Gevelsberg. Die Vorstandsvorsitzenden der Sparkassen Gevelsberg-Wetter und Ennepetal-Breckerfeld sprechen über die Fusion ihrer Häuser zum 1. Januar 2022.

Die Sparkassen Gevelsberg-Wetter und Ennepetal-Breckerfeld fusionieren zum 1. Januar 2022 zur neuen Sparkasse an Ennepe und Ruhr. Die neue Sparkasse wird mit einer Bilanzsumme von etwa 2,5 Milliarden Euro die größte im Ennepe-Ruhr-Kreis sein. Im Interview sprechen der Vorstandsvorsitzende der Sparkasse Gevelsberg-Wetter, Thomas Biermann, der auch an der Spitze des neuen Instituts stehen wird, und der Vorstandschef von Ennepetal-Breckerfeld, Bodo Bongen, über Änderungen, die auf die Kunden zukommen, die Gründe für die Fusion, deren Vorteile für Kunden und die Trägerkommunen sowie die politischen Begleitumstände.

Ab dem 1. Januar sind die Sparkasse Gevelsberg-Wetter und die Sparkasse Ennepetal-Breckerfeld Geschichte. Dann gibt es in der Region nur noch die Sparkasse an Ennepe und Ruhr. Wird sich das zu Jahresbeginn für die Kunden überhaupt schon bemerkbar machen? Und wenn ja, wie?

Thomas Biermann: Wir werden die Öffnungszeiten der drei Hauptstellenstandorte vereinheitlichen. Dort sind wir montags bis donnerstags von 8.30 bis 18 Uhr und freitags von 8.30 bis 15 Uhr jeweils durchgehend persönlich vor Ort. In den Filialen bleiben die Öffnungszeiten vorerst unverändert. Für uns ist ein großes Thema natürlich die technische Fusion. In der Nacht vom 20. auf den 21. August soll sie vollzogen werden. Dann werden sich die Bankleitzahl und die BIC und damit auch die IBAN für die Kunden der bisherigen Sparkasse Ennepetal-Breckerfeld ändern. Nur bei wenigen Kunden der Sparkasse Ennepetal-Breckerfeld wird sich auch die Kontonummer ändern, falls es eine Überschneidung von Nummern beider Sparkassen gibt. Die Betroffenen werden wir aber natürlich rechtzeitig darüber informieren und bei der Umstellung Hilfestellung leisten.

Bodo Bongen: Sehr wichtig für die Kunden der Sparkasse Ennepetal-Breckerfeld ist, dass sich an der Betreuungskonzeption nichts ändern wird. Es wird dieselben Zuständigkeiten geben, mit den bisherigen Ansprechpartnern und Standorten. Wenn die technische Fusion vollzogen ist, werden die Kunden zusätzliche Möglichkeiten erhalten, ihre Geldgeschäfte zu erledigen – dann sind zum Beispiel Bargeldeinzahlungen an einer beliebigen Kasse im Geschäftsgebiet und Beratungen in allen Geschäftsstellen möglich.

Wie sieht es mit der Vereinheitlichung der Zinsen und Gebühren aus? Wird es nur Anpassungen nach oben geben? Oder können sich Kunden teilweise auch auf günstigere Konditionen freuen?

Biermann: Erstmal wird nichts passieren. Eine Zeit lang gibt es unterschiedliche Preise. Wir wollen bis Ende des Jahres unsere Angebote auf den Prüfstand stellen. Voraussichtlich im ersten Halbjahr 2023 steht dann die Vereinheitlichung der Girokontomodelle an.

Im Ennepetaler Rat wurden Stimmen laut, dass darauf hingewirkt werden solle, dass sich die neuen Preise und Gebühren an den – vermeintlich – günstigeren Ennepetaler Konditionen orientieren…

Biermann: Es gibt sehr viele verschiedene Kontomodelle. Es ist sicher nicht immer teurer bei der bisherigen Sparkasse Gevelsberg-Wetter. Bei uns ist beispielsweise in einem Angebot die Kreditkarte enthalten. Man sollte also nicht Äpfel mit Birnen vergleichen, sondern die Modelle ganzheitlich betrachten. Letztlich sehe ich keine große Preissteigerung für die eine oder andere Seite.

Bongen: Wir werden uns auf jeden Fall anstrengen, faire Angebote für unsere Kunden zur Verfügung zu stellen.

Wie sieht es mit den Strafzinsen – von Ihnen Verwahrentgelt genannt - aus? Welche Regelung wird es bei Ihnen geben?

