Ennepe-Ruhr. Schwelm, Gevelsberg und Ennepetal stehen so wie vielen anderen Kommunen schwere Monate bevor. Es droht ein millionenschweres Finanzloch.
Steigende Lebensmittelpreise, explodierende Energiekosten, Strom, der sich um 700 Prozent verteuern soll, dazu die Inflation: Die Lage ist schon jetzt für viele Menschen dramatisch. Jetzt schlagen auch die Städte Alarm und appellieren an Bund und Land die Kommunen zu unterstützen, denn schon jetzt wird klar, dass sich in den Haushalten Millionenlöcher auftun. Ohne Hilfe von oben drohen massive Steuererhöhungen. Und auch die wären zu Lasten der Bürgerinnen und Bürger.
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„Die Situation ist so ernst wie nie.“ – „Uns steht das Wasser bis zum Hals.“ – „Wir können dagegen nicht ansparen.“ Mit Sätzen wie diesen haben die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister der kreisangehörigen Städte ihrem Unmut Luft gemacht und sendeten ein deutliches Signal an die Bundes- und Landtagsabgeordneten, die die Interessen des Ennepe-Ruhr-Kreises in Berlin und Düsseldorf vertreten. Landrat Olaf Schade hatte alle in das Kreishaus zu einem Gespräch eingeladen, um auf die Notlage der Kommunen hinzuweisen. Die Stadtoberhäupter nutzten die Gelegenheit und machten deutlich, wie die enormen Gas- und Strompreissteigerungen, die Gasumlage, die Inflation und ihre Folgen die kommunalen Haushalte in Schieflage bringen – und wie dringend Unterstützung von Land und Bund benötigt wird.
Heimische Abgeordnete
Im Kreishaus begrüßen konnte Landrat Olaf Schade die Bundestagsmitglieder Timo Schisanowski (SPD), Katrin Helling-Plahr (FDP), Matthias Hauer (CDU), digital waren Dr. Janosch Dahmen (Bündnis 90/Die Grünen) und Axel Echeverria (SPD) zugeschaltet. Als Vertreterinnen des Landtags nahmen Kirsten Stich, Dr. Nadja Büteführ und Ina Blumenthal (alle SPD) sowie Verena Schäffer (Bündnis 90/Die Grünen) teil, zudem der ehemalige Kreisdirektor Paul Höller in seiner neuen Funktion als Staatssekretär aus dem NRW-Ministerium für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie.
Der nächste Austausch ist in sechs Monaten geplant.
„Die Energiekrise führt zu einer Finanzkrise der Kommunen ungeahnten Ausmaßes“, macht der Gevelsberger Bürgermeister Claus Jacobi den Anfang. Er rechne im städtischen Haushalt für das Jahr 2023 mit einer Finanzierungslücke im zweistelligen Millionenbereich. Es sei unmöglich, diese Lücke durch Einsparungen zu schließen, extreme Steuererhöhungen seien den ohnehin schon stark belasteten Bürgerinnen und Bürgern nicht zuzumuten.
Auch Schwelms Bürgermeister Stephan Langhard findet deutliche Worte: „Bund und Land haben sich in der Vergangenheit immer auf die Kommunen verlassen können. Es gab die Finanzkrise, die Krise rund um Flüchtlingsbewegungen, aber die jetzt ins Haus stehende Energiekrise bringt uns an den Rand unserer Möglichkeiten, so dass wir diese Lage aus eigener Kraft nicht mehr werden meistern können. Sollte sich an den Umständen nichts ändern, so wird die Situation für die Kommunen ausweglos“.
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Für Ennepetals Bürgermeisterin Imke Heymann steht fest: „Wir brauchen dringend die Unterstützung durch Landes- und Bundesregierung! Jeder muss einen Beitrag leisten, damit wir alle unsere Kommunen als lebenswerten Ort erhalten können. Dies kann nur gemeinschaftlich gehen, auch über die Grenzen Ennepetals hinaus. Lokal und global denken und handeln!“
Diese Situation trifft auf den überwiegenden Teil der Städte in NRW zu, ergänzt Sabine Noll, Sprockhövels Bürgermeisterin. „Wir haben alle nichts auf der hohen Kante.“ Deshalb sei ein milliardenschweres Sofortprogramm für die Kommunen vonnöten. „Wir sind ein wichtiger Teil des Staates, erbringen systemrelevante Leistungen und sind vor Ort mit den Leuten im Gespräch. Aber wir können unsere Aufgaben nur erfüllen, wenn wir finanziell vernünftig ausgestattet sind“, legt Hattingens Bürgermeister Dirk Glaser nach. Auch die vielen verschiedenen Fördertöpfe seien wenig hilfreich, weil es sehr aufwendig sei, die passende Förderung zu finden, sie zu beantragen und die korrekte Verwendung nachzuweisen: „Das erfordert enorme Ressourcen, dafür fehlt uns das Personal.“
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Sein Wittener Amtskollege Lars König regt zudem umfassendere verbindliche Vorgaben aus Berlin an, um den gesamtgesellschaftlichen Gasverbrauch zu reduzieren und damit einem akuten Gasmangel vorzubeugen. „Es wäre hilfreich, wenn von der Regierung nicht nur Appelle, sondern konkrete Vorgaben kämen, die überall gleichermaßen gälten.“
Landrat Olaf Schade nimmt die heimischen Abgeordneten in die Pflicht: „Wir zählen darauf, dass Sie die Botschaften weitertransportieren. Wir brauchen pragmatische Lösungen, damit unsere Kommunen handlungsfähig bleiben.“
Eine kurzfristige Entspannung der finanziellen Situation ist nicht abzusehen: Der Ukrainekrieg, die Corona-Pandemie und die steigenden Kosten für den Lebensunterhalt: Es kommt einiges auf die Privathaushalte und Kommunen zu. Zu viel.