Ennepetal. Klaus Pohls Trabant ist ein Hingucker bei den Oldtimertreffen im Industrie-Museum Ennepetal. Und im Dachzelt übernachtet der Gevelsberger gern.

„Pension Sachsenruh“ klingt nach Abgeschiedenheit und idyllischer, grüner Natur. Eine solche Umgebung sucht Klaus Pohl auch sehr gerne auf – und bringt diese Pension immer selbst mit. Er besitzt einen Trabi (Trabant 601), Baujahr 1989, mit Dachzelt. Es ist einer der letzten hergestellten Trabis. Und wenn es nicht allzu kalt ist, übernachtet Klaus Pohl beispielsweise an der Bigge-Talsperre, auf dem Rüggeberger Campingplatz bei Familie Steffen-Mester oder im eigenen Garten, wo er zur Erntezeit gleich ein paar knackige Äpfel in seiner zum Frühstück verspeisen kann.

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„Mann, Frau und Hund haben ausreichend Platz in dem Trabi, der die Schlafgelegenheit auf dem Dach trägt“, lacht Klaus Pohl, der dem Förderkreis Industriekultur Ennepetal angehört und mit seinem Zweitakter fast immer bei den Oldtimertreffen dabei ist. Das Dachzelt auf dem Trabi wurde in der DDR liebevoll „Pension Sachsenruh“ genannt, und dieses ungewöhnliche Zelt hat das Camperleben in der DDR nachhaltig geprägt. „Die Reichweite des Trabis beträgt mit einer Tankfüllung etwa 250 Kilometer. Man schreibt 100 km/h Höchstgeschwindigkeit, aber die dicken Brummer von Mercedes und MAN ziehen auf der Autobahn an einem vorbei“, meint der Gevelsberger und grinst. „Das Dachzelt, wie es genannt wurde, war aber auch auf anderen Fahrzeugen zu finden wie beispielsweise auf den Personenkraftwagen Wartburg oder Lada“, erklärt er.

Auf einer Leiter am Heck des Trabis stehend wird das Dachzelt aufgebaut.
Auf einer Leiter am Heck des Trabis stehend wird das Dachzelt aufgebaut. © WP | Angelika Trapp

Am 27. Dezember 1989 erblickte Klaus Pohls Fahrzeug als einer der letzten Trabant 601 Kombi in Zwickau das Licht der Welt (1991 rollte der letzte Trabant aus dem dortigen Sachsenringwerk). Er kam über Zwickau nach Dessau – und dann kam 1993 Klaus Pohl und hat ihn mit nach Gevelsberg genommen. Das sei eine heiße Tour für den „Kleinen“ gewesen, schmunzelt Pohl, der sich erinnert, dass der Trabi hinten auf einem bequemen Anhänger stehen durfte. Da habe dessen Leben als Oldtimer begonnen.

In Dessau abgeholt

Im Frühjahr 1991 hatte der Werkstofftechniker, der bei Intertractor in Gevelsberg tätig war, wegen eines gebrochenen Eisenbauteils einen Termin in der Fachhochschule für Kfz-Technik bei Prof. Dr. Zahn. Er sollte dort an einem Raster-Elektronen-Mikroskop eine Werkstoff-Untersuchung vornehmen. Diese Termine wiederholten sich drei bis viermal jährlich. Und dort stand der Trabi, in den sich Klaus Pohl verliebte und der ihm nicht mehr aus dem Kopf ging. „1993 haben mich die Studenten und Professor Zahn animiert, nun endlich den Trabi mit in den Westen zu nehmen.“ Pohl konnte den gletscherblauen Trabant 601 Kombi, den er „Otto“ taufte, schließlich in Dessau abholen. „Mit einem Anhänger der Shell-Tankstelle von Werner Zeyda in Gevelsberg habe ich ihn transportiert. Ein Jahr später erfolgte eine Restauration mit Unterbodenschutz und Hohlraumversiegelung“, erinnert er sich.

