Gevelsberg. Satiriker Jan Böhmermann hat den Hauptbahnhof Gevelsberg als abschreckendes Beispiel genannt. Besuch vor Ort und Gespräche mit Stadt und Polizei.

Kurz nach 18 Uhr am Hauptbahnhof in Gevelsberg: Eine junge Frau steht mit einem jungen Mann auf der Treppe hoch zum Gleis. Sie drückt ihm 10 Euro in die Hand. Er geht hoch zu einer Gruppe Jugendlicher, die nicht so wirken, als warteten sie auf einen Zug. Stattdessen stehen einige im Kreis, andere sitzen auf der Rückenlehne einer Bank, die Füße auf der Sitzfläche, rauchen. Es läuft laute Musik, es riecht bis aufs gegenüberliegende Gleis nach Marihuana.

Der junge Mann und einer der Jugendlichen entfernen sich ein Stück von den anderen, reden miteinander. Dann drücken sie sich gegenseitig betont unauffällig etwas in die Hand. Ein Drogendeal? Genau prüfen lässt sich das nicht. Während die Redaktion beim Besuch vor Ort diese Szene beobachtet, sind von gegenüber der Treppe zum Gleis laute Stimmen zu hören. Sind sind schwierig zu verstehen. Mehrere Männer sitzen zwischen Wartehäuschen und Toiletten und trinken Bier. Sie sind hörbar angetrunken. Nach ein paar Minuten kommen noch mehr Männer dazu.

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Ortswechsel: Auf dem Weg hinter dem Hauptbahnhof, der zur Wittener Straße, aber auch hoch zur Realschule führt, geht eine Familie mit Kindern spazieren. Sie gehen an einer Sitzbank vorbei, auf der ein Mann sitzt und Bier trinkt. Er hat den Kopf gesenkt, wirkt dadurch stark angetrunken. All das hinterlässt kein gutes Gefühl beim Besuch des Hauptbahnhofs, über den Satiriker Jan Böhmermann in seiner ZDF-Sendung „Magazin Royale“ nur sagte: „Hier Gevelsberg. Wollt Ihr mich verar...? Was ist das denn bitte?“ Sein Fazit: „Der Deutsche Provinzbahnhof ist zu einem Angstraum geworden.“

Das sagt die Polizei

Lässt sich das in Gevelsberg anhand der Kriminalitätsstatistik belegen? „Der Hauptbahnhof in Gevelsberg stellt aus Sicht der Kreispolizeibehörde Ennepe-Ruhr-Kreis keinen Kriminalitätsschwerpunkt dar“, sagt Polizei-Sprecherin Isabell Kircher auf Nachfrage der Redaktion. Im vergangenen Jahr 2021 habe es insgesamt 87 Einsätze am Hauptbahnhof Gevelsberg gegeben.

Der Verbindungsweg zwischen Hauptbahnhof Gevelsberg, Wittener Straße und der Realschule. Laut Polizei hat es hier 2021 kein vermehrtes Aufkommen von Straftaten gegeben.
Der Verbindungsweg zwischen Hauptbahnhof Gevelsberg, Wittener Straße und der Realschule. Laut Polizei hat es hier 2021 kein vermehrtes Aufkommen von Straftaten gegeben. © Max Kölsch

Dabei geht es laut Kircher mehrheitlich um Sachbeschädigungen, Körperverletzungsdelikte, Beleidigungen und Straftaten der Rauschkriminalität im Zusammenhang mit Cannabis – die seien allerdings jeweils auf einem niedrigen, einstelligen Niveau. Ein vermehrtes Aufkommen von Delikten in den Abend- oder Nachtstunden sei 2021 nicht erkennbar gewesen. Auch sei ein vermehrtes Straftatenaufkommen auf dem Weg hinter dem Hauptbahnhof zu Wittener Straße und Realschule im vergangenen Jahr nicht erkennbar.

Das sagt die Stadt

Nur ein Teil des Hauptbahnhofes gehört der Deutschen Bahn, ein Teil gehört der Stadt Gevelsberg – nämlich die Vordachkonstruktion, das Kioskgebäude und die Toilettenanlage. „Hier sind über die Sonderförderung ÖPNV kurzfristig für das Jahr 2022 optische Aufwertungsmaßnahmen vorgesehen“, erklärt die Stadt auf Nachfrage der Redaktion. Die Rede ist von einer Reinigung der Wände und vom Anstrich der Überdachung und der Pfeiler.

Auch der Blick zu den Gleisen am Hauptbahnhof Gevelsberg bietet wenig Schönes. Stadt und Bahn wollen daran in Zukunft etwas ändern.
Auch der Blick zu den Gleisen am Hauptbahnhof Gevelsberg bietet wenig Schönes. Stadt und Bahn wollen daran in Zukunft etwas ändern. © WP | Max Kölsch

Das Integrierte Entwicklungs- und Handlungskonzept Gevelsberg 2030 sehe zudem mittelfristig eine bauliche Aufwertung des Bahnhofseingangsbereichs vor. Hier solle das Erscheinungsbild des Bahnhofvorbereichs über ein neues Lichtkonzept beziehungsweise über eine neue Vordachkonstruktion deutlich verbessert werden. Auch die Wege, die zum Hauptbahnhof hin beziehungsweise von ihm weg führen, möchte die Stadt gerne ansehnlicher gestalten. „Durch hochwertige Pflastermaterialien und ein ansprechendes Beleuchtungskonzept soll der zentrale Fußweg vom Bahnhof über die Jahnstraße und die Gartenstraße ins Zentrum aufgewertet werden und Angsträume gar nicht erst entstehen lassen“, so die Erklärung dazu aus dem Rathaus.

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Den Bereich des Hauptbahnhofes hat die Stadt Gevelsberg laut eigener Aussage in die sogenannten „City-Streifen“ des Ordnungsamtes mit aufgenommen. „Hier finden zu unterschiedlichen Terminen, die wiederum mit der Verwaltung abgestimmt sind, Kontrollen statt“, heißt es. „Dies erfolgt, um unvorhersehbare Kontrollen durchführen zu können. Die Kontrollen würden insbesondere in den Abendstunden stattfinden und umfassten die Bereiche Mittelstraße, Ennepebogen und ZOB. Verstöße seien der Abteilung Allgemeine Ordnungsdienste nicht bekannt. Eventuell auftretende Problemstellungen würden verbal und bislang unproblematisch aufgelöst, so die Stadt Gevelsberg.

Die Verwaltung ist außerdem froh, dass die Deutsche Bahn „nach zahlreichen Hinweisen und eindringlichen Bitten ihrerseits nun endlich ihrer Verpflichtung nachkommt den Bahnhof aus- und umzubauen.“ Die Hinweise von Bürgerinnen und Bürgern über das unansehnliche Erscheinungsbild und das Gefühl, das der Gevelsberger Hauptbahnhof derzeit vermittele, seien schon seit Jahren Thema in der Stadt und Grundlage für viele Gespräche mit der Deutschen Bahn.