Schwelm/Gevelsberg/Ennepetal. Christoph Neuhaus (41) und Isabell Kircher (29) sind die beiden Pressesprecher der Polizei im Ennepe-Ruhr-Kreis – ein Job, der alles abverlangt.

Mord, Totschlag, Razzien – wenn im Ennepe-Ruhr-Kreis Verbrecher ihr Unwesen treiben, wissen die Kölnerin Isabell Kircher (29) und der Iserlohner Christoph Neuhaus (41) so ziemlich als Erste darüber Bescheid. Die beiden sind für die Öffentlichkeitsarbeit der Kreispolizeibehörde Ennepe-Ruhr zuständig und sprechen im Interview darüber, wie schön und gleichzeitig schwierig es ist, Gesicht und Sprachrohr für die Polizei zu sein, wie sie das Image der EN-Behörde in eine digitale Gegenwart tragen und warum sie sich ausgerechnet für diesen Job entschieden haben. Denn: Sowohl der Polizeihauptkommissar als auch die studierte Sportjournalistin kommen eigentlich aus ganz anderen Bereichen.

Frage: Warum braucht eine Polizeibehörde überhaupt eine gute Öffentlichkeitsarbeit?

Isabell Kircher: Zunächst einmal ist es unser Auftrag, die Bürgerinnen und Bürger aus erster Hand zu informieren. Wir sollten das als Polizei stets auch als Chance begreifen, unsere Leistung zu zeigen, aber auch präventiv zu arbeiten.
Christoph Neuhaus: Wir sind im Vergleich zu anderen Behörden echt mini, wollen das aber so nutzen, dass wir schnell und sehr bürgernah informieren. Wir beide sind vom Grundsatz her recht gleich: sehr aktiv, eloquent, vorpreschend und daran interessiert, Dinge zu verändern und zu verbessern.

Sie stehen sehr in der Öffentlichkeit, ihre Fotos und Zitate werden in Zeitungen und im Internet veröffentlicht, sie sprechen in Fernsehkameras und Radio-Mikrofone. Wie haben sie das Rüstzeug für diesen Job erlangt?

Christoph Neuhaus: Ich habe 2004 bei der Polizei angefangen, bin direkt nach dem Studium in den Ennepe-Ruhr-Kreis gekommen und diesem immer treu geblieben. Ich haben zwölf Jahre im Wach- und Wechseldienst gearbeitet, dann im Innendienst, zuletzt war ich in der Führungsstelle für Gefahrenabwehr, wo ich unter anderem für Sondereinsätze und Ad-hoc-Lagen zuständig gewesen bin. Als meine Vorgängerin Sonja Wever sich beruflich verändern wollte, war ich sofort total interessiert an dem Job. Es ist noch einmal etwas vollkommen anderes.
Isabell Kircher: Ich komme ursprünglich aus einem Kaff in Nordhessen, habe nach meinem Abi an der Sporthochschule in Köln Sportjournalismus studiert. Ich habe zunächst in einer Sporteventagentur Veranstaltungen organisiert – und dann kam Corona. Von jetzt auf gleich hatte ich plötzlich keine Perspektive mehr, obwohl ich beruflich erst ganz am Anfang stand. Damit kam ich nicht gut zurecht. Durch Zufall bin ich auf die offene Stelle gestoßen. Mehrere aus meinem Familienumfeld waren und sind bei der Polizei. Und ich dachte: Das passt!

Ohne Ausbildung bei der Polizei – wie sind sie überhaupt angestellt?

Isabell Kircher: Als Regierungsbeschäftigte bin ich seit Mai 2021 in Schwelm. Diese Stellen sind vor allem in der Öffentlichkeitsarbeit in jeder Behörde geschaffen worden, weil die Polizei sich an dieser Stelle Expertise von außen einkaufen will. Den Beamtenstatus kann ich allerdings auch durch Fortbildungen nicht erreichen. Es ist schwierig, aus der freien Wirtschaft in eine Behörde zu kommen. Ich bin hier aber sehr gut aufgenommen worden, bin hier hineingewachsen.

Herr Neuhaus – von der anderen Seite aus betrachtet – was lernen Sie von der Kollegin aus der Wirtschaft?

Christoph Neuhaus: Vor allem, Dinge lebhafter zu schreiben. Als Polizist mit langer Diensterfahrung ist man sehr in der förmlichen Polizeisprache gefangen. Anzeigentexte sind eben immer sehr förmlich. Außerdem tauschen wir uns sehr intensiv dazu aus, welche Themen spannend sein könnten und welche nicht.