„Gletscherblau“ ist der charakterstarke Zweitakter, der Ende 1989 in Zwickau vom Band gerollt war.
„Gletscherblau“ ist der charakterstarke Zweitakter, der Ende 1989 in Zwickau vom Band gerollt war. © WP | Angelika Trapp

Im Jahr 2000 nahm Klaus Pohl mit Sohn Leo an der Trabi-Rallye teil. Es sei sechs Tage quer durch Sachsen gegangen. Start und Ziel war das alte Sachsenring-Automobilwerk in Zwickau. „Wir belegten den undankbaren vierten Platz von 60 Teilnehmern.“ Auch hier habe man den Trabi mit dem „Zeyda“-Anhänger hinter dem Pohl’schen Wohnmobil nach Zwickau gebracht.

2012 erstmals beim Oldtimertreff

„2002 organisierten Freunde aus dem Zwickauer Trabant Club für mich ein Original ,Müller Dachzelt’ aus Oberfrohnach/DDR.“ Die erste Campingtour sei an den Biggesee im Sauerland gegangen. „Und mein Freund Ulrich Kreimendahl, Gründer des Shotokan-Karate-Clubs in Ennepetal, wollte nach Begutachtung des Trabis mit Dachzelt dieses Gespann als Werkswagen für seine Firma Elu einführen. Man könnte so die Hotelkosten für die Außendienstmitarbeiter sparen“, lacht der Trabi-Besitzer heute noch über dessen Ansinnen.

Viele Witze über Kultauto mit Kulleraugen

Die Wartezeit auf einen Trabi betrug in der damaligen DDR sieben bis zehn Jahre.

Es gibt viele, viele Witze über den niedlichen Zweitakter. Ein Beispiel „Was bedeutet beim Trabi die Bezeichnung 601? 600 haben ihn bestellt, einer hat ihn bekommen“. Oder auch: „Was wollten die Konstrukteure des Trabis mit ihrer Schöpfung beweisen? Humor!“

Die Faszination für das DDR-Kultauto mit den Kulleraugen ist ungebrochen.

Im September 2012 kam Klaus Pohl das erste Mal zum Oldtimertreff im Rahmen des Tages der offenen Tür ins Industriemuseum. „Dort traf ich meinen alten Rallye-Kollegen Gerhard Brinker, der mit seinem Fiat mit Selbstmördertüren (so genannt, weil sie hinten angeschlagen waren und bei unbeabsichtigten Öffnen während der Fahrt weit aufgedrückt wurden. Wollte man sie schließen, konnte man durch die Kraft des Fahrtwindes aus dem Auto gezogen werden) dabei war. Es wurde gefachsimpelt – und ich war so begeistert von dem Treffen mit Gleichgesinnten, dass ich spontan einen Aufnahmeantrag für den Förderkreis des Industriemuseums unterschrieben habe.“

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Wenn möglich, stehe „Otto“, der niedliche Trabi, nun immer an den Sonntagen der offenen Tür im Industriemuseum vor dem alten Backsteingebäude der ehemaligen Kruse-Halle und erzählt seine Geschichte. Dabei stößt er immer auf große Aufmerksamkeit von Jung und Alt. „Sachsenpower – hält länger als die Mauer“, steht auf dem Gefährt. Im Dachzelt ist ein Belüftungsfenster, das aussieht wie eine Dachluke, von der aus man nachts den Mond beobachten kann. Und wer einmal in das Dachzelt krabbeln möchte, dem ermöglicht Klaus Pohl dieses kleine „Pensions“-Erlebnis in der Höhe. Aber bitte dort oben nicht einschlafen, sonst wacht man am Ende unter Birnen- und Apfelbäumen im Garten von Klaus Pohl wieder auf.

„Sachsenpower… hält länger als die Mauer“ steht auf Klaus Pohls Trabant 601.
„Sachsenpower… hält länger als die Mauer“ steht auf Klaus Pohls Trabant 601. © WP | Angelika Trapp