Schwelm. Bevor es zum Showdown vor Gericht kommt, haben die Sparkasse Schwelm und ihr gefeuerter Vorstand Michael Lindermann einen Vergleich geschlossen.

Die E-Mail kommt recht unauffällig daher. Auf exakt fünf Zeilen ist aufgeführt, dass das größte Beben, das die Sparkasse Schwelm-Sprockhövel in ihrer mehr als 100-jährigen Geschichte erlebt hat, beendet ist. Der Verwaltungsrat, der im Februar seinen Vorstandsvorsitzenden Michael Lindermann (56) vor die Tür gesetzt hatte, hat mit diesem nun den „Rechtsstreit einvernehmlich beigelegt“, wie es in dem Schreiben heißt. Gleichzeitig läuft die Suche nach einem neuen Chef oder einer neuen Chefin auf Hochtouren. Dass der aktuell stellvertretende Vorsitzende, Christoph Terkuhlen, und Vorstandsmitglied Daniel Rasche einfach aufrücken, scheint ausgeschlossen.

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Spätestens beim Gütetermin vor dem Hagener Landgericht, der im September ergebnislos endete, wurde eine Sache mehr als deutlich: Weder der fristlos gekündigte Vorstandsvorsitzende Michael Lindermann noch der Verwaltungsrat der Sparkasse Schwelm-Sprockhövel um dessen Vorsitzenden Hans-Werner Kick haben Interesse daran, dass öffentlich wird, was sich hinter den Kulissen des Schwelmer Kreditinstituts alles zugetragen hat. Das wäre aber spätestens in einem öffentliche Gerichtsprozess durch Zeugenaussagen unvermeidlich gewesen. Dann wäre aufgearbeitet worden, ob die vom Verwaltungsrat angeführten Gründe tatsächlich für eine fristlose Kündigung Mitte Februar 2022 ausgereicht hätten. Dann wäre detailliert über Geld gesprochen worden; dann wäre öffentlich abgefragt worden, wie sich der Vorwurf des cholerisch-aggressiven Umgangs mit Mitarbeitern, den Lindermann gepflegt haben soll, tatsächlich geäußert hat.

Mitarbeiter verließen Sparkasse

Es rumorte vor seinem Rauswurf nämlich schon länger in der Sparkasse Schwelm-Sprockhövel. Immer mehr langjährige Mitarbeiter – auch in Führungsverantwortung – kehrten dem Schwelmer Haus den Rücken. Und immer wieder sollen in letzter Konsequenz der Umgangston und das Verhalten des Vorstandsvorsitzenden die Angestellten vertrieben haben. Eine Entwicklung, die den Mitgliedern des Aufsichtsrats nicht verborgen geblieben ist. Als Kündigungsgrund ist schlechtes Benehmen den Mitarbeitern gegenüber allerdings juristisch kaum wasserdicht. Aber: Parallel dazu taten sich an mehreren Stellen Ungereimtheiten in der Arbeit von Michael Lindermann auf, die durchaus arbeitsrechtliche Relevanz besitzen.

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So soll er einen Sparkassen-Mitarbeiter angewiesen haben, ihm einen privaten Laptop zu besorgen. Er soll unrechtmäßig über die Dienstwagen verfügt und privates Essen geschäftlich abgerechnet haben. Zudem soll er bei Kreditgeschäften getrickst haben, um Sicherheiten der Kreditnehmer zu erhöhen, und seine Zusagen einzuhalten. „Wichtig ist: Zu keinem Zeitpunkt sind der Sparkasse, deren Kunden oder der Stadt Schwelm irgendwelche Schäden entstanden“, hatten Hans-Werner Kick und der Vorsitzende des Risikoausschusses, Oliver Flüshöh, bereits zu dem Zeitpunkt deutlich gemacht, als sie Lindermann ‘rausgeworfen hatten.

Erstes Vergleichsangebot abgelehnt

Der ging auf die ersten Vergleichsangebote des Verwaltungsrats – 200.000 Euro und monatliche Zahlungen ab Lindermanns Renteneintritt in Höhe von 11.614 Euro pro Monat – nicht ein. Vor Gericht wollte Michael Lindermann, der zuletzt mehr als 350.000 Euro pro Jahr verdiente, mehr Geld erstreiten, vor allem regelmäßige Zahlungen für die noch mehr als zehn Jahre bis zu seinem Renteneintritt. Sowohl die Anwälte der Sparkassen-Seite als auch das Gericht hatten seinen Maximalforderungen bereits im Gütetermin wenig Chancen auf Umsetzung gegeben. Drei Monate nach dem gescheiterten Termin ist es nun nicht öffentlich doch noch zu einem Vergleich gekommen. Über die genauen Zahlen herrscht eisernes Schweigen von allen Seiten. Nach den Hinweisen des Hagener Landgerichts beim Gütetermin ist jedoch davon auszugehen, dass eine Reduzierung der Pensionsansprüche ab Renteneintritt stattgefunden hat zugunsten einer regelmäßigen Zahlung bis zu diesem Zeitpunkt. Die Zugeständnisse des Verwaltungsrats dürften sich in Grenzen gehalten haben.

