Schwelm/Witten. Was Zeit und Kosten anbelangt, stochern alle im Nebel. Klar ist: Die Panzersperren vor dem Kreishaus in Schwelm bleiben auch nach der Sanierung.

Zu den vielen Großbaustellen, auf denen aktuell gearbeitet wird und deren Ergebnisse das Gesicht der Stadt Schwelm auf Jahrzehnte verändern werden, soll sich innerhalb der kommenden Jahre eine weitere gesellen: Das Kreishaus wird wohl bis auf die Grundmauern entkernt und dann komplett neu aufgebaut werden müssen. Neben einem völligen Stochern im Nebel, was die möglichen Kosten anbelangt – durch den politischen Raum geistert immer wieder die Zahl von 100 Millionen Euro – ist die größte Ungewissheit der Baubeginn, der von zwei Dingen maßgeblich abhängig ist: den Ergebnissen der Machbarkeitsstudie und einer Interimslösung für die 660 Beschäftigten.

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„Wir ziehen nicht mit einem Einfamilienhaus um“, sagt Kreisdirektor Paul Höller im Gespräch mit dieser Zeitung und verdeutlicht die Schwierigkeiten. „Wir müssen nicht nur die Arbeitsplätze verlagern. Wir haben eine eigene IT im Hause mit eigenen Servern, außerdem ist im Kreishaus die Leitstelle der Feuerwehr untergebracht.“ Diese soll ohnehin ins Gefahrenabwehrzentrum direkt neben der neuen Polizeizentrale an den Strückerberg in Ennepetal umziehen. Problem: Während das Gebäude, in das unter anderem die Leitstelle der Kreispolizeibehörde ziehen soll, bereits deutliche Formen annimmt, existiert für das Gefahrenabwehrzentrum bislang noch nicht einmal ein seriöser Termin für den Baubeginn. Doch zumindest dessen Fertigstellung scheint derzeit gesetzt zu sein, bevor die Entkernung des Kreishauses in Schwelm beginnen kann. Eine Zwischenlösung visieren die Verantwortlichen zumindest nicht an.

Suche nach Interimslösung

Für alle anderen Aufgaben, die im Kreishaus erledigt werden, ist eine solche hingegen unerlässlich. Doch wie diese aussehen kann, dazu gibt es zwar viele Ideen, aber eine konkrete Lösung liegt noch nicht auf dem Tisch. „Dafür ist das Thema deutlich zu komplex, und auch an den Stellen, wo Gebäude frei werden, gibt es Rahmenbedingungen, die uns gewisse Leitplanken vorgeben“, sagt der Kreisdirektor. Eine denkbare Interimslösung, die bereits ihren Weg in die politische Diskussion gefunden hat, sind die drei Standorte, auf die sich die Schwelmer Stadtverwaltung derzeit noch aufteilt, bis die Zentralisierung im neuen Rathaus erfolgt, von dem der Rohbau bereits steht.

Doch passen die Zeitschienen überhaupt übereinander? Und: Wie groß wäre der Sanierungsbedarf an diesen Gebäuden, bevor die Kreisverwaltung dort einziehen kann? Höller macht deutlich: „Diese Immobilien gibt die Stadt Schwelm ja nicht ohne Grund auf.“ Weitere Ansatzpunkte für die Interimslösung könnten auch die zahlreichen Container sein, die der Ennepe-Ruhr-Kreis im Zuge seiner Schulsanierungen – unter anderem der Gesamtschule in Sprockhövel-Haßlinghausen – nun gekauft hat. „Wir sind mit Verwaltungen und mehreren Institutionen im Gespräch, von denen wir wissen, dass dort Immobilien frei werden“, sagt Paul Höller.

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Was derzeit unumstößlich feststeht: Die Außenstelle am Schwanenmarkt in Witten, wo weitere 70 Angestellte des Ennepe-Ruhr-Kreises ihren Dienst versehen, wird ebenfalls saniert. Eine Zentralisierung, wie sie durchaus diskutiert wurde, ist damit vom Tisch. So bleibt neben dem Straßenverkehrsamt und dem Jobcenter in Schwelm sowie der Außenstelle der Zulassungsstelle in Witten auch dieser Standort der Kreisverwaltung erhalten.

