Ennepe-Ruhr. Notärzte werden im EN-Kreis knapper bei steigenden Einsätzen. „Telenotarzt“ lautet die Antwort darauf und soll ein großer Wurf werden.

Immer öfter landen Rettungshubschrauber im Ennepe-Ruhr-Kreis, um einen Notarzt einzufliegen, weil alle am Boden verfügbaren bereits im Einsatz sind. Das System stößt mehr und mehr an seine Grenzen, und um diese nicht weiter in eine Richtung zu verschieben, die zu Lasten der Sicherheit der Menschen geht, hat der Kreistag nun einstimmig den Weg frei gemacht für ein innovatives Großprojekt. Für den Ennepe-Ruhr-Kreis werden bald auch Notärzte zur Verfügung stehen, die Rettungssanitäter per Video-Schalte beraten.

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Die Neuentwicklung hört auf den Namen „Telenotarzt-System“ und umfasst ein Gebiet, in dem mehr als 1,6 Millionen Menschen leben. Denn der Ennepe-Ruhr-Kreis muss dies nicht allein schultern. Im Gegenteil das komplette Bergische Land und Teile des Rheinlands tun sich zusammen, so dass sich unter Federführung der Stadt Leverkusen und des Kreises Mettmann neben dem EN-Kreis noch die Städte Wuppertal, Remscheid und Solingen zusammenschließen, um ein gemeinsames System zu installieren.

Vitaldaten in Echtzeit

Und das funktioniert wie folgt: Trifft der Rettungsdienst an einer Unfallstelle oder bei einem medizinischen Notfall ein, hat er künftig die Möglichkeit, einen Telenotarzt anzufordern. Technisch existieren die Möglichkeiten, dass der Notarzt, der sich in einer Leitstelle befindet, die Vitaldaten des Patienten in Echtzeit auf einem Monitor angezeigt bekommt. Außerdem wird ihm auf einem weiteren Bildschirm ein Kamera-Bild des Patienten gezeigt. Der Mediziner steht zudem in Sprachkontakt mit den Sanitätern und kann somit entsprechend unterstützen beziehungsweise das Personal anleiten, um unter anderem ärztliche Maßnahmen zu ergreifen.

„Damit werden eine Erhöhung des Sicherheitsniveaus und eine schnellere Versorgung sichergestellt. Auch kann die Einbindung oder Nachforderung einer Notärztin/eines Notarztes, die mit einem Notarzteinsatzfahrzeug zur Einsatzstelle gefahren werden, zumindest in einem Teil der Einsätze vermieden werden“, schreibt der Ennepe-Ruhr-Kreis dazu in seiner Vorlage an die Politik. Als Resultat optimiere dies die Einsetzbarkeit und Verfügbarkeit der Notärzte im Rettungsdienst und verbessere zudem die Rechtssicherheit der Notfallsanitäter, indem bei der Durchführung heilkundlicher Maßnahmen der Telenotarzt bei Bedarf schnell hinzugezogen werden kann.

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Das Ganze ist dabei kein theoretisches Gebilde, sondern nur ein paar Kilometer weiter seit bereits acht Jahren pilotmäßig im Einsatz und ein Erfolgsmodell. Denn das Projekt wurde an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen (RWTH) zur digitalen telemedizinischen Unterstützung in der Notfallrettung entwickelt, kommt in der Stadt Aachen seit dem Jahr 2014 sehr erfolgreich zum Einsatz und wird seitdem wissenschaftlich begleitet. Fazit: „Hierbei ergibt sich ein hoher Nutzen aus der Verkürzung des notarztfreien Intervalls und der Behandlungsoptimierung der Notfallpatientinnen und Notfallpatienten.“ Die Auswertung zeigt zudem, dass bis zu 35 Prozent der Verlegungstransporte, bei denen aufgrund der Indikation ein Notarzt erforderlich gewesen wäre, ausschließlich erfolgreich telemedizinisch begleitet werden konnten. Ein starkes Argument in Zeiten immer knapper werdenden medizinischen Fachpersonals. Klar ist auch: Das Ziel des Systems ist nicht, die Zahl der vorgehaltenen Notarztfahrzeuge zu verringern, sondern dem steigenden Einsatzaufkommen zu begegnen.

Start in neuem Gefahrenabwehrzentrum

Bis die Sache an den Start geht, wird aber noch etwas Zeit ins Land ziehen. Konzeptionen, Projektplanung, Arbeitsgruppen, Abstimmungen, Ausschreibungen, Qualitätsmanagement-Richtlinien – all dies ist vorgeschaltet, bevor die ersten Telenotarzt-Einsätze im Ennepe-Ruhr-Kreis noch durch die Aachener Leitstelle betreut werden und dann sukzessive ins Bergische Land und den Rand des Ruhrgebiets ausgelagert werden. Die komplette technische Ertüchtigung der Kreisleitstelle im EN-Kreis soll im neuen Gefahrenabwehrzentrum vorgenommen werden. Das soll eigentlich schon seit Jahren am Strückerberg in Ennepetal gebaut werden. Bislang ist dort aber noch kein Bagger angerückt, so dass der Telenotarzt wohl erst in einigen Jahren im Kreis voll einsatzfähig sein wird.

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