Ennepetal. Im Fall des vor zwei Wochen in Ennepetal verschwundenen Mädchens (14) sind Hinweise eingegangen und neue Fragen aufgetaucht.

Seit mehr als zwei Wochen wie vom Erdboden verschwunden, ohne Jacke, ohne Bargeld, nur mit einem Handy in der Tasche, über das sie nicht erreichbar und auch nicht ortbar ist, weil in dem Gerät keine SIM-Karte steckt: Das Schicksal der vermissten 14-Jährigen, die als ausgebüxt gilt und über deren spurloses Verschwinden unsere Redaktion Anfang der Woche berichtete, bewegt viele Menschen weit über Ennepetal hinaus. Nun gibt es erste Hinweise in dem Vermissten-Fall, aber auch neue Auskünfte, die ein verstörendes Bild von dem ganzen Geschehen zeichnen.

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Dieses Foto hat die Polizei veröffentlicht. Es zeigt das 14 Jahre alte Mädchen, das verschwunden ist.
Dieses Foto hat die Polizei veröffentlicht. Es zeigt das 14 Jahre alte Mädchen, das verschwunden ist. © Polizei

Vorab die Nachricht, die Hoffnung macht. Nachdem die Kreispolizeibehörde Ennepe-Ruhr am Montag eine Mitteilung zu dem Vermisstenfall veröffentlichte und unsere Zeitung wie viele andere Medien in der Region von dem spurlosen Verschwinden der 14-Jährigen und der öffentlichen Fahndung nach ihr berichteten, haben sich bei der Polizei tatsächlich Menschen gemeldet, die die Teenagerin gesehen haben wollen. „Es gingen drei voneinander unabhängige Hinweise ein, wonach die Vermisste in Dortmund auf der Straße gesichtet wurde“, teilte Polizeisprecherin Sonja Wever auf Nachfrage mit.

Die Hinweise seien am Donnerstag eingegangen, führten laut Polizeipressestelle leider jedoch nicht dazu, dass das Mädchen bzw. ihr Aufenthaltsort ermittelt werden konnte, obgleich die Streifenwagen sofort dorthin geschickt wurden, wo die Zeugen die Vermisste gesehen haben wollten. Die 14-Jährige ist damit weiterhin wie vom Erdboden verschwunden und gilt als vermisst.

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Wie die Polizei auf Nachfragen mitteilte, handelt es sich bei der Vermissten um ein aus Rumänien stammendes Mädchen, das seit sieben Jahren in Deutschland lebt und einen gesetzlichen Vormund hat. Es stamme – entgegen ersten Angaben – nicht aus Ennepetal, sei zwischenzeitlich in einer Wohngruppe der Stiftung Loher Nocken untergebracht gewesen und sei von dort – in Absprache mit dem gesetzlichen Vormund – zur privaten Unterbringung in die Familie einer ebenfalls 14 Jahre alten Freundin gewechselt. Dort sei sie dann am Tag ihres Verschwindens gegen Mittag das letzte Mal gesehen worden und habe sich aus dem Haus entfernt, ohne zu hinterlassen, wohin sie wolle. Bei der Vermissten handele es sich um eine Teenagerin, die in der Vergangenheit schon mehrfach ausgebüxt sei, teilte die Polizei mit. Die Rede ist von einer „Dauerläuferin.“ Viel mehr Informationen zur Person und zu den Umständen liegen der Polizei nach eigenen Angaben auch nicht vor.

Der Schutz der Persönlichkeit – insbesondere bei Fällen mit Minderjährigen – ist ein guter Grund, warum alle an dem Fall beteiligten Stellen und Personen Informationen nur mit größter Sensibilität öffentlich machen sollten. Dies gilt selbstverständlich auch für die Medien. Im Fall der vermissten 14-Jährigen tauchen jedoch Fragen auf, auf die es noch keine Antworten gibt bzw. Auskünfte, die irritieren.

Demnach wurde das Kind, wie die Kreispolizeibehörde am Freitag mitteilte, tatsächlich erst am 14. Oktober gegen Mittag das letzte Mal in Ennepetal gesehen, während in der Mitteilung von Anfang dieser Woche vom 13. Oktober die Rede ist. Auch im öffentlichen Fahndungsportal der Polizei Nordrhein-Westfalen stand am Freitag noch, also mehr als zwei Wochen später: „Vermisst seit 13. Oktober 2022“.

Dies mag wie eine Kleinigkeit erscheinen, wobei solche Angaben in einem Vermisstenfall durchaus von Bedeutung sein können. Keine Kleinigkeit hingegen ist der Zeitpunkt der Vermisstenanzeige. „Laut Polizei wurde sie erst fünf Tage später als vermisst gemeldet“, hatten wir zuerst geschrieben. Die Kreispolizei spricht von einem Missverständnis und sieht sich falsch verstanden.

Viel besser wird es aber auch nicht bei der nachkorrigierten Auskunft der Polizei: Die 14-Jährige sei am 15. Oktober als vermisst gemeldet worden. Also einen Tag später, nachdem sie am Vortag mittags das letzte Mal gesehen wurde.

Erst am Tag danach? Beim Jugendamt der Stadt Ennepetal, das in den Vorgang übrigens nicht involviert ist, weil es sich um ein Kind handelt, das aus einer anderen Stadt stammt, händelt man es anders. Im Falle eines 14 Jahre alten Kindes, das abgängig ist und bis 22 Uhr nicht nach Hause kommt, würde man sofort die Polizei einschalten, lautete dort die Auskunft.

Genauso handhabt es nach eigener Aussage auch die Stiftung Loher Nocken, wo unsere Redaktion nachfragte, in der Hoffnung, das zuständige Jugendamt zu ermitteln, um von dem zu erfahren, wie es zu der späten Vermisstenmeldung kam. Und auch bei der Stiftung gab es eine Auskunft, die irritiert, aber am Freitag nicht mehr aufzuklären war: Man könne sich überhaupt nicht an ein aus Rumänien stammendes, 14 Jahre altes Mädchen erinnern, das mal dort gewohnt haben soll und in eine private Unterbringung gewechselt ist.

Welches Jugendamt für das Mädchen tatsächlich zuständig ist, müsste eigentlich die Kreispolizei wissen. Drei Tage Ermittlungsarbeit lagen hinter der Kripo – und ein Nachfragen beim gesetzlichen Vormund gehört mit Sicherheit dazu –, ehe sich die Dienststelle im Schulterschluss mit dem Landeskriminalamt dazu entschied, den Fall am 18. Oktober auf dem öffentlich zugänglichen Fahndungsportal der Polizei NRW mit Bild vom Mädchen und einer Beschreibung zu veröffentlichen. Die Auskunft, welches Jugendamt für die Vermisste zuständig sei, war am Freitag von der Kreispolizei aber nicht zu bekommen. Die Kollegen von der Kripo seien mit einem anderen Fall beschäftigt, hieß es zur Begründung.