Wandelnde Arbeitswelt im Blick

Mit größter Spannung erwarten Verwaltungsspitze und Politiker daher die Ergebnisse der Machbarkeitsstudie zur Sanierung der beiden Gebäude. Erste Zwischenergebnisse sollen nach der Sommerpause bekannt werden, die abschließenden Berichte zum Jahresende vorliegen. „Dann werden wir auch klarer sehen und deutlich seriösere Angaben zur Zeitschiene und dem Kostenrahmen machen können“, sagt CDU-Fraktionsvorsitzender Oliver Flüshöh, gleichzeitig auch Vorsitzender des Bauausschusses des Ennepe-Ruhr-Kreises, der sich zuvorderst mit diesem Thema beschäftigt. Klar besprochen ist in dieser Runde – ebenso auch bei den Verantwortlichen der Verwaltung – dass die Gebäudegerippe, die nach der Entkernung übrig bleiben, ökologisch, energetisch, aber auch mit Blick auf eine sich wandelnde Arbeitswelt flexibel wieder mit Leben und Substanz gefüllt werden sollen.

Um diese Chance zu nutzen und vor allem das Gebäude für eine geplante Lebensdauer von 50 Jahren nutzbar zu machen, hat die Kreisverwaltung den Beratungsprozess „Arbeitswelten 2025“ angestoßen. Hierbei werden Fragen der veränderten Präsenz am Arbeitsplatz mit Blick auf Home-Office, Desk-Sharing und andere Arbeitsmodelle betrachtet sowie die Flächeneffizienz in den Blick genommen. Mit dem Konzept und der Beratungsleistung wurde das Büro „Combine Consulting“ beauftragt. Die Beschäftigten der Kreisverwaltung werden eingebunden und neben Führungskräften und Verwaltungsleitung an den Entscheidungen beteiligt. „Mit wesentlichen Ergebnissen ist zum Herbst 2022 zu rechnen“, heißt es von der Verwaltung, die sich zwar nicht konkret äußern will, aber zumindest den Wunsch formuliert, dass in der aktuell laufenden Wahlperiode des Kreistags die Arbeiten beginnen. Die nächsten Kommunalwahlen finden im Jahr 2025 statt.

P.S.: Wie mit einer Sache, die seit Jahrzehnten polarisiert, umgegangen wird, steht derweil fest: Die bunten Betonskulpturen des Künstlers Otto Herbert Hajek sollen bleiben. Mit den „Wogenden Ähren“ – im Volksmund „Panzersperren“ genannt – sollen auch ein Teil des Sitzungstrakts und der sich dort befindlichen Kunstwerke erhalten bleiben, um den Zeitgeist der späten 60er auch in das komplett sanierte Gebäude zu übertragen.

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Der sternförmige Baukörper des Kreises an der Hauptstraße in Schwelm wurde in den Jahren 1969 bis 1972 errichtet, überbrückt eine Höhendifferenz von 18 Metern und bietet auf acht Etagen und 28.000 m² Arbeitsplätze für derzeit 660 Beschäftigte der Kreisverwaltung.

Neben den beiden Leitstellen von Polizei und Feuerwehr sind auch weitere Sondernutzungen untergebracht, zum Beispiel Sitzungssäle für Kreistag und Ausschüsse, eine Kfz-Werkstatt, Untersuchungsräume des Gesundheitsamtes, Druckerei, Poststelle und Rechenzentrum.

Das Gebäude der Verwaltungsnebenstelle am Wittener Schwanenmarkt wurde 1966 errichtet und bietet auf vier Etagen und 3000 m² Arbeitsplätze für etwas mehr als 70 Beschäftigte des öffentlichen Gesundheitsdienstes und der Versorgungsverwaltung.