Ennepetal. Seit Jahresbeginn hat die Stadt Ennepetal zwei Streetworker. Judith Gontermann und Karsten Langwald sind gefragte Ansprechpartner für Jugendliche.

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Seit Jahresbeginn hat die Stadt Ennepetal zwei Streetworker. Judith Gontermann und Karsten Langwald, die beide bereits seit Jahren in der Jugendarbeit der Stadt tätig sind, sind per E-Bike im gesamten Stadtgebiet unterwegs, um Jugendliche und junge Erwachsene zu treffen, mit ihnen ins Gespräch zu kommen, ihnen bei Sorgen und Nöten zur Seite zu stehen. Die Corona-Pandemie verstärkt manche Probleme oder schafft neue.

„Wir haben bisher zu etwa 125 Personen im Alter zwischen 13 und 20 Jahren Kontakt gehabt. Viele kannten wir durch unseren Job vorher schon“, berichten die beiden. Langwald ist Leiter des Jugendtreffs in Milspe, Gontermann Leiterin des Kindertreffs. „Es kommen noch 80 Personen hinzu, die wir häufiger treffen, deren Namen wir aber nicht kennen“, ergänzt Karsten Langwald. Zu etwa einem Dutzend haben er und Judith Gontermann intensiven Kontakt und sie in Einzelfallhilfen übernommen.

Draußen offenere Begegnungen

„Es geht um sexuelle Selbstbestimmung, um Übergriffe und sexuelle Orientierung und auch darum, dass jemand mit Freund oder Freundin zusammen sein will, das zu Hause aber nicht möglich ist“, nennt Langwald die Themen, mit denen er und seine Kollegin konfrontiert werden. „Der Übergang von Schule und Beruf ist ein Dauerbrenner. Da wird es durch Corona auch nicht besser.“ Mancher braucht Hilfe beim Erstellen eines Lebenslaufs oder beim Kindergeldantrag. Nicht zuletzt nahm der Drogenkonsum in Pandemie-Zeiten offenbar zu. „Vor dem Jahreswechsel war es extrem, dass harter Alkohol gemischt mit Red Bull getrunken wurde“, so Karsten Langwald.“

Auch um die Absicherung der Lebensgrundlage geht es in einigen Fällen, sprich: Manchen Jugendlichen droht die Obdachlosigkeit, wenn sie 18 werden und zu Hause ausziehen müssen oder wollen, aber eben nicht mehr in die Zuständigkeit des Jugendamtes fallen. „Wir haben auch schon Schlafsäcke herausgegeben. Und wir haben Schlafstellen vermittelt, die gibt es in Ennepetal nicht“, so Langwald. Oft verliere man den Kontakt zu den Betreffenden, weil sie bei Freunden in der Region unterkämen oder in größere Städte abwanderten.

Zentraler Faktor bei der aufsuchenden Jugendarbeit ist, dass die Jugendlichen sich außerhalb eines institutionellen Rahmens an die Streetworker wenden können. „Vor dem Jugendamt habe sie Angst. Viele wollen auch nicht, dass die Eltern etwas erfahren“, erklären die studierten Sozialarbeiter. „Wir werden nicht als Jugendamt wahrgenommen, wenn wir draußen unterwegs sind.“ Wobei es noch mal einen Unterschied mache, ob man sich im Jugendtreff mit seinen Regeln treffe oder ganz außerhalb. „Draußen trauen sich die Jugendlichen mehr, wenn sie uns begegnen“, meint Judith Gontermann. Einige kämen direkt auf sie zu, andere würden sich bei einem Zusammentreffen öffnen und von ihren Problemen erzählen, so die beiden Streetworker. Zum Teil würden ihnen auch Jugendliche, die sie kennen, von Freunden erzählen, die Probleme haben.

Mit E-Bikes unterwegs

Bei ihren Touren sind sie nicht sofort als städtische Mitarbeiter erkennbar und bewusst mit dem E-Bike unterwegs. „Wenn wir mit dem städtischen Auto kommen würden, dann wären alle schnell weg“, erklären beide. Etwa 25 Punkte in allen Ortsteilen fahren sie gemeinsam regelmäßig ab. Dass sie innerhalb von kurzer Zeit bereits so viele Kontakte knüpfen konnten, liege daran, dass sie bereits bekannte Gesichter für die Jugendlichen seien. „Jemand von außen hätte viel mehr Zeit gebraucht, reinzukommen“, meint Judith Gontermann. „Ich bin jetzt seit zehn Jahren in der Kinder- und Jugendarbeit der Stadt tätig. Ich kennen viele der Jugendlichen schon, seit sie sechs oder sieben waren.“ Außerdem sei es ideal, dass sie beide Geschlechter abdecken und Jungen und Mädchen jeweils spezifisch als Gesprächspartner zur Verfügung stehen können.

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Bianca Euteneuer, für die Kinder- und Jugendarbeit verantwortliche Abteilungsleiterin, betont, dass das Sozialgesetzbuch (SGB) VIII mehr Prävention vor Ort vorsehe. „Meine Abteilung ist komplett präventiv aufgestellt“, sagt sie. Nicht zuletzt würde sich die aufsuchende Jugendarbeit gut mit einem Projekt wie „Combo – Jugend stärken im Quartier“ ergänzen, das die Südkreisstädte in Kooperation mit der AWo durchführen. Dabei stehen junge Menschen zwischen 12 und 26 Jahren im Blickpunkt, die durch Schulabsentismus und/oder Straffälligkeit aufgefallen sind. Die Streetworker verweisen darauf, dass sie durch dieses Projekt über ein gutes Netzwerk verfügen, um schnell Hilfe vermitteln zu können. „Und bei harten Fällen, beispielsweise wenn mir ein Mädchen erzählt hat, dass es vergewaltigt wurde, muss ich auch darüber sprechen“, meint Judith Gontermann. Da kann ich dann mit Kollegen ins Gespräch gehen.“

Judith Gontermann und Karsten Langwald sind überzeugt, dass ihre Arbeit sich auszahlt. Und Bianca Euteneuer ergänzt: „Streetwork sollte bei der Jugendarbeit in den Vordergrund gerückt werden. Oft können gerade durch den Einsatz der Streetworker weiterreichende Maßnahmen abgewendet werden.“