Ennepetal. Der Ennepetaler Werner Rassenhövel ist einer der ältesten Mähdrescherfahrer Deutschlands. So geht er mit dem Hightech-Fahrzeug um.
Die Reifen sind fast zwei Meter hoch, man muss schwindelfrei sein, wenn man sich in vier Metern Höhe ans Lenkrad setzt. „Hier kann ich entspannen“, sagt Werner Rassenhövel und lässt den Motor der überdimensionierten Landmaschine an. Der 86-Jährige liebt es, den tonnenschweren Mähdrescher zu fahren. Das Brummen ist auf seinem Sitz kaum zu hören, die Klimaanlage läuft. „Hier lässt es sich aushalten, oder?“, sagt er und tippt etwas auf dem Touchscreen ein. „Ob ich die Tasten auf der Fernbedienung für meinen Fernseher drücke, oder hier, einen großen Unterschied gibt es da nicht“, sagt der Ennepetaler und lacht. Mehr Spaß hat der Senior allerdings hinter dem Steuer seines Mähdreschers. Das Radio lässt er aus, die neumodische Musik sei nämlich nichts für ihn. Dann drückt er den Steuerknüppel nach vorne. Wie ein Pilot.
GPS-Gesteuert unterwegs
Schnell könne man leider nicht fahren, maximal 20 Km/h. Und wenn man auf dem Acker unterwegs ist und die Ernte einfährt, dann sollte man auch so langsam wie möglich sein. Wieder tippt er auf das Touchscreen. Er erklärt: „Wichtig ist, den Kornverlust gering zu halten. Je langsamer, desto sorgsamer kann das Korn getrennt werden.“ Die Sensoren im Inneren der Maschine zeigen 4 Km/h an, erfassen jedes Gramm, das in der Kammer landet und dirigieren das Schneidwerk, übrigens 6,70 Meter breit, millimetergenau über den Boden.
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„Auch wenn dieses Ding hochmodern ist, das Prinzip ist immer das gleiche und das schon seit Jahrzehnten“, sagt Werner Rassenhövel und erklärt: Nach dem Schnitt geht es für Gerste, Roggen, Weizen und co. in die Dreschtrommel. Danach landen sie im Schüttler, der das Korn aus dem Stroh rüttelt. Die Siebanlage kommt als nächstes dran, hier wird das Korn gereinigt und landet im Korntank im Mähdrescher. Alles andere wird wieder rausgepustet.
„Früher haben wir das Korn per Hand geerntet“, sagt er. Schon als Kind habe er mitgeholfen, erst mit der Sense und dann, wenn die Garben gebunden wurden. „Man schnappt sich einen Bündel Stroh, umwickelt ein größeres und lehnt zwei Garben aneinander. Das verlernt man nicht. Ich fahre aber lieber auf dem Mähdrescher.“
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1956 hat sein Vater Heinrich den Hof am Steinbrink in Ennepetal gekauft. Davor hatte die Familie eine Fläche in Haspe gepachtet. In Ennepetal hätten sie mit etwas eigenem neu angefangen wollen - mit viel mehr Platz. „Für mich kam nie in Frage, dass ich einmal was anderes mache, ich bin mit Herz und Seele Bauer“, sagt der Senior. 2001 hat Sohn Oliver den Betrieb übernommen. Werner Rassenhövel ist trotzdem jeden Tag im Einsatz: „Wer rastet der rostet“, sagt er, auf dem Sofa habe er nichts zu suchen, da bin ich doch lieber im Einsatz. Zu tun gibt es einiges: Das große Acker- und Weideland, die Ferkelzucht, die Sauen: „Früher hatten wir auch Kühe, doch irgendwann mussten wir uns entscheiden, weil alles einfach nicht mehr zu schaffen war. Unsere Wahl fiel auf Schweine und Sauen.“
Werner Rassenhövel macht einen Abstecher in den Stall, wo gleich mehrere Sauen abferkeln. Die Tiere liegen auf dem Boden, um sie herum wuseln die ersten kleinen Baby-Ferkel, Rotlicht wärmt sie. „Alles gut hier, ich schau gleich wieder rein“, sagt er und schließt leise die Tür. Eine Halle weiter türmt sich ein Berg aus Körnern auf. Einer von vielen auf dem Hof. Erbsen, Lupinen, Raps, Roggen, Gerste, Weizen. 180 Hektar Ackerfläche geerntet, manches auch im Auftrag für andere Landwirte.
Zahlen und Daten
Der Mähdrescher „John Deere T 550 i“ hat 305 PS. Der Verbrauch liegt bei 18 Litern Diesel pro Hektar, den man drischt. Die Maschine ist mit Kameras, Sensoren, Lederlenkrad und sogar einem kleinen Kühlschrank ausgestattet - im 3,3 Quadratmeter großen Fahrerbereich mit getönten Panoramascheiben.
Insgesamt kamen 7 Tonnen Futter für die Tiere zusammen „Für uns war es ein guter Sommer“, sagt Werner Rassenhövel. Er und Michel Hartenfels haben das meiste eingefahren. 14 Tage lang waren sie mit dem Mähdrescher auf dem Feld, „ich immer nur, wenn Werner mich gelassen hat“, sagt der Student und lacht. Wobei: Fahren muss man die überdimensionierte Landmaschine eigentlich gar nicht selbst. Sie zieht auch ganz alleine und GPS-gesteuert ihre Bahnen über das Feld. „Trotzdem wird einem nie langweilig, der Monitor zeigt die ganze Zeit etwas an, auf das man reagieren muss. Für Werner Rassenhövel gibt es nichts auf seinem Hof, das mehr Spaß macht.
16 Tonnen bringt der Mähdrescher auf die Waage, inklusive Schneidwerk und voller Kornkammer. „Das einzige, das mich nervt, ist, wenn ich vom Sitz aufstehe, bleibt die Maschine schlagartig stehen und es fängt alles an zu hupen.“ Eine Sicherheitsmaßnahme, ebenso wie der Feuerlöscher. Falls sich das Stroh unter der Maschine entzündet. „Das habe ich aber noch nie erlebt“, sagt Werner Rassenhövel, und der Betrieb hat seit 1965 den ersten Mähdrescher im Einsatz. Seitdem sind einige Modelle gekommen und gegangen. „Dieser hier ist der Beste“, sagt er , aber auch der komplizierteste. „Wenn man sich an der Fernbedienung für den Fernseher verdrückt, dann wird das nicht so teuer“, sagt er und lacht. Jetzt bleibt der Motor des 200.000 Euro teuren und gigantischen Arbeitsgeräts erst einmal aus. Bis zum nächsten Sommer. „Im Juli geht es dann wieder los. Da freue ich mich jetzt schon wieder drauf.“