Ennepetal. Ennepetal hat keine Radiologie mehr. Die Praxis im Ärztehaus an der Voerder Straße 65 wurde geschlossen, die schweren Medizin-Geräte ausgebaut.

Nach und nach schwebten am Dienstag mitten in Milspe zum Teil tonnenschwere medizinische Geräte aus der vierten Etage auf die Ladeflächen mehrerer Lkw hinunter. Die Radiologische Praxis im Ärztehaus an der Voerder Straße 65 wurde ausgeräumt. Nach 45 Jahren ist der Praxisbetrieb komplett eingestellt worden.

„Aus wirtschaftlichen Gründen“, so erklärt Hauseigentümer Lutz Becker, habe sich der Investor gezwungen gesehen, den Standort Ennepetal zu schließen. Das Unternehmen wolle auch keinen neuen Standort in der Region eröffnen, so Becker. Er habe bereits in einem Gespräch mit den anderen Ärzten und der Apothekerin im Haus sondiert, welche Fachrichtung für die 180 Quadratmeter umfassenden Praxisräume wünschenswert sei. Gynäkologie, Chirurgie oder auch Lungenheilkunde seien unter anderem vorstellbar.

+++Lesen Sie auch:+++

Böhmermann über Gevelsberg Hbf: „Wollt Ihr mich verar...?“

Influencerin aus Schwelm: So hart ist der Job wirklich

Natürlich sei dabei die Kassenärztliche Vereinigung (KV) maßgeblich. „Ich stehe mit der KV und der Stadt in Kontakt“, so Becker, der betont, dass es ihm nicht nur um die Vermietung, sondern auch um die Patientenversorgung in Ennepetal gehe. Auf Anfrage dieser Zeitung erklärte Stadt-Pressesprecher Hans-Günther Adrian, dass es Anfang April wieder ein Gespräch von Bürgermeisterin Imke Heymann mit Vertretern der KV geben werde. „Die Bürgermeisterin wünscht sich, dass die KV die Notwendigkeit sieht, auch in Zukunft die fach- und hausärztliche Versorgung ortsnah sicherzustellen“, so Adrian.

Aktuell Überversorgung in der Region

Die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe erklärte auf Anfrage dieser Zeitung, dass es in der Raumordnungsregion Bochum/Hagen, zu der Ennepetal zählt, keine weitere Niederlassungsmöglichkeit für Radiologen gebe.

Im Gebiet seien 47,5 Radiologen tätig. Der Versorgungsgrad liege bei 157,3 Prozent (Stand November 2021). Das bedeute, dass es eine Überversorgung gebe (Versorgungsgrad größer 110 Prozent). 18 Prozent der Radiologen seien älter als 60 Jahre, so dass es vorerst weiter bei einer Überversorgung bleiben wird.

Es war Schwerstarbeit, die der 46-Tonnen-Autokran mit 52-Meter-Ausleger den ganzen Tag über zu leisten hatte. Der Magnetresonanztomograph, der allein 4,5 Tonnen auf die Waage bringt, wurde ebenso aus den Praxisräumen nach unten gelassen wie der zwei Tonnen wiegende Computertomograph, Röntgengeräte, die Kühlung der Klimaanlage auf dem Dach und die aus statischen Gründen eingebaute 1,5 Tonnen schwere Bodenplatte. „Seit 14 Tagen sind wir dran, alles zu zerlegen“, erklärte Bauleiter Uwe Caspers von der Firma USC Gebäude-Service, die mit der Demontage beauftragt war. Nicht zuletzt mussten die Röntgenkabinen abgebaut werden. Alle Großgeräte wurden durch eine eigens angelegte große Öffnung in der Hauswand herausgeholt. „Die Geräte werden weiterverkauft“, so Uwe Caspers. Der MRT sei erst sechs Jahre alt, ein Neugerät dieser Kategorie kostet heutzutage einen siebenstelligen Betrag.

Der Magnetresonanztomograph schwebt langsam in Richtung Erdboden. Das Stück war das schwerste unter den medizintechnischen Geräten, die aus der geschlossenen Radiologie-Praxis geräumt wurden.
Der Magnetresonanztomograph schwebt langsam in Richtung Erdboden. Das Stück war das schwerste unter den medizintechnischen Geräten, die aus der geschlossenen Radiologie-Praxis geräumt wurden. © WP | Hartmut Breyer

Mitarbeiter der Dortmunder Firma TAS Alborn GmbH waren mit dem Kran tätig. Teil für Teil wurde auf eine eingehängte Stahlpalette geschoben und auf die bereit gestellten Lkw des Transportunternehmens Kühne aus Dortmund gehievt. Der Verkehr wurde während der Aktion über den Fußgängerbereich geleitet. Die Praxisräume werden in den nächsten Tagen wieder hergerichtet und mit neuer Fensterfront versehen.

1976 mit dem Neubau eröffnet

Mit der Schließung der Radiologie-Praxis endete eine Jahrzehnte lange Geschichte. Als 1976 das neu gebaute Ärztehaus eröffnet wurde, nahm auch Dr. Gisela Hoffmann mit ihrer Radiologischen Praxis den Betrieb auf. 1983 übernahm Dr. Heino Wichmann die Praxis und führte sie 31 Jahre lang, bis er Anfang 2014 in den Ruhestand trat. Röntgendiagnostik, Mammographie, Ultraschalluntersuchungen, Magnetresonanz- und Computertomographie – all diese diagnostischen Verfahren wurden im Ärztehaus durchgeführt.

+++ Nichts mehr verpassen: Bestellen Sie hier unseren Newsletter aus Ennepetal, Gevelsberg und Schwelm+++

2007 schloss sich Wichmann mit Kollegen aus Witten und Dortmund-Lütgendortmund zum Verbund der Radiologie Ennepe-Ruhr zusammen. Daraus wurde später die MVZ Ruhrradiologie GmbH, hinter der inzwischen der Investor RH Diagnostik & Therapie GmbH mit Sitz in München steht. Geleitetet wurde die Praxis in Ennepetal seit Heino Wichmanns Ausscheiden 2014 von Norbert Thor.