Biermann: Auch da wird es eine Vereinheitlichung geben. In Ennepetal-Breckerfeld gibt es die Verwahrentgelte mit Freigrenzen – 200.000 Euro für Ehepaare, 100.000 Euro für Einzelkonten – für Privatkunden bereits. In Gevelsberg-Wetter hatten wir bisher nur individuelle Vereinbarungen im Firmenkundenbereich. Das wird natürlich nicht zum 1. Januar vereinheitlicht. Dazu bedarf es einer individuellen Vereinbarung mit dem jeweiligen Kunden. Unsere Berater werden mit jedem Einzelnen in Kontakt treten, um nach Alternativen zu schauen und eine Vereinbarung zu treffen.

Welche Vorteile haben die Kunden von der Fusion?

Biermann: Wir haben künftig eine größere Leistungsfähigkeit, insbesondere im Firmenkundenbereich. Durch die neue Größe erhöhen sich die Kredit- und Finanzierungsspielräume gerade für die größeren Unternehmen deutlich. Das ist wichtig, weil viele Mittelständler in den letzten Jahren ebenfalls stark gewachsen sind und daher einen gestiegenen Finanzierungsbedarf haben. Zudem haben wir bei der Sparkasse Gevelsberg-Wetter noch eine eigenständige Auslandsabteilung, das hat sich bewährt. Wir haben hier viele Unternehmen, die stark im Export und auch im Import sind. Da können wir künftig noch intensiver begleiten.

Bongen: Ein Vorteil für die vielen Privatkunden ist die Standortsicherheit. Im Fusionsvertrag haben wir konkret vereinbart, alle elf personenbesetzten Geschäftsstellen für mindestens sechs Jahre zu erhalten. Mittel- bis langfristig werden unsere Kunden ihre Filialen also vor Ort haben und damit die Möglichkeit, Produkte ihrer Sparkasse zu erhalten. Die Geldautomatensituation ist geeignet, sich flexibel mit Bargeld zu versorgen. Das ist nur möglich aufgrund der Kostensynergien, die sich durch die Fusion ergeben. Das Filialnetz wird zum Teil durch andere Bereiche quersubventioniert.

Bilanzsumme 2,5 Milliarden Euro, mehr als 300 Beschäftigte

Die Sparkassen Gevelsberg-Wetter und Ennepetal-Breckerfeld fusionieren zum 1. Januar 2022 zur neuen Sparkasse an Ennepe und Ruhr. Sitz des neuen Geldinstituts, das eine Bilanzsumme von etwa 2,5 Milliarden Euro hat, mehr als 300 Beschäftigte zählt und Hauptgeschäftsstellen in Gevelsberg, Ennepetal und Wetter haben wird, ist Gevelsberg.

Im April 2021 gab es erste Sondierungsgespräche, schon Ende Mai empfahlen beide Verwaltungsräte den Zweckverbänden die Vereinigung. Anfang Juli sprachen sich die Räte in allen vier Städten dafür aus.

Die beiden Zweckverbände als Träger der Sparkassen beschlossen am 28. September beziehungsweise am 6. Oktober die Vereinigung jeweils einstimmig. Direkt danach wurde der Öffentlich-Rechtliche Vertrag zur Gründung der Sparkasse an Ennepe und Ruhr – Zweckverbandssparkasse der Städte Gevelsberg, Ennepetal, Wetter (Ruhr) und Breckerfeld – unterzeichnet.

Zum Vorstand der neuen Sparkasse gehören Thomas Biermann als Vorsitzender, Michael Hedtkamp als Stellvertreter sowie Bodo Bongen und Uwe Volkmer.

Vorsitzender des Verwaltungsrates ist Gevelsbergs Bürgermeister Claus Jacobi, 1. Stellvertreterin Ennepetals Bürgermeisterin Imke Heymann, 2. Stellvertreter Wetters Bürgermeister Frank Hasenberg. Vorsitzender der Zweckverbandsversammlung ist Breckerfelds Bürgermeister André Dahlhaus.

Sie müssen zwangsläufig personell umstrukturieren. Werden schon jetzt Mitarbeiter ihren Arbeitsplatz wechseln? Welche zentralen Bereiche werden in Gevelsberg angesiedelt sein, welche in Ennepetal?

Biermann: Wir wollten so früh wie möglich alle internen Abteilungen und Bereiche an jeweils einem Standort zusammenziehen. Das wird zum 3. Januar schon weitgehend umgesetzt sein. In Milspe wird die komplette Organisation, die interne Revision und die komplette Vertriebssteuerung sein. In Gevelsberg sind der Vorstandsstab, die Unternehmenssteuerung und die Marktfolge im Aktivgeschäft, also dem Kreditgeschäft, angesiedelt. Und in Wetter haben wir die Marktfolge im Passivgeschäft, also dem Einlagengeschäft, die Spezialfinanzierungen sowie die Bearbeitung von Intensiv- und Problemkrediten zusammengeführt. Wir haben die Bereiche relativ gleich verteilt. Vor der Fusion von Gevelsberg und Wetter waren alle drei Sparkassen von der Größe her in einer Liga.

