Ennepetal. Ennepetal profitiert laut Handlungskonzept Wohnen davon, dass Familien aus dem Umland zuziehen. Doch der Wohnungsmarkt hat Schwächen.

„Ennepetal ist ein attraktiver Wohnstandort in der Region“. Das stellt das Handlungskonzept Wohnen fest, das die Stadt in Auftrag gegeben hatte. Man profitiere vor allem als Standort für die Wohneigentumsbildung von Familien, die aus Wuppertal, Hagen, den anderen Städten des Ennepe-Ruhr-Kreises und selbst aus Düsseldorf kämen. „Das Zeitfenster von steigenden Mieten und leer gefegten Märkten in nahe gelegenen Großstädten hat Ennepetal genutzt und Nachfrage aus der Region abschöpfen können“, heißt es in dem Konzept, das Dipl.-Ing. Regina Höbel vom Büro InWIS Forschung & Beratung GmbH aus Bochum erstellt hatte.

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Um die Potenziale voll ausschöpfen und auf der anderen Seite Abwanderungen verhindern zu können, fehlt es den Ausführungen der Experten zufolge allerdings an Angeboten für bestimmte Gruppen. So konstatiert InWIS „unverhältnismäßig hohe Bevölkerungsverluste bei Haushaltsgründern und in der Altersgruppe 50 plus“. Mögliche Ursachen werden demnach in einer mangelnden ÖPNV-Anbindung, in lückenhafter Infrastruktur, fehlenden Wohnalternativen im Alter (barrierearm beziehungsweise barrierefrei, gegebenenfalls auch als betreutes Wohnen) sowie in einer „noch nicht hinreichend attraktiven Innenstadt“ vermutet.

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Die Stadt hatte die Erstellung des neuen Handlungskonzepts vor allem vor dem Hintergrund der Diskussionen um die potenziellen Baugebiete Homberge und Voerde-Nord in Auftrag gegeben. „Die Frage war, ob wir die Gebiete brauchen und wollen“, erklärt Stadtplaner Ulrich Höhl. Dafür sollte die Entscheidungsgrundlage aktualisiert werden. 2012 war ein solches Konzept erstmals erstellt worden. Dessen Datengrundlage war allerdings zwischenzeitlich überholt. Die nun erfolgte Fortschreibung sollte Aussagen darüber treffen, welche Trends und zukünftige Bedarfe es in Ennepetal in Sachen Wohnen gibt, wo im Interesse der Stadtentwicklung welche Wohnformen angesiedelt und entsprechende Flächen bereitgestellt werden sollten.

Schwerpunkte benannt

Das vor der Sommerpause der Politik vorgestellte Konzept sieht Schwerpunkte darin, die Bildung von Wohneigentum zu unterstützen sowie mehr Angebote für Wohnen im Alter und die Schaffung preisgünstiger Familien-Wohneinheiten zu ermöglichen. Konkret gelte es, dass in Ennepetal barrierefreie Wohnungen in Infrastrukturnähe errichtet werden, der Generationenwechsel im Eigenheimbestand gefördert und bezahlbarer Wohnraums für große und für Senioren-Haushalte geschaffen wird. Nicht zuletzt müsse auch der Eigenheimbau gesteigert werden. Dabei weist Regina Höbel ausdrücklich darauf hin, dass der Wohnungsbedarf nicht gleich dem Flächenbedarf sei. So könnten auch Abrissflächen wieder genutzt werden. Insgesamt prognostiziert sie einen Bedarf von 940 Wohnungen bis zum Jahr 2039. Für etwa 600 Wohneinheiten würden neue Flächen benötigt.

Die Datengrundlagen

Für die Erarbeitung des Handlungskonzepts Wohnen wertete das Büro InWis soziodemografische und ökonomische Daten der Stadt und von IT NRW aus. Ebenfalls ausgewertet wurden Wohnungsannoncen bei „Immobilienscout 24“, kleinräumige Markt- und Bevölkerungsdaten auf Stadtteilebene und die Wohnbauflächenpotenziale.

Für die Bedarfsprognose legte InWis für die Stadt Ennepetal einen Bevölkerungsrückgang bis 2039 um 2 bis 4 Prozent zugrunde. Das entspreche etwa 300 bis 700 Haushalten. Angenommen wurde zudem eine starke Zunahme der Senioren 65 plus sowie älterer Familien und die Abnahme jüngerer Familien. Singlehaushalte seien im Aufwind.