Dabei geht Ihre Arbeit über Pressemeldungen hinaus. Sie sind als Behörde auf Facebook und Instagram vertreten, wo die Menschen oft ihre Kritik ungefiltert abladen. Wie stehen Sie zu den sozialen Medien?

Isabell Kircher: Vor allem behördenintern müssen wir dafür werben, dass es wichtig ist, diese Kanäle zu bedienen. Natürlich gibt es auch unnötige Kommentare oder Angriffe der Menschen, aber generell werden unsere Auftritte gut angenommen.
Christoph Neuhaus: Die Diskussionen, die es immer schon auf den Leserbriefseiten der Zeitungen gegeben hat, finden nun eben auch hier statt. Ich sehe soziale Medien als große Chance, denn wir sind viel schneller bei den Menschen als früher, können selbst agieren. Generell läuft es auf unseren Accounts aber recht human ab.

Doch auch in der realen Welt steht Polizeiarbeit immer wieder in der Kritik. Passiert das im Ennepe-Ruhr-Kreis, sind Sie beide gefordert. Wie gehen Sie damit um, auch ein Stück weit in der Schusslinie zu stehen?

Christoph Neuhaus: Ich bin der festen Überzeugung, dass es immer schon Aggressionen an Einsatzorten gegeben hat. Wir leben aber durch das ständige Filmen mit Smartphones in einer Zeit, in der Uniformträger generell extrem im Fokus stehen. Das ist allgegenwärtig und nicht unproblematisch, weil diese Teilausschnitte oft aus dem Kontext gerissen sind, dennoch dazu beitragen, eine öffentliche Meinung zu bilden. Dazu kommt, dass wir nicht immer alles preisgeben dürfen, zum Beispiel weil Informationen aus ermittlungstaktischen Gründen – weil sie beispielsweise Täterwissen sind – noch nicht an die Öffentlichkeit gelangen sollen.
Isabell Kircher: Das war für mich am Anfang nicht einfach, so viel zu wissen und oft nicht sagen zu dürfen. Permanent rufen Menschen bei uns an und möchten Informationen, die wir ihnen möglicherweise nicht geben dürfen. Da kommt auch Kritik auf und wir geraten selbst in die Öffentlichkeit. Ich musste lernen, damit umzugehen. Es braucht viel intrinsische Motivation, um so etwas wie das Gesicht der Polizei zu sein. Wir berichten schließlich zu 80 bis 90 Prozent über nichts Gutes.

Was ist Ihr intensivstes dienstliches Erlebnis gewesen?

Isabell Kircher: Einen besonderen Einsatz habe ich nicht, aber intensiv war schon, dass ich hier plötzlich von außen als junges Mädel ‘reingeschneit kam und den langjährigen Kollegen quasi durch die Blume mitgeteilt habe: „Ey, wir machen das mal alles anders.“ Akzeptanz zu erlangen, war sehr, sehr anstrengend, hat mich als Person aber ein riesiges Stück nach vorn gebracht.
Christoph Neuhaus: Im negativen Bereich war das ein Fall in Herdecke, wo wir einen Mann mit Schusswaffe gesucht haben. Wir haben ihm mit gezogenen Waffen frontal den Weg abgeschnitten, es kam zu einer Rangelei, bei der ich mein Pfefferspray verloren haben. Das hat er zu packen bekommen und vollständig in meinem Gesicht entladen. Ich war blind, konnte nicht atmen, wusste nicht, ob er seine Schusswaffe noch hat. Ich habe gedacht: „Er oder ich.“ Zum Glück konnte ich ihn mit ein paar Faustschlägen ins Gesicht außer Gefecht setzen. Ich bin bis heute heilfroh, dass wir da alle ohne große Blessuren ‘rausgekommen sind. Positiv ist auf jeden Fall die Krisenstabsarbeit während der Corona-Pandemie. Das war für alle neu und es beeindruckt mich noch immer, wie eng alle Beteiligten in einer solchen Ausnahmesituation agiert haben.

Wie sicher fühlen Sie sich selbst im Ennepe-Ruhr-Kreis?

Christoph Neuhaus: Ja, auch wenn ich im Einsatz viel Leid und Elend mitbekommen habe, sind wir ein sehr sicherer Kreis. Als Polizeibeamter bin ich ohnehin immer im Dienst. Ich erkenne Unrecht auch in meiner Freizeit und handele – das gilt für viele Kolleginnen und Kollegen.
Isabell Kircher: Auch wenn ich jetzt einen deutlich tiefen Einblick und eine Innensicht der Dinge habe, fühle ich mich hier maximal sicher.

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