Bongen: Für uns war natürlich auch wichtig, unsere Raumkapazitäten effizient auszuschöpfen.

Bei Verkündung Ihres Zusammengehens wurde betont, dass es keine Kündigungen geben soll. Wie viel Personal wollen Sie mittelfristig abbauen, indem sie freiwerdende Stellen nicht nachbesetzen?

Biermann: Wir starten zum 1. Januar mit gut 300 Mitarbeitenden. Unser Fusions-Businessplan für die nächsten fünf Jahre sieht vor, etwa 25-30 Stellen im internen Bereich abzubauen – natürlich ohne Kündigungen, nur durch Fluktuation. In bestimmten Bereichen brauchen wir auf Sicht nicht so viel Personal wie bisher in beiden Häusern zusammen. Aber im Kundenverkehr bleiben die Stellen erhalten.

Während in Wetter und Gevelsberg der Rat der Stadt der Fusion ohne größere Diskussionen zugestimmt hat, gab es in Ennepetal kritische Töne. Ratsmitglieder fühlten sich überfahren und erklärten, dass der Sparkassenverband Westfalen-Lippe, dem sie angehören, sehr starken Druck ausgeübt habe. War der Verband der Treiber der Fusion?

Bongen: Dass der Verband Druck ausgeübt hat, muss ich verneinen. Verbände sind dazu da, Szenarien darzustellen. Und dass die Rahmenbedingungen für die Sparkassen äußerst schwierig sind, war mehr als bekannt. Vor diesem Hintergrund mussten wir uns überlegen, wie wir uns aufstellen können. In der Ennepetaler Politik war das Thema der Fusion sicher ein bisschen schwieriger zu vermitteln. Das ist der Tatsache geschuldet, dass die Aufgabe einer selbstständigen Sparkasse für alle absolutes Neuland war. Ich kann in einem gewissen Rahmen nachvollziehen, dass da emotionale Dinge eine Rolle spielen. Aber letztlich haben alle unsere Sachargumente akzeptiert.

Biermann: Die Beschlüsse beider Zweckverbände als Träger sind einstimmig gefasst worden. Als Gevelsberg mit Wetter zusammengegangen ist, war die Situation ähnlich. Die damalige Erfahrung hat uns jetzt geholfen. Jede unserer Sparkassen hat eine Unternehmensgeschichte, die 150 Jahre zurückreicht. Dass der, der etwas überträgt, sich schwerer tut, ist klar. Doch liegt es gerade in der Verantwortung der Politik, es deutlich zu machen, falls es nach der Fusion zu Verschlechterungen kommen sollte. Und noch ein Wort zum Verband: Der hat nur eine beratende Funktion, dafür sind Verbände da. Eine Verschmelzung zweier Sparkassen ist immer ausschließlich Trägersache. Der Verband sollte bestenfalls die Vor- und Nachteile aufzeigen.

Einige in die Verhandlungen involvierte Ennepetaler Ratsmitglieder beklagten auch, dass Sie über Wochen zu strengster Geheimhaltung verpflichtet waren. Warum fanden die Verhandlungen im stillen Kämmerlein statt? Die Sparkassen Schwelm und Sprockhövel sind mit ihren Plänen doch auch offensiv umgegangen.

Biermann: Wir haben darauf verzichtet, eine externe Beratungsgesellschaft zu beauftragen und über Wochen und Monate Fusionskonzepte ausgearbeitet, Synergien und Fusionskosten abgewogen, unsere Ertragskraft und Marktposition eingeschätzt. Solche Zahlenwerke gehören nicht in öffentliche Ratssitzungen. Aber so intransparent war es doch auch gar nicht. Die Verwaltungsräte können nur eine Empfehlung aussprechen, entscheiden müssen die Zweckverbandsversammlungen. Sofort nachdem die Verwaltungsräte ihre Empfehlung ausgesprochen haben, haben wir das öffentlich kundgetan. Und ohne dass das rechtlich notwendig gewesen wäre, haben die Bürgermeister aller vier beteiligten Städte darauf bestanden, die Fusion in die Stadträte zu bringen.

Ist die Fusion nicht eigentlich eher eine Übernahme der Sparkasse Ennepetal-Breckerfeld durch die Sparkasse Gevelsberg-Wetter, die ja eine etwa doppelt so hohe Bilanzsumme hat? Der Sitz der neuen Sparkasse an Ennepe und Ruhr ist ja auch Gevelsberg.

Bongen: Rechtlich ist es schon mal eine Fusion, denn die beiden alten Zweckverbände wurden aufgelöst und ein neuer Zweckverband mit Beteiligung aller vier Kommunen gegründet. Und diese Fusion ist in einem fairen Prozess ausgearbeitet worden.