Bei der Unterzeichnung der Fusionsverträge war die Sparkassen-Welt noch in Ordnung. Zu sehen sind (v.l.): Daniel Rasche, Vorstandsmitglied, Christoph Terkuhlen, stellvertretender Vorstandsvorsitzender, Stephan Langhard, Bürgermeister der Stadt Schwelm (sitzend), Sabine Noll, Bürgermeisterin der Stadt Sprockhövel (sitzend) und der geschasste Vorstandschef Michael Lindermann.
Bei der Unterzeichnung der Fusionsverträge war die Sparkassen-Welt noch in Ordnung. Zu sehen sind (v.l.): Daniel Rasche, Vorstandsmitglied, Christoph Terkuhlen, stellvertretender Vorstandsvorsitzender, Stephan Langhard, Bürgermeister der Stadt Schwelm (sitzend), Sabine Noll, Bürgermeisterin der Stadt Sprockhövel (sitzend) und der geschasste Vorstandschef Michael Lindermann. © Privat | Privat

Nachdem dies nun geklärt ist, stellt sich die Frage, wie es in der Vorstandsetage der Sparkasse Schwelm-Sprockhövel nun weitergeht. Mit der Fusion der Sparkassen aus Schwelm und Sprockhövel war der ehemalige Vorstandsvorsitzende aus der Nachbarstadt, Christoph Terkuhlen, stellvertretender Vorsitzender im neu gegründeten Haus geworden. Daniel Rasche war drittes Vorstandsmitglied. Zwar hatte Terkuhlen seit Lindermanns Rauswurf am 14. Februar 2022 dessen Aufgaben kommissarisch mit übernommen, dass er diese auch als berufener Vorstandschef weiterführt, gilt aber als ausgeschlossen. Denn die Sparkasse hat den Posten seit einigen Wochen öffentlich ausgeschrieben. „Es sind bereits zahlreiche Bewerbungen bei uns eingegangen“, sagt Hans-Werner Kick im Gespräch mit dieser Zeitung und fährt fort: „Im ersten Quartal des kommenden Jahres werden wir das Bewerbungsverfahren wohl abgeschlossen haben.“

Neue Impulse von außen

Der neue starke Mann oder die neue starker Frau an der Spitze der Sparkasse Schwelm-Sprockhövel wird demnach wohl in etwa nach der Sommerpause seinen beziehungsweise ihren Dienst in der Kreisstadt antreten. Usus sind in diesen Positionen, die dazu befähigen, den Vorstandsvorsitz zu übernehmen, zumeist sechs Monate Kündigungsfrist beim vorhergegangenen Arbeitgeber. Christoph Terkuhlen und Daniel Rasche würden in diesem Szenario wohl ihre angestammten Positionen behalten. So soll spätestens in einem Jahr wieder Ruhe einkehren bei der Sparkasse Schwelm-Sprockhövel nach einer Führungskrise, die deutschlandweit in Sparkassen-Kreisen und deutlich darüber hinaus für Furore gesorgt hat.

Und was macht Michael Lindermann, der auch ehrenamtlich an zahlreichen Stellen in der Stadt Schwelm engagiert war? Er hat bereits seinen Lebensmittelpunkt nach Süddeutschland verlagert und ist auf der Suche nach einer neuen Anstellung.

Die Zahlen der Sparkasse zu Schwelm haben sich unter Michael Lindermann hervorragend entwickelt. Das Geschäftsvolumen hat er von 574 Millionen Euro auf 919 Millionen Euro gesteigert.

Nicht zuletzt ist Michael Lindermann auch Vater der Fusion mit der Sparkasse Sprockhövel, wodurch die Bilanzsumme des Instituts nun bei etwa 1,5 Milliarden Euro liegt.

Er setzte sich im Jahr 2012 gegen mehr als 100 weitere Bewerbungen um den zweiten Vorstandsposten bei der Schwelmer Sparkasse durch.

Er folgte auf Roland Zimmer, und von Beginn an war geplant, dass er den Vorsitz übernehmen wird, wenn Lothar Feldmann im Jahr 2016 in den Ruhestand geht.

Zuvor arbeitete er bei der Sparkasse Mülheim.

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