Schwelm. Der Schwelmer Konstrukteur Michael Kastel hat eine einzigartige Yacht-Schiffsverladeanlage entwickelt. Kunden kommen aus den Emiraten und Europa.
Yachting ist weltweit ein boomendes Geschäft. Und der Schwelmer Michael Kastel befindet sich mit seinem Unternehmen mitten auf dem Sonnendeck. Der 53 Jahre alte Konstrukteur hat eine einzigartige Schiffsverladeanlage für Kunden aus den Arabischen Emiraten und dem europäischen Raum entwickelt. Er spricht von einer „Weltneuheit“.
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Wer seine Auftraggeber sind und wo gebaut wird, will der Schwelmer nicht an die große Schiffsglocke hängen. Die Verträge seien zwar unterschrieben. Sie beinhalteten aber neben einem dicken Paket an Leistungsbeschreibungen auch viele Seiten an Vereinbarungen über gegenseitiges Stillschweigen. Es geht um Millionengeschäfte in einer hart umkämpften Branche. Wer mit welchen Investitionen wo in See sticht, kann ein großer Erfolgsfaktor sein. Wer zu früh darüber spricht, droht über Bord zu gehen.
Was er entwickelt hat, darüber kann Michael Kastel aber sehr wohl sprechen – und macht dies auch gerne. „Ich werde immer wieder von Schwelmern gefragt, was ich eigentlich mache. So kann ich das dann einmal auch beantworten“, nennt er einen weiteren Grund, warum er über seine „Weltneuheit“ spricht.
Der gelernte Werkzeugmacher, der sich zum Industriemeister hocharbeitete und lange Zeit als Maschinenbautechniker für weltweit agierende Unternehmen unter anderem aus den USA tätig war, hat sich vor geraumer Zeit selbstständig gemacht. Seit 30 Jahren konstruiert er Maschinen und Anlagen. Mittlerweile hat er sich auf Hebeanlagen und Fördersysteme spezialisiert. Dass er selbst Yachtfahrer ist, dürfte ihm den Zugang zu der Branche, für die er seine jüngsten Konstruktionen macht, sicherlich erleichtert haben.
Es geht um Schiffsverladeanlagen im XXL-Format, um eine hochkomplexe Konstruktion, die es möglich macht, Yachten mit bis zu 80 Metern Länge und einer Masse von bis zu 6000 Tonnen binnen kürzester Zeit aus dem Wasser zu hieven und in eine Halle umzuladen, wo die Schiffe unter modernsten Bedingungen gewartet, generalüberholt oder repariert werden. Für die Auftraggeber aus den Emiraten, die eine eigene Yachtflotte betreiben und auch im Auftrag Wartungsarbeiten durchführen, ist das so lukrativ, dass sie es waren, wie Michael Kastel betont, die auf ihn zukamen, um mit ihm den Vertrag für das Großprojekt zu unterzeichnen. Das war im Jahr 2020. Baustart für die topmoderne Anlage in der Golfregion soll 2023 sein, Fertigstellung voraussichtlich 2026. Michael Kastel spricht von einem Investitionsvolumen von 70 Millionen Euro.
Das Herzstück der Super-Anlage ist der von Michael Kastel entworfene 24 Meter hohe Vario-Lifter. Er erlaubt es Kunden, ihre Yachten direkt bis zum Anlegesteg zu fahren, wo an Bug und Heck Fender ausklappen und das Schiff fixieren. Die Yacht wird anschließend an dicken, mit Gummi ummantelten Gurten aus Karbonfasern, die zu beiden Seiten an Hebekranen befestigt sind und beim Andocken unter dem Boot im Wasser liegen, hochgezogen und in die Werfthalle gehievt. Was die Konstruktion so besonders macht: Die Laufkatzen an den Hebekranen sind elektronisch so fein gesteuert, dass die Gurte das gesamte Schiff überall mit exakt der gleichen Vorspannung packen und anheben. So wird verhindert, dass der Rumpf auseinanderbricht. Die elektronische Steuerung reagiert dabei auch auf jedes Ungleichgewicht, wie beispielsweise auf den schwereren Heckbereich, wo sich Antrieb, Bootsschrauben und -ruder befinden. Ein weiteres Plus bei Kastels Super-Anlage: Das Ein- und Ausbringen der Boote dauert maximal 3 Minuten, und aufgrund der ausgeklügelten Steuerung und Fenderkonstruktion können auch bis zu vier 20-Meter-Yachten statt nur einer großen in einem Schwung aus dem Wasser geholt bzw. reingehievt werden. Kastels Vario-Lifter funktioniert natürlich auch beim Verladen von Yachten, die im Trockendock die Werft erreichen.
Auch das Innere der 85 Meter langen, 25 Meter breiten und 23 Meter hohen Halle in den Emiraten hat es technisch in sich. Die Bootstützen, auf die die Yachten für die Dauer der Wartung gehievt werden, sind allesamt Neukonstruktionen, wie Kastel berichtet. Jede Stütze habe zwei Arme, auf denen die Yacht aufliegt. So könne immer ein Arm weggezogen werden und an der Stelle gestrichen oder repariert werden, ohne das gesamte Boot bewegen zu müssen. Eine ausgeklügelte Gegenstrom-Abzugsanlage sorge außerdem dafür, dass innerhalb der Werkshalle zeitgleich geschliffen und lackiert werden kann, berichtet Michael Kastel.
Hochregallager für bis zu 69 Yachten
Kurz vor dem Baustart steht eine Schiffsverladeanlage von Michael Kastel, die im europäischen Ausland realisiert wird.Hierbei geht es um ein Hochregallager für bis zu 69 Yachten. Die Halle dafür misst 58 Meter in der Länge, ist 29 Meter breit und 15 Meter hoch.Mit Fertigstellung ist im Juli 2023 zu rechnen, teilte der Schwelmer Konstrukteur mit.
Mit seiner „Weltneuheit“ schwimmt Michael Kastel momentan auf einer Erfolgswelle. Wie er berichtet, seien im Februar und März diesen Jahres bereits zwei weitere Großprojekte in Europa gezeichnet worden. Und es gäbe gut laufende Gespräche über ein weiteres in den Emiraten.
Alleine ist dies natürlich nicht zu schaffen. Bei der Umsetzung dieser Großprojekte sitzen drei verschiedene Produktionsstätten mit insgesamt 328 Mitarbeiter mit im Boot. „Eingebunden werden ebenfalls die Firma ABUS-Krantechnik sowie die DEKRA, die bereits in einem der europäischen Projekte eingebunden ist“, berichtet Michael Kastel.
„Bedingt durch den übergroßen Auftragseingang werden bis voraussichtlich Mitte 2026 keine weiteren Aufträge mehr entgegengenommen“, ließ der Schwelmer wissen. Es sieht also ganz danach aus, dass Michael Kastel als Unternehmer wohl noch länger auf dem Sonnendeck Platz nehmen wird.