Ennepetal. Das Opfer einer Messerstecherein in Ennepetal muss notoperiert werden. Der Täter wartet bei Mutter der Ex-Freundin auf seine Verhaftung.
Verschmähte Liebe, Angst vor dem Nebenbuhler und ein Zusammentreffender der beiden Jugendlichen auf einem Schulhof haben beinahe für eine Tragödie in Ennepetal gesorgt. Auf dem Schulhof der Sekundarschule hat ein zum Tatzeitpunkt 16-Jähriger einem damals 15-Jährigen ein Messer fast sechs Zentimeter tief in den Bauch gerammt. Laut der Mediziner hat das Opfer nur mit viel Glück überlebt. Den Täter erwartet ab Mittwoch der Prozess vor der Jugendkammer das Hagener Landgerichts. Ihm drohen bis zu zehn Jahre Haft.
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Die Geschichte beginnt im Frühjahr und frühen Sommer des Jahres 2019 und im Zentrum steht ein junges Mädchen. Das ist erst mit dem Jüngeren der beiden zusammen. Als das Pärchen sich trennt, ist sie wenig später die Freundin des Angeklagten. Doch – wie das in diesem Alter nicht ungewöhnlich ist – hält auch diese Liebe nicht ewig. Die Jugendlichen trennen sich wieder, das Mädchen findet zurück zu ihrem Ex-Freund, dem damals 15-Jährigen.
Öffentlichkeit ist ausgeschlossen
Der scheint auf den 16-Jährigen furchteinflößend gewirkt zu haben. Zumindest hat er bei der Polizei ausgesagt, er habe Angst davor gehabt, dass der 15-Jährige ihn hasst, und dass er ihm etwas antun wolle. Warum er diese Angst entwickelt hat, ist in der Anklageschrift nicht vermerkt, dies wird aber möglicherweise Gegenstand des Prozesses sein, von dem die Öffentlichkeit aufgrund des Alters des Angeklagten zum Tatzeitpunkt ausgeschlossen ist.
Auf jeden Fall – davon geht die Anklage aus – hat er, um sich für ein Zusammentreffen mit dem 15-Jährigen zu wappnen, mit einem Küchenmesser der Marke WMF bewaffnet. Dies hat eine zehn Zentimeter lange Klinge, die mit einer Plastikkappe geschützt ist, so dass der heute 18-Jährige es problemlos mit sich führen konnte.
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Als er sich auf dem Schulhof der Sekundarschule am Amselweg, wo die Jahrgänge fünf und sechs unterrichtet werden, mit mehreren weiteren Jugendlichen aufhielt, kam auf einmal seine Ex-Freundin mit seinem Vorgänger und nun auch Nachfolger vorbei. Im Angesicht des sich anbahnenden Ärgers soll der Angeklagte bereits die Kappe vom Messer entfernt haben. Tatsächlich standen sich die beiden nur kurz darauf gegenüber und es kam zum Streit. Der 15-Jährige soll dem 16-Jährigen dabei mehrfach gegen den Hinterkopf geschlagen haben. Daraufhin rammte der Ältere dem Jüngeren das Messer in den Bauch und flüchtete. Weil die Schläge da bereits beendet gewesen sein sollen, geht die Staatsanwaltschaft nicht von einer Notwehrhandlung aus. „Der Stich soll aus Sicht der Anklagevertreter nicht der Beendigung des Angriffs sondern der Vergeltung gedient haben“, sagt Bernhard Kuchler, Pressesprecher des Landgerichts Hagen, an dem der Fall vor der Jugendkammer verhandelt wird.
Blutverlust zu hoch
Der verletzte 15-Jährige soll noch versucht haben, den Messerstecher zu verfolgen, aber insbesondere der hohe Blutverlust soll ihn schnell stark geschwächt haben. Die umstehenden Jugendlichen informierten sofort den Notarzt. Das Opfer der Stichverletzung musste am selben Tag notoperiert werden, um nicht in Lebensgefahr zu geraten. Ohnehin – so stellten die Mediziner später fest – habe der Junge großes Glück gehabt, denn wäre der Stichkanal nur ein klein wenig anders verlaufen, wären lebenswichtige Organe verletzt worden.
Das steht strafrechtlich zur Debatte
Nach § 23 Abs. 1 StGB ist der Versuch eines Verbrechens stets strafbar.Weil es sich beim Totschlag um ein Verbrechen handelt, ist demnach auch der versuchte Totschlag strafbar.Der versuchte Totschlag meint dabei eine kriminelle Handlung, wobei der Täter versucht, einen anderen Menschen zu töten, allerdings die Tat nicht vollendet wird und der Tod des anderen nicht eintritt.Im Jugendstrafrecht liegt die Höchststrafe bei versuchtem Totschlag bei zehn Jahren.Für Verbrechen gelten nach dem Jugendgerichtsgesetz andere Maßstäbe bei der Höhe der Strafe: Jugendlichen Tätern darf generell auch nur eine Freiheitsstrafe von maximal zehn Jahren zugeschrieben werden.
Der Täter flüchtete derweil nicht sehr weit. Der damals 16-Jährige ging mit dem blutigen Messer in der Hand nämlich nur schnurstracks zur Mutter der Ex-Freundin, legte dort das Messer auf den Tisch und ließ sich kurze Zeit später widerstandslos von der Polizei festnehmen.
Die Verhandlung findet erst jetzt statt, weil der Junge nicht in Untersuchungshaft gekommen war und somit keine strengen Fristen vorlagen. Für das Verfahren hat die Kammer zunächst fünf Verhandlungstage vorgesehen. Ein Urteil wird am 20. Oktober erwartet.