Biermann: Wenn es keine Fusion wäre, würden wir uns doch nicht Sparkasse an Ennepe und Ruhr nennen, sondern Gevelsberg-Wetter, vielleicht noch mit Ennepetal hintendran. Wichtig ist: Gewerbesteuerzahlungen und Ausschüttungen bemessen sich nach den Größenverhältnissen. Und bei Bilanzsumme, Eigenkapital und Ertragskraft waren die Sparkassen vor der Fusion Gevelsberg-Wetter auf Augenhöhe. Deshalb gab es da gar keine langen Diskussionen. Wir sind zu viert im Vorstand, jedes Mitglied hat nur eine Stimme. Und auf der Bereichsleiterebene haben wir ebenfalls nahezu eine 50-50-Situation.

Bongen: Zwei Vorstandsmitglieder werden außerdem in Milspe sitzen, zwei in Gevelsberg.

Wir sieht es mit den Spenden und Sponsoringleistungen aus? Mancher Verein, manche Einrichtung macht sich Sorgen, dass nicht mehr so viel Geld fließen wird.

Bongen: Es ist vertraglich fixiert, dass es diese Zahlungen insgesamt in unveränderter Höhe geben wird. Das gilt bis auf weiteres.

Biermann: Der Vorstand beschließt ein Gesamtbudget für Spenden und Sponsoring, das im Verhältnis zur Einwohnerzahl auf die vier Städte verteilt wird. Wir haben in der Hinsicht übrigens unsere Erfahrungen aus der Fusion Gevelsberg-Wetter genutzt, da ist das schon so geregelt worden. Und unsere insgesamt fünf Stiftungen – drei hat Gevelsberg-Wetter, zwei Ennepetal-Breckerfeld – sind in den Gremien regional besetzt, die Gelder fließen wie bisher in die jeweilige Kommune.

Bongen: Übrigens gibt es für Ennepetal und Breckerfeld noch einen Vorteil der Fusion: Es wird ab 2022 Ausschüttungen aus dem Gewinn an die Kommune geben. Das war in Gevelsberg und Wetter schon der Fall und wird nun für alle gleichermaßen gelten.

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Der Konzentrationsprozess im Sparkassensektor ist längst nicht abgeschlossen, siehe die beschlossene Fusion der Sparkassen Dortmund und Schwerte und die Sondierungsgespräche von Hagen-Herdecke mit Lüdenscheid. Geraten Sie bei weiteren Zusammenschlüssen nicht gleich wieder in Zugzwang, sich mit einem weiteren Institut zusammenzutun? Ist eine Kreissparkasse Ennepe-Ruhr – ohne Herdecke – eine völlig unrealistische Vision?

Biermann: Die Fusion von Gevelsberg und Wetter ist zum 1. Juni 2017 erfolgt, viereinhalb Jahre her. Ob es große oder kleinere Häuser sind, die Arbeit ist immer die gleiche. Der Prozess des Zusammenführens, auch der unterschiedlichen Kulturen in den Häusern, dauert seine Zeit. Wir haben das erfolgreich hinbekommen. Für uns war aber eine wichtige Überlegung vor dem weiteren Projekt, ob wir uns das zumuten können. Vier bis fünf Jahre sind das Minimum, das man dafür braucht. Was danach kommt, kann mir derzeit keiner seriös sagen. Erstmal sehen wir uns gut aufgestellt.

Bongen: Viele Jahrzehnte haben wir bei neun Kommunen acht Sparkassen gehabt. Jetzt sind es mit uns, Schwelm-Sprockhövel, Hattingen und Witten noch vier. Wir haben den Vorteil, dass wir keine Flächensparkassen sind, sondern alles Stadtsparkassen, jeweils mit sehr viel Wirtschaft, mit Industrie. Das ist ein großer Standortvorteil gegenüber vielen anderen Regionen.

Wenn Sie auf Ihre neue Sparkasse an Ennepe und Ruhr schauen: Was wünschen Sie sich für das Jahr 2022?

Biermann: Ich würde mir wünschen, 2022 die Pandemie zu überwinden, damit wir es leichter haben, uns zusammenzufinden. Die Corona-Zeit war eine Riesenherausforderung für uns, wir zählen ja auch zur kritischen Infrastruktur. Es würde vieles einfacher machen, wenn wir wieder etwas mehr Normalität hätten.

Bongen: Ich wünsche mir, dass unser Fusionsprozess nach Plan verläuft und wir die technische Fusion sauber hinbekommen. Und ich hoffe, beweisen zu können, dass wir weiter kundenorientiert und stark für die Region sind -- auch um den einen oder anderen Kritiker noch zu überzeugen, dass die Entscheidung für die Fusion die richtige war.