Im Zuge der Erstellung des Gutachtens fanden auch eine Expertenrunde und eine Diskussionsveranstaltung statt.

Das Handlungskonzept sieht als Herausforderungen für Ennepetal die Attraktivität innerstädtischer Wohn-/ Geschäftsgebäude zu steigern, mehr Bauland für individuellen Wohnungsbau zu aktivieren (und zwar kurzfristig), junge Menschen und die Generation 50 plus in der Stadt zu halten, den Wohnungsbestand zu akzeptablen Preisen zu modernisieren, mehr Bauland in integrierten Lagen für Mehrfamilienhaus-Neubauten für die Zielgruppe 50 plus zu schaffen, Konzepte für verbesserte Nahversorgung und Mobilität zu entwickeln, das Investoreninteresse im geförderten Wohnungsbau zu wecken sowie das Image der Innenstadt zu verbessern.

Sechs potenzielle Wohnbauflächen untersucht

Für das Handlungskonzept Wohnen untersuchte das Büro InWis auch sechs potenzielle Wohnbauflächen im Hinblick auf die Lage und ihre Eignung für die Deckung der Wohnraumbedarfe. Folgende Flächen wurden bewertet:

Homberge: Auf einer Fläche oberhalb des Hülsenbecker Tals könnten 49 Ein- und Zweifamilienhäuser entstehen. Dafür sei die Eignung der Fläche hoch, so das Urteil. Für Mehrfamilienhäuser sei die Fläche ebenfalls gut geeignet, aufgrund der lokalen Gegebenheiten allerdings nur eingeschränkt nutzbar. Die infrastrukturelle Versorgung sei gut, außer für Senioren.

Oberbauer: Im Bereich Kalkheck gibt es eine Freifläche, auf der 20 Ein- und Zweifamilienhäuser errichtet werden könnten. Für Mehrfamilienhäuser sei die Eignung nur mittel. Die Infrastruktur wird als gut bewertet, außer für Senioren.

Windecke/Vilvoorder Straße: 47 Ein- und Zweifamilienhäuser sahen Planungsentwürfe für das Gebiet vor. Die Fläche ist dem Konzept zufolge sowohl für Ein- und Zweifamilien- als auch für Mehrfamilienhäuser sehr gut geeignet. Die infrastrukturelle Versorgung wird als sehr gut angesehen – außer für Senioren.

Ebbinghausen-Kehr (Fläche 1): 12 Ein- und Zweifamilienhäuser sind dort vorgesehen. Die Fläche eigne sich dafür ebenso sehr gut wie für den Bau von Mehrfamilienhäusern, so das InWis-Urteil. Die infrastrukturelle Versorgung sei für alle Zielgruppen gut bis sehr gut.

Ebbinghausen-Kehr (Fläche 2): 27 Ein- und Zweifamilienhäuser sind dort in der Planung, dafür sei die Fläche auch sehr gut geeignet. Die Eignung für Mehrfamilienhäuser ist laut InWis aber nur gering. Die infrastrukturelle Versorgung sei gut, außer für Senioren.

Sportplatz Rüggeberg: Es gibt Pläne, den Sportplatz weiter an den Ortsrand zu verlegen, die freiwerdende Fläche könnte mit etwa 17 Ein- und Zweifamilienhäusern bebaut werden. Dafür sei das Gebiet sehr gut geeignet, gleiches gelte für den Bau von Mehrfamilienhäusern, heißt es in dem Konzept. Die infrastrukturelle Versorgung wird für alle Zielgruppen als gut bis sehr gut angesehen.

Die grundsätzliche Entscheidung, ob und in welcher Form die Flächen bebaut werden, liegt in den Händen der Politik. Vor allem das Baugebiet Homberge ist umstritten, aktuell gibt es keine Mehrheit für eine Bebauung. „Aus städtebaulicher Sicht ist die Fläche attraktiv. Deshalb ist es in der Auflistung drin“, erklärt Stadtplaner Ulrich Höhl. „Gleichwohl verstehe ich die Argumente gegen eine Bebauung.“